Absentismus der Aktionäre
Statt der Grossbank die Richtung vorzugeben, lassen sich die Eigentümer vom CS-Verwaltungsrat auf der Nase herumtanzen. Es ist Zeit, dass sich das ändert.
9. Februar 2022 • Beat Schmid

David Herro erhebt gern seine Stimme, wenn es um die Cedit Suisse geht. Als der Druck auf Antonio Horta-Osório wegen seines Verstosses gegen die Schweizer Covid-Auflagen immer grösser wurde, hielt der Anlagechef von Harris Associates eisern zu dem CS-Präsidenten. Herro sagte, die Verfehlungen seien Kleinigkeiten – womit er natürlich recht hatte.

Doch seine Intervention nützte nichts. Kurz darauf wurde Horta-Osório aus dem Amt gehievt. Auf den Portugiesen folgte Axel Lehmann. Sofort änderte Herro seine Meinung und liess verlauten, er begrüsse die Wahl des Schweizers für den Spitzenjob bei der Credit Suisse.

Dass Herro seine Meinung ändert wie eine Fahne im Wind, bewies er auch im Skandal um Tidjane Thiam. Damals stützte er zunächst den wegen einer Spionageaffäre angeschossenen CEO und verlangte stattdessen die Absetzung von Urs Rohner, dem Verwaltungsratspräsidenten. Es nützte nichts: Herros Empfehlung wurde vom Verwaltungsrat ignoriert. Es lief bekanntlich andersherum: Rohner blieb und Thiam musste gehen.

Die Aktionäre haben keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Bank

Die unglücklichen Interventionen von David Herro zeigen exemplarisch, wo eines der grössten Probleme bei der Credit Suisse liegt: bei den Aktionären. Sie haben keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Bank. Sie sind zwar die Besitzer des Unternehmens, doch sie sind machtlos, es gelingt ihnen nicht, der CS den Stempel aufzudrücken.

Sie dürften zwar ihre Vorstellungen einbringen, wie dies Herro oft tut, doch den Verwaltungsrat scheint dies wenig zu kümmern. Dieser verfolgt seine eigene Strategie. Der Verwaltungsrat der CS macht, was er will.

David Herro ist eigentlich nicht irgendwer. Harris Associates ist offiziell immerhin der grösste Anteilseigner der Grossbank mit einer Beteiligung von 5,17 Prozent – und dies schon seit mehreren Jahren. An zweiter Stelle folgt die Qatar Holding mit 5.03 Prozent, gefolgt von der Olayan Group aus Saudi-Arabien. Dann kommen Vermögensverwalter wie Blackrock, Dodge & Cox und Silchester. Sie allerdings sind wie Harris keine eigentlichen Aktionäre, sondern Vertreter von Aktionären, die in Fonds dieser Vermögensverwalter investiert haben.

Es riecht nach Schwefeldampf

Credit Suisse ist das beste Beispiel dafür, dass ein Unternehmen schnell zu einem Tollhaus werden kann, wenn der Verwaltungsrat losgelöst von den Aktionären agiert. Zu der Absetzung von Horta-Osório wäre es wohl nie gekommen, hätten starke Aktionäre hinter der CS und ihrem Präsidenten gestanden. So riecht sein Rauswurf nach dem Schwefeldampf einer Meuterei.

Seit Jahren einer der wichtigsten Verwaltungsräte bei der CS ist Severin Schwan. Doch der Manager und Jurist macht eine unglückliche Figur. Möglicherweise wird er an der nächsten Generalversammlung sein Amt als Lead Independent Director abgeben. Sein glückloses Agieren bei der CS kontrastiert mit seiner Leistung bei Roche, wo er als Konzernchef alles richtigzumachen scheint. Warum zeigt Schwan diese beiden Gesichter?

Möglicherweise liegt das daran, dass bei Roche starke Familienaktionäre im Hintergrund die Zügel fest in der Hand halten und ihrem Konzernchef klar die Richtung vorweisen. Wer zeigt Schwan die Linien bei der CS auf? Wer hat dies bei Urs Rohner getan?

Für die Grossbank wäre es am besten, «wenn ein namhafter Schweizer Investor auf den Plan treten würde», sagte Ex-CS-CEO Oswald Grübel in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Dieser Investor sollte jene Führungsrolle übernehmen, «vor der die anderen Investoren anscheinend zurückschrecken».

Doch ein solcher ist derzeit nicht auszumachen. Solange das so ist, bleibt die Grossbank am Paradeplatz ein Kahn ohne klaren Kurs.

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