Sind Waffen nachhaltig?
Rüstungsfirmen haben einen sensationellen Lauf. Deshalb weichen ESG-Fonds ihre Ausschlusskriterien auf. Doch längst nicht alle. Darunter leiden Firmen wie Huber+Suhner.
19. August 2022 • Beat Schmid

Die Aktien von Huber+Suhner haben einen richtig guten Lauf. Sie liegen fast zwei Prozent über dem Stand von Anfang Jahr und haben damit den Vergleichsindex SPI deutlich geschlagen.

Die diese Woche veröffentlichten Zahlen haben den Aktien erst recht einen kleinen Boost verliehen. Alle wichtigen Bereiche zeigen eine positive Entwicklung: Der Umsatz stieg um 12,5 Prozent, der Betriebsgewinn um 4,5 Prozent. Die Kosten konnte das Unternehmen aus dem Zürcher Oberland unter Kontrolle halten. Die Betriebsgewinnmarge liegt bei 11,3 Prozent, was weit über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt.

Wer Huber+Suhner im Portfolio hat, hat eine gute Nase bewiesen. Doch Aktien könnten noch besser laufen. Denn für viele Fonds mit einem Nachhaltigkeitslabel kommen die Titel nicht infrage, da sie auf der Ausschlussliste stehen. So erlaubt es beispielsweise der Fonds zCapital Swiss ESG nicht, in Unternehmen zu investieren, die mehr als fünf Prozent des Umsatzes mit der Produktion von Rüstungsgütern oder zivilen Waffen generieren.

Huber+Suhner stellt zwar keine Waffen her, doch das Unternehmen fertigt im Bereich Luftfahrt und Wehrtechnikgeschäft Datenübertragungs- und "einsatzkritische" Kommunikationslösungen an. Die Komponenten werden in Helikoptern, Raketen, Drohnen und Radarsystemen eingesetzt. Laut Website kommen die Lösungen in mobilen Gefechtsständen, Störsendern und U-Booten zum Einsatz. Der Produktkatalog des Defence-Bereichs ist 165 Seiten stark. Den aller grössten Teil machen Steckverbindungen und Kabel aus.

Luftfahrt und Wehrtechnikgeschäft sind Teil des Segments Industrie, das im ersten Halbjahr um 5,8 Prozent auf 145 Millionen Franken wuchs. Huber+Suhner gibt an, dass der Rüstungsbereich “etwas unter Vorjahr blieb”. Doch wie viel Umsatz das Unternehmen genau macht, wird im Halbjahresbericht nicht offengelegt. Der Anteil liegt aber deutlich über der Schwelle von 5 Prozent oder 23 Millionen Franken, weshalb das Unternehmen auf der Ausschlussliste von zCapital gelandet ist.

Neben Rüstungsunternehmen schliesst der Fonds zCapital Swiss ESG auch Firmen aus, die mehr als 5 Prozent Umsatz mit Atom- oder Kohlestrom, Kohlebergbau, Fracking, Ölsand, Tabak, Pornografie und Glücksspiel machen. “Dies sind keine nachhaltigen Aktien”, heisst es auf der Website. zCapital stützt sich bei den massgebenden Umsatzanteilen auf Daten von ISS.

Ausschlüsse von Defence und auch Atomenergie werden zunehmend kontrovers diskutiert. Der Krieg in der Ukraine hat zum Teil zu einem Umdenken geführt. Gerade bei der Atomenergie kam es zu einem Meinungsumschwung, der vor kurzem noch undenkbar war.

So hat das EU-Parlament im Juli entschieden, bestimmte Atomkraft- und Erdgasaktivitäten als umweltverträglich gelten zu lassen. Das bedeutet, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen in die Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten nach der sogenannten EU-Taxonomie aufgenommen werden können.

Doch der Krieg in der Ukraine lässt auch die Rüstungsindustrie in einem neuen Licht erscheinen. Die Nato-Staaten unterstützen die Ukraine mit massiven Waffenlieferungen. Regierungen in Europa hat der Konflikt auch dazu veranlasst, die Rüstungsausgaben hochzufahren. Das ist in der Schweiz so, aber auch in Deutschland, das entschieden hat, es werde zusätzlich 100 Milliarden Euro für sein Militär ausgeben.

Rüstungsunternehmen wollen als nachhaltig gemäss EU-Taxonomie eingestuft werden

Die Folge: Die Aktien von Rüstungsunternehmen schossen in die Höhe. Die Titel des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall haben sich nach Ausbruch des Kriegs fast verdreifacht. Die Rüstungslobby und einige Finanzinstitute nutzen die Gunst der Stunde, um dafür zu werben, Rüstungsunternehmen als nachhaltig einzustufen.

Der Beitrag der Waffenhersteller zur “Verteidigung der Werte liberaler Demokratien” und zur Schaffung einer Abschreckung, die den Frieden und die globale Stabilität bewahre, sei eine Grundvoraussetzung, um sich überhaupt anderen soziale Fragen widmen zu können, argumentierten zwei Analysten der US-Grossbank Citi in einem Report.

Die schwedische Bank SEB hat ihre erst vor kurzem eingeführten Nachhaltigkeitsregeln kurzerhand angepasst, um ihren Fonds auch Investitionen in den Rüstungssektor zu erlauben. Und Hans Christoph Atzpodien, der Cheflobbyist der deutschen Verteidigungsindustrie, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg: “Ich appelliere an die EU, die Rüstungsindustrie als positiven Beitrag zur 'sozialen Nachhaltigkeit' im Rahmen der ESG-Taxonomie anzuerkennen.”

Steigende Kurse von Rüstungsunternehmen und Industrieunternehmen, die ihre Produkte in den Defence-Bereich hineinverkaufen, sowie hohe gesellschaftliche Akzeptanz für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, insbesondere in die Ukraine, stürzen Anbieter von nachhaltigen Fonds in ein Dilemma.

“Waffen sind nicht nachhaltig – ohne Wenn und Aber”

Einerseits trauern die Manager den verpassten Renditen nach, andererseits wollen sie die Kriterien nicht vorschnell aufweichen. “Wir diskutieren derzeit eine Anpassung der Ausschlusskriterien”, sagt eine Portfoliomanagerin, die nicht genannt werden möchte. Sie verweist darauf, dass auch die Kundschaft gespalten sei: “Die einen Kunden hätten sicher nichts gegen eine Aufweichung der Ausschlusskriterien, für andere bleibt es dabei, dass Waffen in ihrem Portfolio nichts zu suchen haben”, sagt sie.

Für Wim Van Hyfte ist der Fall klar. Er ist Global Head of Responsible Investments and Research bei Candriam, einer Tochter von New York Life Investments. Van Hyfte schrieb vor kurzem in einem Beitrag: “In jedem Fall sind wir der Meinung, dass die Verstärkung der militärischen Infrastruktur eines Landes nicht von Anlegern entschieden werden sollte, schon gar nicht von nachhaltigen Anlegern. Die Herstellung von Waffen sei nicht nachhaltig – “ohne Wenn und Aber”.

Auf Anfrage von Tippinpoint will zCapital sich nicht zu den Ausschlusskriterien äussern. Es will keine Angaben machen, ob es diese allenfalls ändert, um beispielsweise Firmen wie Huber+Suhner in ihre ESG-Fonds aufzunehmen.