Comeback der fossilen Rohstoffe
Explodierende Preise bescheren Rohstoffunternehmen Rekordgewinne – deren grösste Aktionäre sind Investoren, die Nachhaltigkeit gross auf ihre Fahnen schreiben.
17. August 2022 • Beat Schmid

Der australische Rohstoffkonzern BHP hat im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende Juni) dank Rekordpreisen so viel verdient wie noch nie zuvor. Der Gewinn des grössten Rohstoffkonzerns der Welt stieg im Jahresvergleich um fast 40 Prozent auf 23,8 Milliarden US-Dollar, wie das Unternehmen aus Melbourne am Dienstag mitteilte. Im Vorjahr hatte BHP einen Gewinn von 17,1 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Hauptgrund für den Rekordgewinn sind die massiv gestiegenen Kohlepreise: Der Vorsteuergewinn in diesem Segment kletterte auf 8,7 Milliarden Dollar. Letztes Jahr verzeichnete das Geschäft noch einen Verlust von 570 Millionen Dollar. Der Konzern strotzt vor Kraft: Im vergangenen Geschäftsjahr generierte er überschüssige Barmittel in der Höhe von 24 Milliarden Dollar. Die Nettoschulden verringerten sich auf 333 Millionen Dollar, weit unterhalb des Zielbands von 5 bis 15 Milliarden Dollar.

Noch besser läuft es für Thungela. Der Kohlekonzern aus Südafrika ging im Juni 2021 als Spin-off von Anglo American an die Börse. Seither hat sich der Aktienkurs mehr als verzehnfacht. Im ersten Halbjahr 2022 steigerte Thungela den Gewinn auf 9,6 Milliarden Rand, gegenüber 351 Millionen Rand vor einem Jahr. Die Barmittel erhöhten sich um fast 400 Prozent auf 14,8 Milliarden Rand.

Grosse Nachfrage nach “erschwinglichen” Energiepreisen

Die erzielten Exportpreise für eine Tonne Kohle erhöhten sich um 183 Prozent auf 277 Dollar, von 98 Dollar im ersten Halbjahr 2021. Inzwischen liegen die Preise für südafrikanische Kohle, die aus Richards Bay verschifft wird, nach Angaben von Argus Media bei fast 320 Dollar pro Tonne.

Thungela gab an, dass vor allem Energiekonzerne aus Europa die Kohle nachfragten. Diese würden vermehrt von russischem Gas auf Kohle umsteigen. Thungela-CEO July Ndlovu sagte, dass die Nachfrage nach “erschwinglichen” Energiequellen nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine “eskaliert” sei. In Verbindung mit Versorgungsengpässen in wichtigen Kohleförderregionen führte dies zu einem “nie dagewesenen” Preisanstieg für Kraftwerkskohle, sagte Ndlovu in einer Erklärung.

Die Zuger Glencore, die weltweit grösste Kohle-Exporteurin, gab Anfang August bekannt, dass die Einnahmen aus ihrem Kohlegeschäft in den ersten sechs Monaten des Jahres um fast 900 Prozent auf 8,9 Milliarden Dollar gestiegen sind. Das Unternehmen erzielte einen Rekordgewinn von 18,9 Milliarden im ersten Halbjahr.

Ivan Glasenberg streicht Sonderdividende von 133 Millionen Dollar ein

BHP, Thungela und Glencore profitieren massiv vom Kohleboom. Jetzt stellen sie zum Teil hohe Sonderausschüttungen für ihre Aktionäre in Aussicht. Glencore kündigte eine Spezialdividende von 1,45 Milliarden Dollar an – die allein Ivan Glasenberg, der immer noch 9 Prozent an der Firma hält, einen Sonderbonus von 133 Millionen Dollar bringt. Thungela erhöhte vorsorglich schon mal die Dividende auf 60 Rand. Auch BHP erhöhte die Ausschüttung an die Aktionäre.

Vom Comeback der Kohle und den sprudelnden Gewinnen profitieren auch etliche grosse Investoren, die nicht gerne mit dem umweltbelastenden, CO₂-intensiven Kohlegeschäft in Verbindung gebracht werden möchten.

Einer der grössten Aktionäre von BHP ist der riesige norwegische Staatsfonds Norges Bank Investment Management, der 5,2 Prozent an dem australischen Konzern hält. Der Fonds, der die norwegischen Öl- und Gas-Einnahmen langfristig anlegt, kündigte 2019 an, aus mehreren australischen Rohstofftiteln auszusteigen, unter anderen auch aus BHP.

Norwegischer Staatsfonds weiterhin in Kohle investiert

Doch soweit ist es bisher nicht gekommen. Gemäss der Norges-Datenbank hat der Fonds das Unternehmen zwar auf Beobachtungsstatus gesetzt, doch er ist weiterhin an BHP beteiligt. Dass Norges noch investiert ist, ist erstaunlich, da die geförderte Menge weit über dem internen Limit von jährlich 20 Millionen Tonnen liegt.

Der 1,3 Billionen-Dollar-Fonds zog sich vor zwei Jahren unter anderem bei Glencore, Anglo American und RWE zurück. Er ist auch bei Thungela nicht investiert und bei vielen indischen und chinesischen Kohlekonzernen.

Auch wenn man auf das Aktionariat von Thungela schaut, ergeben sich Fragen. Der britische Asset-Manager Abrdn ist mit 4,7 Prozent einer der grössten Aktionäre des Kohleunternehmens. Einen hohen Anteil hat auch Vanguard. Kleinere Anteile besitzen Schroders (1,5 %) und Blackrock (1,8 %).

Alle vier Finanzunternehmen sind Mitglied der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GAFNZ). Diese vom früheren Notenbankchef Mark Carney, dem heutigen UN-Sondergesandten für Klimaaktion und Finanzen, geleitete Allianz setzt sich „hochambitionierte, wissenschaftsbasierte Ziele, einschliesslich Netto-Null-Emissionen bis 2050“, wie die Initiative schreibt.

Neben den genannten Asset-Managern haben sich an der Allianz 450 Banken, Versicherungen, Pensionskassen angeschlossen, die insgesamt die Summe von 130 Billionen Dollar verwalten.

Wie sich herausstellt, befinden sich darunter auch etliche Milliarden, die direkt in Kohleunternehmen angelegt sind.