Governance
Die Schweizerische Nationalbank verbuchte 132 Milliarden Verlust im letzten Jahr. Kantone und Bund gehen leer aus. Trotzdem werden die Mitglieder des Direktoriums viel mehr verdienen als die meisten Zentralbanker dieser Welt. Wieso eigentlich?
17. Januar 2023 • Beat Schmid

132 Milliarden Verlust. So tief rutschte die Schweizerische Nationalbank (SNB) 2022 in die roten Zahlen ab. Das ist im internationalen Vergleich ohne Beispiel: Die australische Zentralbank verbuchte im Geschäftsjahr 2021/22 einen Verlust von 36 Milliarden australischen Dollars (23 Mrd. Franken). Die niederländische Notenbank gab bekannt, dass sie in den nächsten Jahren Verluste von 9 Milliarden Euro einfahren werde. Und die US-Notenbank könnte für letztes Jahr einen potenziellen Fehlbetrag von 80 Milliarden Dollar ausweisen.

Trotz des epochalen Verlusts verdient der Präsident des Direktoriums der SNB so viel wie kaum ein anderer Zentralbankchef der Welt, wie ein Vergleich von Tippinpoint zeigt. Letztes Jahr bezog Thomas Jordan ein Gehalt von 945’000 Franken. Inklusive Sozialversicherungsbeiträge waren es sogar 1,25 Millionen Franken. Sein Gehalt ist ausgesprochen hoch im Vergleich zu seinen Kollegen.

Der Chef der Bank of England, Andrew Baily, bezog 2021 umgerechnet 577’000 Franken, fast gleich viel wie Philip Lowe von der Reserve Bank of Australia. Dahinter folgen Jens Weidmann (Deutsche Bundesbank), Pierre Wunsch (Belgische Nationalbank), Christine Lagarde, Chefin der EZB, und François Villeroy von der Banque de France, die alle unter 500’000 Franken verdienen. Abgeschlagen am Ende mit einem Gehalt von umgerechnet 188’000 Franken befindet sich der mächtigste Notenbanker der Welt, Jerome Powell von der Federal Reserve.

Die SNB vergleicht sich nicht mit anderen Notenbanken

Normalerweise orientieren sich die Löhne von Spitzenmanagern an einer Vergleichsgruppe. Bei Schweizer Banken sind das üblicherweise nationale oder internationale Konkurrenten. Bei der SNB ist das anders, wie man im Geschäftsbericht nachlesen kann: Die Entschädigung “orientiert sich an der Höhe der Entschädigungen, die bei anderen Unternehmen ähnlicher Grösse und Komplexität im Finanzsektor und bei Grossbetrieben des Bundes üblich sind.”

Bei den Löhnen schaut die SNB also explizit nicht auf die Löhne, die andere Zentralbanken ihren Chefs zahlen. Ein Sprecher der Nationalbank wollte sich zur Festlegung und Höhe der Gehälter nicht äussern und verwies auf den Bankrat, der dafür zuständig sei.

In diesem Gremium sitzt unter anderem Vania Alleva, Präsidentin der Schweizer Gewerkschaft Unia, die mit ihren Lohnstudien regelmässig die “stagnierenden tiefen Löhne und die steigenden Managerlöhne” anprangert. Fragen zur Entschädigung von Thomas Jordan und ob sie sich beispielsweise für eine Anpassung des Lohns nach unten einsetzen werde angesichts des Rekordverlustes und der ausfallenden Ausschüttungen an Bund und Kantone, liess Alleva unbeantwortet.

Hitzige Diskussionen in Australien

Dass die Höhe der Löhne von Notenbankchefs nicht einfach in Stein gemeisselt sind und durchaus Gegenstand von politischen Debatten sein können, zeigt sich in Australien. Die Notenbank wies nach dem 39 Milliarden Verlust für das Jahr 2021/22 ein negatives Eigenkapital aus und kündigte an, für die nächsten Jahre kleine Dividenden mehr an den Staat ausschütten zu können.

Darauf wurde das Gehalt von Zentralbankchef Philip Lowe von 924’000 auf 890’000 Dollar gesenkt. Für australische Boulevard-Medien wie die Daily Mail war das immer noch zu viel. Das Blatt kritisierte das üppige Lohnpaket des Mannes, der den Australiern die “nächste Zinserhöhung ins Gesicht schlagen wird”.

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