Nach der Abstimmung vom vergangenen Sonntag stehen die Schweizer Pensionskassen (PK) weiterhin vor einem ungelösten Finanzierungsproblem: Die Lebenserwartung (und damit die Jahre in denen Rente bezogen wird) steigt, dagegen sinkt die Renditeerwartung. Dadurch kommt es zur nicht vorgesehenen ungewollten Umverteilung: Die Beiträge der aktiven Bevölkerung werden teilweise verwendet, um die Renten der Pensionierten zu zahlen.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Solana: Vielversprechendes Update und ebensolche Kursziele
• Visa startet eigene Blockchain-Plattform für Real World Assets
Während über wichtige Punkte wie Pensionsalter, Mindestverzinsung, Umwandlungssatz und Kosten der PK-Verwaltung viel und heftig diskutiert wird, geht der «dritte Beitragszahler» oft vergessen. Darunter versteht man den Beitrag, der die Anlagerendite auf dem investierten Kapital zum Vorsorgevermögen beiträgt. Weil Wissen über den Kapitalmarkt und die Zinseszinsrechnung dünn gesät ist, ist die Anlagerendite in den Augen vieler vernachlässigbar.
Für jeden Versicherten einen Kleinwagen
Doch das ist ein Fehler, wie folgendes Beispiel zeigt. Für das Jahr 2021 leisteten nicht etwa die Arbeitnehmer oder die Arbeitgeber den grössten Beitrag zur beruflichen Vorsorge – sondern der Finanzmarkt. Die Vorsorgeguthaben expandierten dank der Anlagerendite um 85 Milliarden Franken. Die Arbeitgeber alimentierten die Altersvorsorge in diesem Jahr mit 30 Milliarden, die Arbeitnehmer mit 21,5 Milliarden Franken.
Gemäss einer Studie der Asset Management Association Switzerland (Amas) erzielten die PK-Vermögensverwalter in diesem Jahr eine durchschnittliche Rendite von 8 Prozent, der Vermögenszuwachs betrug damit im Schnitt 15’180 Franken pro Versicherten, die PK-Rendite hat so gesehen jedem Versicherten einen Kleinwagen finanziert. 2021 war ein aussergewöhnliches Anlagejahr – aber der «Dritte Beitragszahler» lieferte in den vergangenen Jahren meist den höchsten Beitrag und hätte mehr Beachtung verdient.
Wird der Spielraum nicht genutzt?
Die Abstimmung vom Wochenende hat gezeigt, dass die Wähler nicht am BVG-System herumdoktern wollten. Der Umwandlungssatz scheint sakrosankt zu sein, die heutigen Beitragssätze ebenfalls. Der dritte Zahler – die Marktrendite – gewinnt damit noch mehr an Bedeutung. Die Pensionskassenverwalter sind gefordert – auch weil ihre Leistung und ihr Beitrag im Abstimmungskampf kritisch hinterfragt wurden.
Auch die Krypto-Industrie, die in der beruflichen Vorsorge noch eine vernachlässigbare Rolle hat, möchte ihren Performance-Beitrag leisten – nicht ganz uneigennützig, aber auch überzeugt vom Potenzial der digitalen Anlagen. Man glaubt, dass die PK nicht darum herumkommen, ihren Spielraum noch besser zu nutzen, gerade was den Anteil alternativer Anlagen betrifft.
«Zur Renditemaximierung sollten Anleger die Diversifizierung in Anlageklassen mit tiefer Marktkorrelation und gutem Risiko-Ertrags-Verhältnis priorisieren. Digitale Assets spielen in dieser Hinsicht ganz oben mit», sagt dazu Stefan Höchle, Head Investment Strategy, Digital Asset Solutions AG. Die langfristige Korrelation zu Aktienindizes befinde sich nahe Null, und ein niedrigeres Zinsumfeld begünstige Vermögenswerte mit knappem Angebot.
Kleiner Anteil verbessert Risikoprofil
Statt auf eine Erholung von Anleihen zu hoffen, sollten Pensionskassen gemäss Höchle jetzt auf diesen Trend aufsteigen. Bereits eine kleine Allokation von 1 bis 3 Prozent könne, das sei wissenschaftlich erwiesen, das Risikoprofil jedes Portefeuilles verbessern. Zudem hat sie gemäss dem Anlagestrategen das Potenzial, eine erhebliche Rendite für das Gesamtportfolio zu generieren: «Das Risiko bleibt dabei begrenzt».
Höchle räumt ein, dass bei fast allen Schweizer Pensionskassen digitale Assets noch gar kein Thema seien. «Die Amerikaner sind uns hier voraus. Neben der allgemeinen Konservativität der Schweizer Fondsmanager sehen wir einen Mangel an Grundwissen als zentralen Grund», fügt er an. Wer diese neue Anlageklasse weder auf fundamentaler noch anlagetechnischer Ebene verstehe, erwägt erst gar keine Allokation. Darunter leiden gemäss Höchle die Renditen und schlussendlich die Beitragszahler. Schweizer Pensionskassen sollten deshalb offener für Gespräche mit Krypto-Experten sein, so sein Aufruf.
Eine Wissens-Asymmetrie
Doch bis Krypto-Anlagen in PKs eine Selbstverständlichkeit werden, wird noch einige Zeit ins Land ziehen – wenn es überhaupt je soweit kommt. «Wir verfolgen das Thema mit Interesse, aber weniger Bitcoin und den Bereich Krypto-Dienstleister als vielmehr die Blockchain-Technologie im Allgemeinen und auch digitale Notenbankwährungen, sogenannte CBDC», sagt Lukas Riesen von PPCmetrics, einem Beratungsunternehmen für Pensionskassen. Das sei aus Sicht von neuen Entwicklungen und bei CBDC bezüglich Geldpolitik interessant.
Grundvoraussetzung für jedes Investment sei ein fundiertes Basiswissen der Entscheidungsträger, ergänzt Cédric Müller vom PK-Beratungsunternehmen c-alm. «Wir sind nicht a priori gegen eine Investition von PK in digitale Assets. Wir sehen es aber kritisch, wenn das Thema von der Sell-side aggressiv an Stiftungsräte herangetragen wird und eine grosse Wissens-Asymmetrie besteht», fügt er an. Der c-alm-Manager präzisiert, dass jede Pensionskasse über eine individuelle Risikofähigkeit verfüge und der Stiftungsrat diese zwingend zu berücksichtigen habe.
Mit Gold zu vergleichen
Als Anlagevehikel kommen Krypto-Anlagen für die Berater aber kaum in Frage. «Mit den erratischen Schwankungen und dem fehlenden Ertrag sind Kryptowährungen mit Gold zu vergleichen. Und auch das Edelmetall ist in PK-Vermögen nicht prominent vertreten», sagt Riesen. Es gebe zudem kaum Daten zu dieser Anlageklasse und jene, die man erhalte seien schwer zu interpretieren. Auch die zahlreichen Skandale und Pleiten in der Branche würden die PK abschrecken. «Es gibt immer einzelne Investments, die in der Performance überschiessen, das ist aber auch in anderen Anlageklassen so und daher kaum ein Argument», sagt Riesen.
Für Cédric Müller stellt sich die Frage, wie breit man in digitale Anlagen investieren möchte und wie viel «Umsetzungskompetenz» man sich als PK selbst zutraue. Die «einfachste» Möglichkeit wäre sicherlich ein Investment über ETF, Fonds oder Zertifikate, sagt er. Auch ein «Spiel über Bande» ist nach seiner Ansicht eine niederschwellige Möglichkeit, indem kotierte Unternehmen wie MicroStrategy, Bitcoin-Miner oder Handelsplattformen gekauft werden. Bei einer direkten Umsetzung sei das Thema der Custody zentral. «Auch bei Plattformen muss genau hingeschaut werden, abschreckende Beispiele waren FTX und Mt. Gox», fügt der c-alm-Berater an. Jede Umsetzungsmöglichkeit gelte es bezüglich operationeller Risiken, Gegenparteirisiken, Kosten und Flexibilität zu analysieren.
Neue Reputationsrisiken
Müller räumt ein, dass auf der Return-Seite mögliche Chancen bestehen, da zumindest in der historischen Entwicklung – etwa beim Bitcoin über die vergangenen fünf Jahre – die meisten anderen Anlagen nicht mithalten können. «Eine weitere mögliche Chance ist die Erweiterung des Anlageuniversums, welche neue Diversifikationsmöglichkeiten bietet», sagt der c-alm-Manager. Bei den Chancen gelte es aber auch das konkrete Investment zu berücksichtigen. Es sei bei Weitem nicht so, dass alle digitalen Assets eine gute historische Performance hätten oder eine wesentliche Diversifikation zu anderen Assets (wie z.B. Technologieaktien) bieten würden.
Als Gefahr macht Müller das hohe Anlagerisiko aus. Die beobachtete Volatilität und die maximalen Drawdowns von Bitcoin seien vergleichsweise hoch, bei den meisten anderen digitalen Vermögenswerte liegen diese noch höher. «Gerade in der zweiten Reihe der digitalen Anlagen gibt es auch regulatorische Risiken, obwohl die Auflösung dieser natürlich auch eine Chance darstellen kann, oder auch Projekte, welche sich als Betrug herausstellten», sagt der Berater. Zusätzliche operationelle Risiken würden sich je nach Umsetzung ergeben. Zudem bestehe noch die Gefahr von Reputationsrisiken für PK, so Müller – eine entsprechende Kommunikation gegenüber den Versicherten könne diese eventuell mitigieren.
Viel Raum für Alternative Anlagen
Von Gesetzes wegen gibt es für Pensionskassen keine spezifischen Regelungen für Krypto-Anlagen. Die generellen Bestimmungen von BVV 2 finden Anwendung. Die digitalen Assets werden den alternativen Anlagen zugeordnet; Produkte mit Nachschusspflicht sind verboten. Die Finanzmarktaufsicht hat schon vor geraumer Zeit Krypto-Fonds nach schweizerischem Recht für qualifizierte Anleger genehmigt – als «übrige Fonds für alternative Anlagen mit besonderem Risiko». In diese Klasse gehören auch Private Equity, Hedge Funds, etc.
Dass es bei alternativen Anlagen «keinen Platz» mehr hätte, ist gemäss Lukas Riesen von PPCmetrics hingegen ein schwaches Argument. Diese Begründung werde meist vorgeschoben und die PK-Verwaltung meine eigentlich «wir haben entschieden, nicht zu investieren». Bis zu 15 Prozent dürfen in alternative Anlagen investiert werden. Und das ist gemäss PPCmetrics-Berater eine «weiche Quote». Es gibt PK, die diesen Wert mit gewissen Vorgaben überschritten haben. «Wenn es ökonomisch unvernünftig ist, wird es aber schwierig, sich zu erklären», sagt Riesen.
Der Weg ist noch weit
«Bei Kryptos wäre auch eine Direktanlage möglich, der PK-Verwalter muss aber begründen, wieso er nicht diversifiziert investiert», sagt der PPCmetrics-Berater. Die in diesem Jahr lancierten Krypto-ETF änderten an den geäusserten Vorbehalten kaum etwas, fügt Riesen an. Bei einem ETF müsse man schauen, was drin steckt. Ein Engagement mit Krypto-Dienstleistern und Minern sei durchaus eine Möglichkeit. «Wir schlagen einer PK nicht vor, worin sie investieren sollte, das ist nicht unsere Aufgabe. Wir informieren und ermächtigen die Verwalter, einen fundierten Entscheid zu fällen», erklärt der Berater. Die Anlagen der PK müssten aber zu deren Verpflichtungen passen. Das sei bei Kryptos schwierig. Traditionelle Anlagen seien dazu viel geeigneter.
Es werde in der Branche viel über Krypto diskutiert. Riesen hat gehört, dass sich einige PK konkrete Krypto-Engagements überlegen. «Ich kenne jedoch keine», fügt er an. Der Berater von c-alm meint dazu, sie würden PK kennen, die bereits Erfahrungen gemacht hätten. «Diese stellen aber eine klare Minderheit dar.»
Klartext erfolgt von den PKs selbst. Eine klare Absage an Kryptoanlagen, erteilte die BVK, die grösste Pensionskasse der Schweiz. «Wir überprüfen unsere Anlagestrategie regelmässig auf neue potenzielle Anlagekategorien. Die BVK tätigt nur Investitionen, welche durch eine systematische und ökonomisch nachvollziehbare Risikoprämie entschädigt wird. Beim Halten von digitalen Assets sehen wir diese Risikoprämie als nicht gegeben an», sagt BVK-Sprecher Christian Brütsch.
Eine andere bekannte Vorsorgeeinrichtung ist ebenfalls skeptisch. «Profond investiert im Rahmen ihrer Anlagestrategie nicht in Kryptowährungen. Einerseits aufgrund der sehr hohen Volatilität der Anlageklasse, andererseits aufgrund der noch schwach ausgebildeten Regulierung in dem Bereich», meint die Profond-PK auf Anfrage.
Der Weg an die lukrativen Töpfe der BVG-Gelder bleibt für die Krypto-Anbieter noch lang – und steil.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Solana: Vielversprechendes Update und ebensolche Kursziele
Der Vermögensverwalter Van Eck sieht rosige Zeiten anbrechen für Solana. Der Kurs des Coins soll auf 330 Dollar klettern – momentan notiert er knapp über 150 Dollar. VanEck begründet die Zuversicht für Solana aus dem Vergleich mit Ethereum. Im Vergleich sei Solana meist überlegen: Solana verarbeite 3000 Prozent mehr Transaktionen als Ethereum, habe 1300 Prozent mehr täglich aktive Nutzer und die Transaktionsgebühren seien fast 5 Millionen Prozent günstiger, so Van Eck in einem Report. In Anbetracht dieser Statistiken, frage man sich, wieso die Migration von Ethereum zu Solana nicht stärker ausfalle, insbesondere von Institutionen. Die Marktkapitalisierung von Solana beträgt nur 22 Prozent von Ethereum. VanEck prognostiziert ein Wachstum auf 50 Prozent – und damit auf 330 Dollar je Coin.
BREAKING NEWS: Kevin Bowers announces that Frankendancer is now live on Solana mainnet — and the full @jump_firedancer client is on testnet 🔥💃 pic.twitter.com/piZUEuVYnE
— Solana (@solana) September 20, 2024
Vor kurzem hat Solana den FireDancer Validator-Client eingeführt, der die Dezentralisierung und Leistung des Netzwerks verbessert und potenziell bis zu einer Million Transaktionen pro Sekunde ermöglichen soll. Grosse Finanzinstitutionen wie BlackRock, Franklin Templeton und Coinbase starten Tokenisierungsprojekte auf Solana, um die Netzwerknutzung zu steigern und die Geschäftskosten zu senken. Auch mehrere Stablecoin-Projekte seien in Planung. Die Citibank prüft die Möglichkeit, Solana für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr einzusetzen. Ein Markt, der bis 2027 ein Volumen von 250 Milliarden Dollar erreichen soll.
Visa startet eigene Blockchain-Plattform für Real World Assets
Gemäss einem Bericht der Zeitschrift «BTC-Echo» hat der US-Zahlungsdienstleister die «Visa Tokenized Asset Plattform» gegründet. Diese hat zum Ziel, Banken die Arbeit mit realen Vermögenswerten auf der Ethereum-Blockchain zu erleichtern. Ein erster Partner in diesem Projekt ist die spanische Bank BBVA, die bereits Testläufe durchführen soll. Mit der Plattform sollen Banken die Möglichkeit haben, eigene Fiat-gestützte Token zu emittieren. Gemäss Visa müssten die Banken dies auf regulierte Weise tun. Die Tokenisierung von Real World Assets (RWA), also etwa Aktien, Immobilien, Luxusgüter und Kunst, gilt als einer der wichtigsten neuen Trends der Krypto-Industrie. Der US-Vermögensverwalter Blackrock setzte mit BUIDL einen eigenen RWA-Fund auf. Der RWA-Sektor hat die Memecoins als profitabelster Zweig der Branche im zweiten Quartal 2024 abgelöst.