Die Idee kommt nicht aus dem Bundeshaus, sondern aus Baar. Marcel Erni, einer der drei milliardenschweren Gründer des Private-Equity-Konzerns Partners Group, lancierte sie in einem Interview von «Weltwoche»-Chef Roger Köppel, das am vergangenen 8. April aufgenommen wurde. Diskutiert wurden die von US-Präsident Donald Trump am «liberation day» verkündeten Zölle, beziehungsweise der Schock, den der Satz von damals 31 Prozent für die Schweiz auslöste.
Erni war nach eigenen Angaben in einer ersten Reaktion erzürnt über die erfolglose Schweizer Diplomatie und dachte, die sollte man alle sofort entlassen. Er räumte aber ein, dass die Schweizer Handelsdelegation in den USA auch keine Chance hatte. Deshalb seine Forderung nach einem «Team Switzerland», das von Leuten getragen wird, die in den Märkten engagiert sind. Erni nannte eine Reihe von Namen, von Spuhler und Blocher bis zu Michel, Schaltegger, Eichenberger und Mäder.
Dann gehe es darum, eine wirtschaftspolitische Strategie zu formulieren. Erni selbst sah sich nicht in dieser Mannschaft der Besten, die einen Plan haben muss. Und die mit den Schweizer Tugenden «in die Gänge kommen» muss, um zu gewinnen. Erni zog einen Vergleich zur Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft, die wirklich Weltmeister werden wolle, und die sich das auch zutraue. (Es reichte dann immerhin zu Rang 2, wie wir inzwischen wissen.)
Die Zuger Achse in der Wirtschaft-Nati
Erni ist nun dennoch selbst dabei, im «Team Switzerland», wie ein am 6. August von Bundespräsidentin Karin Keller-Suter auf X gepostetes Foto zeigt. Mit in der Mannschaft, neben der Bundespräsidentin und dem Wirtschaftsminister, vier weitere Männer: Swiss-Chef Jens Fehlinger, der Co-Gründer des Mineralölhandels-Konzerns Mercuria, Daniel Jaeggi, Roche-Präsident Severin Schwab sowie Fredy Gantner, wie Erni von der Partners Group aus dem Kanton Zug.
So überraschend die Zusammensetzung unserer Wirtschafts-Nationalmannschaft, so nachvollziehbar die Absichten. Die Partners Group gehört zu den grossen Investoren in den USA, nach den Worten von Erni mit zehn Milliarden. Das heisst für übernommene Firmen, die auf Erfolg getrimmt und gewinnbringend weiter verkauft werden sollen. Dass mit Gantner auch ein zweiter Mann aus Baar mit dabei ist, dürfte vordergründig mit dessen ausgedehnten USA-Erfahrungen zusammenhängen. Vielleicht auch mit einer «hidden agenda», doch davon später.
Mit Fehlinger stürmt auch ein Deutscher für das Schweizer Team. Sein Beitrag zum Stimmungswechsel im Weissen Haus dürften Flugzeugkäufe in den USA sein. Auch wenn dazu die deutsche Swiss-Mutter Lufthansa das letzte Wort hat. Der in der Schweizer Öffentlichkeit wenig bekannte Rohstoffhändler Jaeggi steht wohl für das Potenzial von Flüssiggasimporten aus den USA. Die ethisch nicht über alle Zweifel erhabene Rohwarenbranche war von der Bundespräsidentin und Finanzministerin kürzlich schon öffentlich gelobt worden, weil sie mit hohen Steuerzahlungen ein grösseres Loch in der Bundeskasse verhindert hatte.
Weniger freundschaftlich dürften die Kontakte von KKS zum fünften Mann im «Team Switzerland» sein. War doch Severin Schwan als langjähriger Verwaltungsrat und sogenannter «Lead Independent Director» der Credit Suisse, eine jener Figuren, die dem Niedergang der Grossbank zu lange zugeschaut hatten. Hier dürfte die Macht des Faktischen für die Mitgliedschaft in der «Wirtschaft-Nati» ausschlaggebend gewesen sein. Das Klumpenrisiko Pharma der Schweitzer Wirtschaft bedarf beim offen deklarierten Zorn des US-Präsidenten über die Medikamentenpreise besonderer Aufmerksamkeit.
Die europapolitische Schlagseite
So weit, so gut. Doch was bedeutet der ziemlich verzweifelt anmutende Versuch mit dem auch vom Wirtschaftsminister öffentlich gelobten «Team Switzerland» für andere politische Weichenstellungen in der Schweiz? Abgesehen von der hoffentlich klaren Trennung von Kompetenzen und Verantwortung zwischen Politik und Wirtschaft beim Lobbying in Washington ist die Doppelvertretung der Partners Group im «Team Switzerland» augenfällig.
Das wirft nicht nur Fragen der Balance des Gremiums auf. Sondern birgt erhebliches Konfliktpotenzial mit Blick auf die Europapolitik. Gehören doch Erni und Gantner zusammen mit dem dritten Gründungspartner der Partners Group, Urs Wietlisbach, zu den Initianten der sogenannten «Kompass»-Initiative, die die neuen Verträge mit der EU zu Fall bringen will. Was bedeutet die plötzliche Nähe zwischen den EU-skeptischen Milliardären und dem in den USA aufgelaufenen Gespann des Bundesrats für die künftigen Entscheide im EU-Dossier?
Man muss ja nicht so weit gehen und einen Geheimplan vermuten. Wir helfen Euch gegen Trump bei den Zöllen, ihr sorgt dafür, dass die Unterstützung der Bilateralen III schwindet. Aber die Frage stellt sich schon: Wie unabhängig bewegt sich der Bundesrat künftig in der Europapolitik, wenn er gleichzeitig die Hilfe von finanzkräftigen EU-Skeptikern in Anspruch nimmt? Man darf auf die Beschlüsse des Bundesrats zur «Kompass»-Initiative gespannt sein. Wenn da und dort vermutet wird, dass die Eskalation des Zollstreits die Einsicht über den Nutzen der EU-Verträge fördere, so findet es Marcel Erni als «unanständig», eine solche Verbindung herzustellen.