Ukraine-Krieg
Auch ein Jahr nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sind viele westliche Unternehmen weiterhin in Russland aktiv.
21. Februar 2023 • Beat Schmid

Ein Jahr nach Kriegsbeginn liegt die russische Wirtschaft noch nicht am Boden. Daran werden auch weitere Sanktionspakete der EU kaum etwas ändern. Das Land kann sich in entscheidenden Bereichen selbst versorgen. Es hat Energie und verfügt über alle wichtigen Rohstoffe, über Goldvorkommen und Lebensmittel. Das unterscheidet Russland von fast allen Ländern auf der Welt, die auf Importe angewiesen sind.

Westliche Produkte wie Computerchips oder Luxuswaren kommen über Staaten ins Land, die Russland nicht boykottieren. Zudem sind weiterhin erstaunlich viele westliche Firmen im Land aktiv. Wie eine Studie der Universität St. Gallen und des IMD in Lausanne zeigt, haben sich nur 8,5 Prozent von 1400 Unternehmen aus EU- und G7-Staaten seit Kriegsbeginn aus dem Riesenreich zurückgezogen. Nach wie vor sind viele amerikanische Konzerne in Russland tätig. Sie haben ihre Geschäfte nicht heruntergefahren und betreiben dort Business as usual.

Auch schweizerische gehören dazu. Bekanntes Beispiel ist die Ems-Chemie von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Gemäss einer kürzlich durchgeführten Umfrage der CS haben sich ein Viertel befragten Grossunternehmen bisher aus Russland zurückgezogen.

6 Prozent können sich eine Rückkehr vorstellen

Westliche Unternehmen scheinen den russischen Markt mit 150 Millionen Einwohnern nicht abschreiben zu wollen. Wie die Umfrage der Credit Suisse zeigt, können sich 6 Prozent der befragten Grossunternehmen sogar vorstellen, ihre Geschäftstätigkeiten in den nächsten drei Jahren in Russland aufzunehmen beziehungsweise wieder aufzunehmen.

Die Unternehmen gaben zudem an, dass die Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz auf Kritik bei vielen Geschäftspartnern gestossen ist. Gemäss der Umfrage verspüren rund 40 Prozent der befragten Unternehmen negative Reaktionen seitens der Geschäftspartner. Wie die Autoren der CS-Umfrage schreiben, habe dies “nicht nur die Regierung, sondern auch viele Schweizer Unternehmen in Erklärungsnot gebracht”.

Die Aufrechterhaltung der Neutralität hat für die Schweizer Unternehmen eine grosse Bedeutung: Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen sind der Auffassung, dass die Wahrung der Schweizer Neutralität im Interesse des eigenen Unternehmens ist.

Firmeninteressen gehen über Geopolitik

Es scheint, dass eine komplette Abkehr von gewissen Märkten trotz erhöhten geopolitischen Spannungen unrealistisch ist. Ein Beispiel dafür ist China. Während einige grosse US-Konzerne zum Rückzug blasen und die Verlagerung von Produktionsstandorten nach Indien angekündigt haben, setzen Schweizer Unternehmen weiterhin auf das Land. Der Markt bietet einfach nach wie vor zu viele Geschäftschancen, so der Tenor.

Es haben 650 Schweizer Unternehmen an der Umfrage teilgenommen. 200 davon sind sogenannte Mikrounternehmen mit 1 bis 9 Beschäftigten, 200 weitere sind Kleinunternehmen (10 bis 49 Mitarbeitende). 200 befragte Firmen beschäftigen 50 bis 249 Mitarbeitende. 50 sind Grossunternehmen, die 250 und mehr Angestellte zählen.

MEHR ZUM THEMA


Warum das Goldembargo gegen Russland nichts bringen wird

Grosse Industriestaaten wollen den Import von russischem Gold verbieten. Das mag zwar gut gemeint sein, doch bringen wird es nicht viel. Das Metall wird seinen Weg auf die Weltmärkte finden.
28. Juni 2022

Tausende Millionäre verlassen Russland - doch die Schweiz lassen sie links liegen

Eine Studie spricht von 15'000 sehr vermögenden Russinnen und Russen, die das Land in diesem Jahr verlassen werden. Doch in die Schweiz zieht es nur die wenigsten.
16. Juni 2022