Das Theater Pitoëff in Genf ist bis zum letzten Platz gefüllt. Am Mittwochabend wurde im Rahmen des alternativen Filmfestivals FIFDH (Festival du film et forum international sur les droits humains) der Film “La Finance lave plus vert” (“Die Finanzindustrie wäscht grüner”) gezeigt. Der Film der Journalisten François Pilet und Marie Maurisse wird in den kommenden Wochen auf RTS und später auf Arte ausgestrahlt, die den Film in Auftrag gegeben haben.
“La Finance lave plus vert” nennt ein paar unangenehme Wahrheiten zum Thema Nachhaltigkeit: Fehlende Standards, mangelnde Transparenz, überforderte Kunden und Banken und Asset Manager, die die grüne Welle geschickt nutzen, um ihre Erträge zu steigern. In der Dokumentation kommt auch Desiree Fixler zu Wort, die bei DWS, der Fonds-Tochter der Deutschen Bank, zweifelhafte Geschäftspraktiken an die Öffentlichkeit brachte und darauf fristlos entlassen wurde.
Vor allem aber zielt die RTS-Reportage auf die Privatbank Lombard Odier und ihren Chef Patrick Odier. Der Genfer Bankier gilt in der Schweiz als Aushängeschild der Sustainable-Finance-Community, der das Thema wie kein zweiter pusht. Wer die Website von Lombard Odier besucht, sieht Bilder von Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen, die man sonst auf Sites von NGOs wie Greenpeace erwarten würde.
Odier ist auch Initiator von Building Bridges, einer Veranstaltung, die letztes Jahr zum zweiten Mal in Genf stattfand. Der Banker trommelte Forscher, Bundesbehörden, Uno-Vertreter, Investoren und NGOs zusammen und schwor sie darauf ein, gemeinsam die grössten Probleme der Menschheit anzugehen. Odier scheint der festen Überzeugung zu sein, dass die Finanzindustrie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten kann.
Green Bond und Pinguine, die ihre Runden drehen
Recherchen im Film zeigen nun, dass ein Fonds von Lombard Odier in einen Green Bond investiert ist, der von dem arabischen Immobilien-Konzern Majid al Futtaim herausgegeben wurde. Die Firma mit Sitz in Dubai besitzt 21 Immobilien im arabischen Raum, darunter Shoppingcenter und Vergnügungsparks. Insgesamt nahm das Unternehmen 1,2 Milliarden Dollar am Kapitalmarkt auf, um den CO₂-Fussabdruck der Gebäude zu verbessern und den Wasserverbrauch zu senken.
Jetzt, und darauf läuft der Film von Pilet und Maurisse hinaus, werden diese Gelder auch genutzt, um die Mall of Egypt zu sanieren. Dafür wurde sogar ein Grossteil der Gelder verwendet, nämlich über 193 Millionen Dollar. Doch in diesem Riesenkomplex gibt es nicht nur Shops, Restaurants und Kinos, in der 400’000 Quadratmeter Anlage kann man auch Skifahren, auf echtem Schnee. Die Mall of Egypt beherbergt das “erste Indoor Skiresort Afrikas”, wie es auf der Website heisst, samt Skischule und einer kleinen Kolonie von Pinguinen, die in einem Wasserbecken ihre Runden drehen.
Beweis für Greenwashing
Für Pilet sind die Pinguine in Ägypten der schlagende Beweis, dass nachhaltige Anlagen so ziemlich das Gegenteil von dem sind, was sie vorgeben. Zum Eklat kam es, als der Journalist Patrick Odier mit seinen Recherchen konfrontierte. Am Rande der Building-Bridges-Veranstaltung kam es zum Zusammentreffen. Nach ein paar Fragen, die Odier zur Vorbereitung zugeschickt bekam, drehte sich das Interview nur noch um Greenwashing und die Pinguine in der Skihalle.
Odier wusste von den Pinguinen und dem Investment nichts, wie er später in einem Statement bestätigte. Weil er sich von Pilet überrumpelt fühlte, wollte Odier das Interview wiederholen, was der Journalist jedoch ablehnte. Anwälte wurde eingeschaltet und Odier zog seine Aussagen im letzten Moment zurück, wie Pilet auf dem Podium nach der Vorführung des Films erzählte.
Seine Bank verschickte nach der Aufführung ein Schreiben, in dem die Macher von “La Finance lave plus vert” scharf kritisiert werden. “Herr Odier wurde plötzlich vor laufender Kamera mit belastenden Fragen zu Investitionen des Global Climate Bond von Lombard Odier konfrontiert, obwohl er im Gegensatz zum Journalisten nicht über die genauen Informationen verfügte.”
"Darüber hinaus verstiess die geplante Reportage eindeutig gegen den Grundsatz der wahrheitsgetreuen Darstellung der Ereignisse. Er suggeriere dem Zuschauer fälschlicherweise, dass Lombard Odier über eine grüne Anleihe Einkaufszentren mit Skipisten und Pinguinen finanziert habe", heisst es weiter.
Greenwashing sei ein eminent wichtiges Thema, das nicht auf Annäherungen und Scheindebatten basieren dürfe. Der Film stütze sich jedoch nicht auf objektive Fakten, sondern verbreite zweideutige Interpretationen, die durch eine voreingenommene Haltung erzeugt werden.
Lombard-Odier-Fonds investierte 0,16 Prozent
Die Fakten sind so: Vom Green Bond im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar kaufte der Global Climate Bond von Lombard Odier ein Anteil von zwei Millionen, was 0,16 Prozent des gesamten Bonds ausmacht. Innerhalb des Lombard-Fonds machte die Beteiligung 0,35 Prozent aus.
Der Green Bond wurde von der Bewertungsfirma Sustainalytics für gut beurteilt. Die Vorgabe des Bonds ist es, den Energie- und Wasserverbrauch um 43 Prozent beziehungsweise 29 Prozent zu senken. Ob die Reduktionen erreicht werden, wird von KPMG und JLL (Jones Lang LaSalle) überprüft. Der Bond wird nicht genutzt, um neue Skihallen zu bauen, wie die Reportage insinuiert, sondern bestehende Immobilien zu sanieren.
An der Podiumsdiskussion nahm auch Sustainability-Expertin Angela de Wolff teil. Sie sagte, dass für uns in der Schweiz eine Skihalle mit Pinguinen in Afrika absurd erscheinen möge, aber wenn diese Skihalle nun mal da sei, dann habe man drei Optionen: Sie abzureissen, zu verbessern oder nichts zu tun. Eine grüne Anleihe herauszugeben, um die Klimabilanz zu verbessern, sei vielleicht die beste aller schlechten Optionen. Ausserdem sei es ein wenig billig, die Skihalle in Ägypten zu kritisieren, schliesslich gebe es auch in der Schweiz viele Indoor-Kunsteisbahnen, die ganzjährig in Betrieb seien.
"Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten"
Laut Angela de Wolff ist es falsch, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das mache aber der Film. Die Welt der nachhaltigen Anlagen sei nicht perfekt. Aber Green Bonds seien für Unternehmen und Branchen sinnvoll, die mit hohen Emissionen belastet seien. Die Gelder können für zielgerichtete Verbesserungen eingesetzt werden.
Pilet sah das gar nicht so. Seit 20 Jahren würde man von Nachhaltigkeit in der Welt des Geldes sprechen. Aber nichts sei in den letzten Jahren besser geworden, es werde mehr verschmutzt, mehr Energie verbraucht, mehr CO₂ ausgestossen. Die Beispiele in seinem Film seien ein Beleg dafür, dass das System einfach nicht funktioniere.