Digital Assets Briefing
Mit einem speziellen Zahlungsnetzwerk können Bitcoin-Überweisungen effizienter abgewickelt werden als mit Kreditkarten – in Entwicklungsländern wird Lightning bereits eingesetzt.
12. Mai 2023 • Werner Grundlehner

Diese Woche im Digital Assets Briefing: In der Bitcoin-Welt ist das Problem altbekannt und ein grosses Ärgernis – statt dass Transaktionen mit steigender Anzahl günstiger werden, verteuern sie sich. Das Lightning-Netzwerk soll dieses Problem nun endlich lösen, schreibt Werner Grundlehner. Transkationen sollen schneller und billiger abgewickelt werden als mit Kreditkarten – so wie bei "Twint".

Und den Short Cuts diese Woche:
• Erste Insider-Verurteilung im Krypto-Bereich
• Uniswap: Eine führende Krypto-Börse ganz ohne Mitarbeiter
• US-Steuerbehörde stellt Milliardenforderung – ein Dämpfer für FTX-Schuldner



Schnell, billig und anonym: Das Lightning-Network ist das “Twint” der Bitcoin-Welt

Eine der grössten technischen Herausforderungen von Bitcoin ist die Skalierbarkeit. Um effektiv als Transaktionsmittel zu fungieren, um also als Währung für den täglichen Gebrauch einsetzbar zu sein, muss Bitcoin die Fähigkeit besitzen, ein erhebliches Transaktionsvolumen in einem schnellen Tempo abzuwickeln. Das Bitcoin-Netzwerk kann jedoch konstruktionsbedingt nur eine verhältnismässig geringe Anzahl von Transaktionen gleichzeitig abwicklen. Weil die Akzeptanz von Bitcoin steigt, ist das Netzwerk überlastet und die Transaktionszeiten und -gebühren steigen.

In den vergangenen Tagen haben sich die Gebühren für Bitcoin-Transaktionen vervielfacht und teilweise über 20 Dollar pro Transaktion erreicht. Gewisse Anbieter wie etwa Binance haben die Auszahlung von Bitcoin-Transaktionen mehrfach für Stunden eingestellt. Gerade für Nutzer in Schwellenländer, die Bitcoin wegen des fehlenden Vertrauens in die Landeswährung als Zahlungsmittel wählen, ist das eine Katastrophe. Mit über 600’000 Bewegungen erreichte das tägliche Transaktionsvolumen zuletzt ein Rekordhoch, die Anzahl an Blockchain-Blöcken nimmt aber nur langsam zu.

Nun auch “NFT” auf Bitcoin

Einen grossen Anteil am “Stau in der Blockchain” hat der neue “Bitcoin-NFT”. Anfang März lancierten Entwickler den BRC-20-Token-Standard als NFT auf der Bitcoin-Blockchain. Der NFT-Bereich wird von Ethereum dominiert. Im Gegensatz zum Ethereum-Standard kommen beim BRC-20-Token keine Smart-Contracts zum Einsatz, welche die Token oder die Regeln des Systems managen. Stattdessen wird eine Script-Datei gespeichert. Ein Satoshi, die kleinste Einheit eines Bitcoins, kann eine Einschreibung in Form eines Textes, einer Audio- oder Bilddatei oder in einem anderen Format speichern. Laut Branchenportalen war mehr als die Hälfte der Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain in den vergangenen Tagen auf diese sogenannte “Ordinals Inscriptions” zurückzuführen.

Die Ethereum-Blockchain kämpft seit Jahren mit ähnlichen Problemen und wird wegen der hohen Gebühren oft beanstandet. In der Krypto-Gemeinde führte dies zu teils lautstarker Kritik. Viele zeigten sich überrascht, dass die beiden wichtigsten Blockchains keine Skaleneffekt zeigen. Statt das Transaktionen mit steigender Anzahl günstiger werden, verteuern sie sich. Das war nicht die ursprüngliche Intention. Diese Verlangsamung und Verteuerung des Bitcoin-Netzwerks dürfte auch der Hauptgrund für die jüngste Werteinbusse sein. Die Bitcoin-Notierung hat innerhalb eines Monates rund 10 Prozent auf 27’400 Dollar verloren.

Ein Netzwerk auf dem Netzwerk

Doch die Sorgen erscheinen unbegründet. Es gibt innerhalb des Bitcoin-Universums eine Lösung für das Problem – das Lightning-Network. Lightning ist ein sekundäres Netzwerk, das auf der Bitcoin-Blockchain sitzt. Es ist ein Netzwerk von Zahlungskanälen, das nahezu sofortige, kostengünstige Bitcoin-Transaktionen ermöglicht. Die Benutzer können Bitcoin senden und empfangen, ohne auf Bestätigungen in der Blockchain warten zu müssen. Das Bitcoin-Lightning-Network ermöglicht dank der hohen Skalierbarkeit Millionen von Transaktionen pro Sekunde und viel höhere Transaktionsvolumina.

Und warum nutzt nicht gesamte Bitcoin-Gemeinde bereits das Lightning Network? Weil es noch in den Kinderschuhen steckt und einige technische Hürden zu überwinden hat. Doch zahlreiche Unternehmen und Privatpersonen nutzen Lightning bereits – insbesondere in Schwellenländern, beispielsweise in El Salvador, wo der Bitcoin 2021 zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurde. In Afrika können Bitcoin-Benutzer ohne Internetzugang das Lightning Network über ein Tool namens Machankura nutzen. Für Entwicklungsländer haben solche transformativen Technologien eine enorme Bedeutung.

Konkurrenz für Kreditkarten-Gesellschaften

Doch das Ligthning-Network verspricht nicht nur Nutzen für die zweite und dritte Welt. In einem kürzlich erschienenen Artikel rechnet das Wirtschaftsmagazin «Forbes» vor, wie diese Technologie den Bereich Mikrotransaktionen revolutionieren könnte. Damit wird die Technologie auch zur Konkurrenz von Kreditkartenanbietern. Ligthning weist mit Millionen von Transaktionen pro Sekunde ein höheres Transaktionsvolumen als Visa oder Mastercard auf und das zu niedrigeren, transparenten Gebühren. Dies, weil zentralisierte Systeme überflüssig werden und ein dezentrales Peer-to-Peer-System bereitgestellt wird.

Die globalen Zahlungsnetzwerke von Visa und Mastercard nutzen eine Technologie mit dem Namen Onion Routing. Diese teilt die Protokoll-Daten im Wesentlichen in mehrere Pakete auf. Dann sendet es diese mithilfe von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung über verschiedene Knoten im Netzwerk. Dies macht die Transaktionen sicherer und privater, da es schwierig ist, den Ursprung einer Transaktion zurückzuverfolgen. Doch das hat seinen Preis. Kreditkartentransaktionen lösen eine Kaskade von Gebühren aus (etwa Interchange und Interbank-Gebühren) die teils vom Händler, teils vom Konsumenten getragen werden und je nach Transaktionsbetrag variieren können. Das Bitcoin Lightning-Netzwerk erhebt eine Grundgebühr von 1 Satoshi (oder 0,00000001 Bitcoin), was aktuell rund 0,02 $ entspricht.

Schneller und günstiger

Bei Kreditkartenzahlungen kann es mehrere Tage dauern, bis Zahlungen abgeglichen werden. Zentralisiertes Banking benötigt diese Zeit, um Transaktionen im Namen von Zahlern und Zahlungsempfängern zu verifizieren. Das Lightning-Netzwerk kann solche Transaktionen in Sekunden erledigen. Dabei kann das Netzwerk genutzt werden, ohne dass personenbezogene Daten geteilt werden, wie es von Banken verlangt wird.

Das Lightning Network kann auch wie die Schweizer Zahlungs-App “Twint” eingesetzt werden, nur dass man dazu weder Kreditkarte noch Bankkonto braucht. Wenn A und B regelmässig Essen ins Büro bestellen, können sie, wenn beide ein Bitcoin-Wallet haben, einen gemeinsamen Zahlungskanal über Lightning eröffnen und so ihre Ansprüche abgleichen – ohne hohe Transaktiongebühren und ohne auf eine Bestätigung in der Blockchain warten zu müssen.

Das Versprechen, eine günstige Peer-to-Peer-Zahlungsmethode ohne Mittelsmann für die breite Masse anzubieten, kann Bitcoin (vorerst) nicht erfüllen. Dies erfüllt aber der zweite Bitcoin-Layer Lightning. Bitcoin bleibt ein Wertaufbewahrungsmittel ausserhalb des Fiat-Systems und damit eine Alternative zu den von Zentralbanken ausgegebenen Geldeinheiten.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Erste Insider-Verurteilung im Krypto-Bereich

Ein ehemaliger Produktmanager von Coinbase ist am Dienstag zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die US-Staatsanwaltschaft bezeichnet dies als ersten Insiderfall im Segment Kryptowährungen. Der Angeklagte, der sich schuldig bekannt hatte, habe Informationen zu digitalen Vermögenswerten, die neu auf der Kryptobörse kotiert werden, systematisch mit seinem Bruder (der zu 10 Monaten verurteilt wurde) und einem Bekannten geteilt. Der Handel mit Kryptowährungen vor der Ankündigung der Börsennotierung an einer der grössten digitalen Börsen hat dem Trio 1,5 Mio. $ eingebracht.

Das ist der erste von mehreren hochkarätigen Fällen im Zusammenhang mit Kryptowährungen, die von US-Staatsanwälten in New York angestrengt werden. Darunter ist auch die Anklage gegen den FTX-Gründer Sam Bankman-Fried, der auf “nicht schuldig” plädiert.




US-Steuerbehörde stellt Milliardenforderung – ein Dämpfer für FTX-Schuldner

Vor einigen Wochen gab es einen Hoffnungsschimmer für die Schuldner der Kryptobörse FTX von Sam Bankman Fried, die im vergangenen November zusammengebrochen ist. Gemäss Konkursverwalter waren über 7 Milliarden Dollar in Assets aufgetaucht und einige Tochtergesellschaften konnten verkauft werden. Doch nun tritt das US-Finanzamt auf die Bühne. Die Steuerbehörde (IRS) reichte 45 Forderungen in Höhe von 44 Milliarden Dollar gegen die insolvente Kryptobörse FTX und deren Tochtergesellschaften der Alameda Research Holding ein. Das US-Finanzamt hat diese Forderungen mit dem Status “administrative Priorität” versehen, so dass sie während des Insolvenzverfahrens der FTX-Vorrang vor den Forderungen ungesicherter Gläubiger haben dürften.




Eine führende Börse ohne Mitarbeiter

Das könnte Börsenbetreibern und ihren Ökosystemen (Clearing, Settlement, Custody) langfristig Sorgen bereiten. An gewissen Tagen steigt Uniswap gemessen am Handelsumsatz zu den weltweit grössten Handelsplätzen auf. Das Spezielle daran, das geschieht ohne menschliches Zutun – also ohne Mitarbeiter. Die im Jahr 2018 gegründete Uniswap war eine der ersten dezentralen Börsen und ist heute die mit Abstand erfolgreichste. Sie basiert auf der Blockchain von Ethereum und besitzt mit dem UNI-Token ihre eigene Kryptowährung, die als Governance-Token dient.

Als DAO (Decentralized Autonomous Organizations) ist Uniswap ein Pionier des Automated-Market-Maker-Modells (AMM), bei dem Nutzer Token an Liquiditätspools liefern und Algorithmen auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage Marktpreise festlegen. Sie sind das Gegenstück zu Auftragsbüchern, die Gebote und Nachfragen an einer zentralisierten Krypto-Börse abgleichen. Für diese Bereitstellung von Token an Uniswap-Liquiditätspools können Benutzer Belohnungen verdienen und gleichzeitig den Peer-to-Peer-Handel ermöglichen.

Noch kann man auf dem Handelsplatz erst Ethereum und Ethereum Tokens (ERC-20) gegeneinander handeln – mittlerweile sind es bereits 200. Es können verschiedene Kryptowährungen und Stablecoins gekauft und verkauft werden. Eine Ein- oder Auszahlung in Fiat-Währungen in Dollar oder Euro ist nicht möglich. Doch die DAO wird kontinuierlich weiterentwickelt und Verbindungen (Bridges) zu anderen Handelsplätzen kommen hinzu.

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