Anlagepolitik
Der grösste Vermögensverwalter der Welt will sich nicht mehr von aktivistischen Investoren vor den Karren spannen lassen. Kurz- und mittelfristig brauche es Unternehmen, die in “traditionelle” Energien investieren würden.
5. August 2022 • Beat Schmid

In der Woche vom 1. bis 7. August publiziert Tippinpoint eine Serie von Beiträgen, die auf besonders grosses Interesse gestossen sind. Der vorliegende Artikel erschien ursprünglich am 11. Mai 2022.

Der Asset-Manager wird zwar von Firmen weiterhin einen CO2-Absenkpfad einfordern. Aber er wird Anträge von Investoren nicht mehr unterstützten, die Unternehmen mit Aktionärsresolutionen in diese Richtung steuern möchten. So steht es im jüngsten Stewardship-Update von Blackrock. Darin steht auch, dass der Vermögensverwalter in Zukunft Anträge ablehnen werde, welche Unternehmen “mikromanagen” möchten. Blackrock ist mit verwalteten Vermögen von zehn Billionen Dollar eines der einflussreichsten Finanzunternehmen der Welt.

“Besonderes Augenmerk” wolle Blackrock auf Aktionärsgruppen legen, die lediglich darauf abzielen, Banken und Energiefirmen auf ein Erderwärmungsziel von 1,5 Grad festzunageln, und von ihnen verlangen würden, sich von klimaschädlichen Assets zu trennen. “Das ist nicht konsistent mit den langfristigen Zielen unserer Kunden”, heisst es im Papier. Mit solchen Aussagen verschiebt Blackrock das für 2050 deklarierte Netto-Null-Ziel implizit in eine noch fernere Zukunft.

Larry Finks bemerkenswerte Kehrtwende

Blackrock vollzieht damit eine bemerkenswerte Kehrtwende. Letzten November an der Klimakonferenz COP26 in Glasgow hat sich das Unternehmen unter anderem für die Financial Alliance for Net Zero ausgesprochen. Im Rahmen dieser Allianz haben sich Firmen dazu verpflichtet, verbindliche CO₂-Reduktionsziele zu definieren. Und selbst Blackrock-CEO Larry Fink gab sich bis vor kurzem durchaus klimaktivistisch, indem er in seinen sogenannten CEO-Briefen den Unternehmer ins Gewissen sprach und sie eindringlich davor warnte, dass Klimarisiken auch Anlagerisiken seien.

Ein tiefgreifender Wandel hat auch in der Politik eingesetzt. Angesichts galoppierender Energiepreise und drohender Versorgungsengpässe werfen selbst grüne Parteien alte Glaubenssätze über Bord. Gestern hat der britische Finanzminister Mineralölfirmen aufgefordert, möglichst schnell neue Förderprojekte in der Nordsee zu starten, um Grossbritannien unabhängiger von russischem Öl und Gas zu machen. Solche Ansagen spielen Larry Fink in die Hände. Er sieht für die Finanzbranche keine Veranlassung, der Politik vorauszueilen.

Mit Kohle, Öl und Gas lässt sich viel verdienen

Gleichzeitig hat auch Fink erkannt, dass sich mit Kohle, Öl und Gas derzeit viel Geld verdienen lässt. Hedge-Fonds-Manager Daniel Loeb von Third Point stieg mit Erfolg bei Shell ein und jüngst auch beim Zuger Rohstoffhändler Glencore, der im Kohlegeschäft im laufenden Jahr eine Verdoppelung der Betriebsgewinn-Marge erwartet.

Eine Veränderung der Grosswetterlage musste auch die auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierte Ethos-Stiftung erfahren. Zusammen mit über 30 institutionellen Investoren wollte sie bei der Generalversammlung der Credit Suisse eine Klimaresolution durchbringen, welche die Grossbank dazu verpflichtet hätte, mit CO₂-Reduktionen vorwärts zu machen. Blackrock lehnte das Vorhaben ab. Ethos-Direktor Vincent Kaufmann sagte im Interview mit Tippinpoint, dass es “natürlich enttäuschend” sei, wenn ein so grosser Vermögensverwalter diesen pragmatischen Vorschlag, der “ja voll und ganz auf seiner Linie liegt”, nicht unterstützt.

Seit gestern, so scheint es, haben sich die Linien bei Blackrock gerade verschoben.

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