Höhere Margen als Roche
Den Kantonalbanken geht es so gut, wie schon lange nicht mehr. Sie erzielen deutlich höhere Margen als Pharmakonzerne. Kritik an den Gewinnen gibt es nicht. Warum eigentlich nicht?
20. September 2022 • Beat Schmid
Gestern publizierte der Verband der Kantonalbanken die konsolidierten Zwischenergebnisse für das erste Halbjahr. “In einem herausfordernden Umfeld blicken die Kantonalbanken auf ein erfolgreiches erstes Semester 2022 zurück”, schreibt der Verband. Ein Understatement.
Durchwegs alle Kennzahlen zeigen nach oben: Die kumulierte Bilanzsumme stieg um 3,3 Prozent auf 773 Milliarden Franken, der Vorsteuergewinn auf 2,1 Milliarden Franken (plus 5,1 %), der Reingewinn kletterte auf 1,8 Milliarden, ein Plus von 6,7 Prozent. Den steigenden Einnahmen stehen nur leicht gestiegene Kosten gegenüber, die Lohnkosten erhöhten sich um 0,9 Prozent auf 1,7 Milliarden Franken.
Das sogenannte Kosten-Ertrags-Verhältnis konnten die Banken auf 52 Prozent senken. Man muss tief ins Archiv heruntersteigen, um auf einen noch tieferen Wert zu stossen. Es war im ersten Halbjahr 2009, als das Kosten-Ertrags-Verhältnis bei 50,8 Prozent lag.
Roche wäre eine schlechte Kantonalbank
Es ist eine Eigenart des Bankings, von Kosten-Ertrags-Verhältnissen (oder Cost-Income-Ratios) zu sprechen. Wären Banken Unternehmen der Realwirtschaft, würde man von Gewinnmargen sprechen, oder präziser von Bruttogewinnmargen. Dabei handelt es sich um exakt das Gleiche, nur wird die Gewinnmarge andersherum gerechnet.
Berechnet man die Gewinnmarge der Kantonalbanken, beträgt diese im ersten Halbjahr 48 Prozent. Das heisst, von jedem eingenommenen Franken bleiben 48 Rappen als Vorsteuergewinn in der Kasse zurück. Derart hohe Gewinnmargen werden ausserhalb des Bankings fast nirgends verdient.
Zum Vergleich: Die Swisscom kommt auf eine Gewinnmarge von 18 Prozent, die Post kommt auf deutlich unter 10 Prozent. Selbst Roche, die für ihre hohen Margen permanent kritisiert wird, weist eine tiefere Gewinnmarge aus: Ihre Bruttomarge (EBT) liegt bei 26 Prozent. Wäre Roche eine Kantonalbank, stände sie für ihre schlechte Cost-Income-Ratio von 74 Prozent in der Kritik.
Niemand kritisiert die “exorbitanten Gewinne auf dem Buckel der Konsumenten”
Würden Pharmaunternehmen, Krankenkassen, die Post oder die Swisscom derart hohe Gewinnmargen erzielen, wäre die Aufregung bei Konsumentenschützern gross. Politikerinnen von links bis rechts würden in Bern Interpellationen einreichen und die “exorbitanten Gewinne auf dem Buckel der Konsumenten und der KMU” geisseln.
Doch bei den Kantonalbanken gibt es keinen Protest. Es herrscht Schweigen im Land. Warum ist das so? Zum einen dürfte das daran liegen, dass der Öffentlichkeit gar nicht bewusst ist, wie hochprofitabel die KBs wirtschaften. Dabei hilft, dass die Geldinstitute sich darauf geeinigt haben, nicht von Gewinnmargen zu sprechen, sondern eben von der Cost-Income-Ratio, dem Kosten-Ertrags-Verhältnis. Doch kein Mensch ausserhalb der Bankenwelt versteht, was eine Cost-Income-Ratio ist. Unter einer Gewinnmarge hingegen können sich alle etwas vorstellen.
Der andere Grund: Als öffentlich-rechtliche oder private Unternehmen befinden sich Kantonalbanken im Mehrheitsbesitz der Kantone. Sie schütten pro Jahr 1,8 Milliarden Franken an Kantone und Gemeinden aus. In den Bankräten sitzen oftmals Politiker, die hohe Honorare beziehen.
Ursprünglich wurden die Kantonalbanken gegründet, um Kredite an Bauern und Handwerker “zu vorteilhaften Bedingungen” zu vergeben. Diese Idee einer Staatsbank hatte Johann Jakob Keller, als er in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts die Gründung der Zürcher Kantonalbank vorantrieb. Die Staatskassen aufzubessern, war damals kein Ziel.