Digital Assets Briefing
Ein amerikanischer Bank-CEO glaubt, dass der Erfinder bald alle Bitcoins löschen könnte. Doch so einfach geht das nicht.
9. Februar 2024 • Werner Grundlehner

Der Bitcoin ist noch jung – und noch kaum im Finanzmainstream angekommen. Deshalb sind die Ablehnung der Kryptowährung und das Teilwissen dazu teilweise noch innig und gross. Doch bei Jamie Dimon, dem CEO der US-Grossbank JP Morgan, erstaunt diese Mischung. So ist sein Institut etwa als Broker für den Bitcoin-ETF von Vermögensverwalter Blackrock tätig. Die Analysten von JP Morgan sehen für den Bitcoin im Jahr 2024 ein Kursziel von 45'000 Dollar. Das ist eine der eher konservativen Prognosen – aber die Analytiker sehen einen Wert in den Coins.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Ripple: Chef beklaut und SEC-Klage am Hals
• Grosse Krypto-Besitzer kaufen weiter zu


Ihr Chef sieht das anders, wettert kontinuierlich gegen den Bitcoin. «Diesen Scheiss sollte man abstellen» und Ähnliches gab Jamie Dimon schon mehrfach zu Protokoll. Erst vor wenigen Tagen teilte er sein Krypto-Wissen mit den Zuschauern des Business-TV-Senders CNBC. «Ich denke, es besteht eine grosse Chance, wenn wir bei 21 Millionen Bitcoins sind, dass Satashi auftauchen, hysterisch lachen wird und alle Bitcoins löscht», erklärte der JP-Morgan-Chef den verdutzten Zuschauern. Dabei gab er erstens den Namen des vermeintlichen Bitcoin-Erfinder Sathosi Nakamoto falsch wieder und zweitens zeigte er, dass er die Technologie hinter dem Bitcoin nicht kennt.

Um die Entscheidungsbefugnis über die Bitcoin-Blockchain zu erhalten, müsste ein 51-Prozent-Angriff erfolgen. Dieser Angriff ist wahrscheinlich das am meisten gefürchtete Problem der Blockchainbranche. Bisher hat kein erfolgreicher 51-Prozent-Angriff auf die Bitcoin-Blockchain stattgefunden, jedoch auf Altcoin-Netzwerke mit deutlich tieferer Netzwerksicherheit.

Für einen solchen Angriff muss ein Miner oder eine Gruppe von Minern die mehrheitliche Kontrolle über eine Blockchain auf Proof of Work-Basis übernehmen. Dafür benötigt der böswillige Nutzer mehr als 50 Prozent der gesamten Netzwerk-Rechenleistung (Hashrate). Die Hashrate des Netzwerkes setzt sich aus der Rechenleistung aller minenden Computer zusammen. Mit anderen Worten: All jener Computer, die versuchen das Proof-of-Work-Puzzle für den nächsten Block zu lösen und die Belohung einzukassieren, wenn dieser als nächster der Blockchain angehängt wird.

Gelingt ein solcher Angriff könnte man so die Blockchain kontrollieren, den Konsensmechanismus des Netzwerks ausser Kraft setzen und böswillige Handlungen wie Doppelausgaben (Double Spend) auslösen. Potenzielle Angreifer, die mindestens 51 Prozent der Hashrate kontrollieren, produzieren langfristig mehr Blöcke als der Rest des Netzwerks und können damit die Geschichte der Transaktionen diktieren. In dem Moment, indem sie eine neue Version der Blockchain an das Netzwerk senden, können manche Transaktionen auf der alten Version ungeschehen gemacht werden. Je grösser der relative Hashrate-Vorsprung gegenüber dem Rest des Netzwerks ist, umso sicherer gelingt die Attacke. Ausserdem können erfolgreiche Angreifer Transaktionen im Netzwerk zensieren.

Mit hohen Risiken verbunden

Ein Double-Spend muss man sich so vorstellen: Der Angreifer A bezieht von B eine Ware und bezahlt diese mit einer Krypto-Überweiseung. B teilt A die eigene Bitcoin-Empfangsadresse mit. A erstellt anschliessend eine Transaktion T1 an B und versendet sie an das Netzwerk. Nebenbei hat A allerdings eine weitere Transaktion T2 mit demselben Geld an sich selbst konstruiert. Sobald A T1 an das Bitcoin-Netzwerk geschickt hat, setzt sie ihre eigenen Mining-Computer ein und schürft einen Block, der statt T1 nur T2 enthält. Wenn A mit seinem Mining-Computern über deutlich mehr als die Hälfte der Hashrate verfügt, wird er wahrscheinlich den nächsten Block vor dem restlichen Bitcoin-Netzwerk finden. Damit ist nur der konstruierte Block mit T2 gültig. Der ursprüngliche Block mit T1 ist dafür ungültig. B hat das Geld also nie bekommen. Wer eine 51-Prozent-Attacke ausführt, geht jedoch ein beachtliches Risiko ein. Angreifer müssen Hashrate für eine falsche Version der Blockchain investieren. Das kostet auf jeden Fall Energie und damit Geld.

Regeln bleiben die Regeln

Obwohl ein Angreifer, der sich über 51 Prozent der Hashrate sichern könnte, eine mächtige Position hat und sogenannte Double-Spend- Transaktionen und eine Zensur der Blockchain durchführen kann, wird er nicht allmächtig. Die Regeln des Netzwerks können nicht geändert werden. Der Angreifer kann nicht Bitcoins aus dem Nichts schaffen oder die Belohnung für einen geprüften Block auf 100 Bitcoins erhöhen. Der Angreifer hat auch keinen Zugriff auf die Guthaben der anderen Teilnehmer im Netzwerk.

Bisher gab es noch keine 51-Prozent-Attacke im Bitcoin-Netzwerk. Die Netzwerk-Hashrate in Bitcoin ist so hoch, dass das Netzwerk robust gegen Angriffe ist. Anders ist das bei vielen Altcoins. Die Bitcoin-Hashrate liegt aktuell bei rund 610’000 Exahash pro Sekunde. Das bedeutet: Pro Sekunde wurden durchschnittlich mehr als 610'000'000'000'000'000’000 Versuche unternommen, einen gültigen Transaktionsblock zu finden, um die Belohnung einzustreichen. Ein Angreifer müsste also in der Lage sein, mehr als 50 Prozent dieser Kalkulationen vor den Konkurrenten durchzuführen. Kostenschätzungen für einen solchen Angriff belaufen sich auf 15 Milliarden Dollar und höher.

In seinem Whitepaper legte Satoshi Nakamoto die Bedingungen der Transaktionsgebühren im Bitcoin-Netzwerk derart fest, dass diese Voraussetzungen den Nodes den Anreiz bieten, ehrlich zu agieren. Indem immer sichergestellt wird, dass kein einzelner Miner, keine Gruppe von Minern und kein Mining-Pool mehr als 50 Prozente der Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerks kontrolliert, schafft es ein einzelner Miner oder eine einzelne Gruppe, die das Netzwerk angreifen möchte, höchstwahrscheinlich nicht, die längste bestehende und wahre Bitcoin-Blockchain zu überholen. Eine solche Leistung würde den Einsatz von unglaublich viel Hardware und Energie erfordern.

«Die Gefahr ist real»

Auch Experten sind der Meinung, dass der 51-Prozent-Angriff auf die Bitcoin-Blockchain kaum wahrscheinlich ist. «Ein rein theoretisches Konstrukt sind 51-Prozent-Angriffe aber nicht. Die Gefahr ist real. Aktuell wären bei Bitcoin die Kosten dafür aber enorm», sagt Fabian Schär, Professor für Distributed Ledger Technology (Blockchain) und Fintech an der Uni Basel. Zudem sei es fraglich, inwieweit Personen, die beträchtliche Investitionen in dedizierte Hardware getätigt haben, ein Interesse daran hätten, Unsicherheit ins System zu bringen.

Ein weiterer Punkt ist gemäss Schär, dass die Konsequenzen eines Angriffs oftmals falsch beschrieben werden. «Der Angreifer kann potenziell Transaktionen, die erst vor kurzem bestätigt wurden, für ungültig erklären. Der Angreifer kann aber nicht nach Belieben unilaterale Änderungen an der Blockchain oder den Konsensregeln vornehmen». Es sei also mehr als nur Theorie, aber aktuell doch höchst unwahrscheinlich, fasst Schär zusammen.

Als eher theoretisches Gedankenspiel bezeichnet Joël Kai Lenz, Sprecher des Schweizer Bitcoin-App-Anbieters Relai, einen derartigen Mehrheitsangriff. «Natürlich könnte ein Staat sich die Ressourcen beschaffen und probieren mehr als alle anderen im Netzwerk zu minen, jedoch zahlt sich das am Ende des Tages für den Angreifer nicht aus», sagt Lenz. Allein die Kosten für die spezialisierte Mining-Hardware (ASICs) sowie Strom und übrige Aufwendungen wären höher, als wenn man die Bitcoins einfach kaufen würde. In einem Erklärvideo zeigt der Technologie-Experte Andreas Antonopoulos wieso das seit längerer Zeit schon so ist.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Ripple: Chef beklaut und SEC-Klage am Hals

Der Ripple-Mitbegründer und CEO Chris Larsen schrieb am 31. Januar auf X (ehemals Twitter), dass seine persönlichen Konten gehackt worden seien. Nach Gerüchten, dass das Unternehmen Ripple gehackt worden sei, stellt Larsen klar: «Es gab einen unbefugten Zugriff auf einige meiner persönlichen XRP-Konten, aber nicht Ripple-Konten – wir waren jedoch schnell in der Lage, das Problem zu erkennen und die entsprechenden Börsen zu benachrichtigen, um die betroffenen Adressen einzufrieren. Die Strafverfolgungsbehörden sind bereits involviert.» Der Ripple-CEO machte keine Angaben zum Umfang der gestohlenen Coins. Andere Quellen berichteten von 213 Millionen XRP-Coins mit einem Wert von rund 113 Millionen Dollar. Die Nachricht über den Angriff verbreitete sich rasch und der XRP-Kurs einbrach. Kurz darauf erholte sich die Notierung schnell wieder und stabilisierte sich eine Stunde nach der ersten Meldung auf nahezu unverändertem Niveau.

Für Ripple gibt es weitere schlechte Nachrichten. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat mir einer Klage erfolg, die von Ripple die Offenlegung von Finanzunterlagen verlangt. Die zuständige Richterin stimmte dem Antrag zu und verlangte von Ripple die Vorlage von Finanzberichten für die Jahre 2022 bis 2023 sowie Verträgen, die «institutionelle Verkäufe» betreffen. Diese Dokumente könnten ausschlaggebend sein bei der Klärung der Frage, ob XRP als Wertpapier einzustufen ist. Ende 2020 reichte die SEC eine Klage gegen Ripple ein, wonach das Unternehmen mithilfe eines unregistrierten Wertpapierangebots 1,3 Milliarden Dollar eingenommen haben soll. Ripple ist ein Open-Source-Protokoll, das als Zahlungsnetzwerk gebraucht wird.


Grosse Krypto-Besitzer kaufen weiter zu

Weiterhin hält Microstrategy unter den kotierten Unternehmen die Spitzenposition. Das Business-Intelligence-Unternehmen hat am Dienstag auf X (ehemals Twitter) mitgeteilt, dass es im Januar weitere 850 Bitcoin für 37,2 Millionen Dollar erworben hat. Seit Ende des dritten Quartals habe seine Gesellschaft 31’755 Coins mit einem Wert von 1,37 Milliarden Dollar gekauft, schreibt Microstrategy-Gründer und Chairman Michael Saylor in seinem Tweet. Das US-Unternehmen weist damit einen Bitcoin-Bestand von 190'000 Bitcoins mit einem Wert von 5,9 Milliarden Dollar auf. Der durchschnittliche Einstandspreis beträgt 31'224 Dollar je Coin.

Bereits über 75’000 Coins mit einem Wert von 3,2 Milliarden Dollar besitzt mittlerweile auch Blackrock. Der weltgrösste Vermögensverwalter hat zuletzt weiter aufgestockt und an einem Tag für 137 Millionen Dollar Coins erworben. Die Motivation ist dagegen eine andere als bei Microstrategy. Während letztere die Bestände als Eigenkapital hält, kauft Blackrock Bitcoins für seine Kunden, die Anteile am Anfang Januar zugelassenen Bitcoin-Spot-ETF erwerben. Unter den Bitcoin ETF ist Blackrock jedoch nur die Nummer zwei. Den ersten Rang hält Grayscale mit einem Bitcoin-Bestand für rund 20 Milliarden Dollar. Grayscale bietet seit über zehn Jahren Investoren die Möglichkeit, über seinen Trust in Bitcoin zu investieren. Der Trust wurde mit der Zulassung der ETF in einen börsenkotierten Indexfonds gewandelt. Der Grayscale ETF musste jedoch nach dem Handelsstart hohe Abflüsse verzeichnen. Der Trust handelte stets mit einem markanten Abschlag.

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