Folgen des CS-Zusammenbruchs
Die Zürcher Privatbank konnte bei weitem nicht so stark von der Schwäche der Credit Suisse profitieren, wie das viele Analysten erwartet hatten. Das sind die Gründe, warum der Markt daneben lag.
25. Mai 2023 • Beat Schmid

An der Börse verloren die Aktien der Zürcher Privatbank 10 Prozent in zwei Tagen. Es ist der grösste Taucher seit über einem Jahr. Der Grund sind enttäuschte Zahlen für die ersten vier Monate, welche die Bank am Dienstag vorlegte. Statt der erwarteten 8,5 Milliarden Franken Neugeld zog die Bank nur 3,5 Milliarden Franken an. Die verwalteten Vermögen stiegen nur leicht um 1 Prozent auf 429 Milliarden Franken. Das Kosten-Ertragsverhältnis und die Bruttomarge verharrten mehr oder weniger an Ort.

Die Bank legte ein Zwischenergebnis vor, als ob nichts geschehen wäre. Als ob es die Credit Suisse noch gäbe. Das Zwischenresultat für die ersten vier Monate zeigt: Julius Bär konnte bei weitem nicht so stark von der Schwäche der Credit Suisse profitieren, wie das viele Analysten erwartet hatten. Sie konnte es eigentlich überhaupt nicht, muss man sagen. Die meisten Analysten lagen mit ihren Schätzungen völlig daneben.
Kian Abouhossein von J. P. Morgan, der normalerweise das Gras im internationalen Bankwesen wachsen hört, notierte in einer Kurzanalyse, dass die “kurzfristigen Erwartungen höher” waren. Julius Bär sei “vom Markt” als eine Nutzniesserin der CS-Turbulenzen gesehen worden, was die vorgelegten Zahlen nicht zeigen würden.

Überall hin, nur nicht zu den Privatbanken

In der Tat scheinen die epochalen Abflüsse der Credit Suisse überall anders hingeflossen zu sein, nur nicht zu Julius Bär. Was der Markt falsch eingeschätzt hat, war wohl, dass verunsicherte Kunden der Credit Suisse vor allem schnell verschiebbare Einlagen abgezogen haben. Schweizer Kunden, die Sicherheit suchten, verschoben die Gelder somit vor allem zu Retailbanken, mit denen sie vielleicht bereits eine Kundenbeziehung hatten. Zu den Kantonalbanken etwa, die zudem über eine Staatsgarantie verfügen.

Auch im Ausland dürfte dieser Effekt gespielt haben. Unmittelbare Nutzniesser des CS-Kollapses waren die Local Heros, DBS in Singapur oder HSBC in Hongkong. DBS beispielsweise erzielte im ersten Quartal einen Sprung der Einlagen um 10 Milliarden Singapur-Dollar. “Ein Teil dieser Zuflüsse stammt aus Nordasien, ein anderer Teil von anderen Banken, einschliesslich der in Schwierigkeiten geratenen Banken in den USA und der Credit Suisse”, sagte DBS-Chef Piyush Gupta Anfang Mai, als er die Zahlen fürs erste Quartal vorstellte.

Wenn Julius Bär profitiert, dann mittelfristig

Wenn Julius Bär von der Krise der CS profitiert, dann erst mittelfristig. Einen sehr vermögenden Kunden mit all seinen Verästelungen von einer Bank zu einer anderen zu zügeln, kann Monate dauern, vielleicht sogar mehr als ein Jahr. Deshalb müssen Investoren, die auf einen Boom bei Julius Bär oder anderen kotierten, reinen Privatbanken wetten, wohl noch eine Weile warten, bis sich ein Effekt zeigt.

Eine schwierige Frage ist, wie gross dieser Effekt letztlich sein wird. Julius Bär hat in den ersten vier Monaten 40 neue Kundenberater eingestellt, die meisten stammen von der CS. Per Ende 2022 zählte Julius Bär 1248 Relationship Manager. Damit erhöhte die Bank die Zahl ihrer Berater um 3,2 Prozent. Allein daran zeigt sich, dass ganz grosse Sprünge ohnehin nicht zu erwarten sind.

MEHR ZUM THEMA


Julius Bär kann vom CS-Kollaps profitieren - ein bisschen

Die Zürcher Privatbank zog in den ersten vier Monaten wieder mehr Kundengelder an. Die Bank konnte 40 neue Kundenberater einstellen – "begünstigt durch die jüngsten Turbulenzen in anderen Bereichen der Branche".
23. Mai 2023

Romeo Lacher spekuliert über zweite Welle von Abflüssen bei der Credit Suisse

Der Präsident von Julius Bär macht heikle Äusserungen über eine weitere Abwanderungsbewegung von CS-Kunden. Jetzt gehe es um Depots und Kredite.
8. Mai 2023