Ziviler Widerstand
Die Aktivistengruppe braucht 50’000 Franken, um Strassensperren und Anwälte zu finanzieren. Dass Postfinance ein Spendenkonto zur Verfügung stellt, stösst auf Kritik.
30. Oktober 2022 • Beat Schmid

Am Samstag kam es erneut zu einer Strassensperre mit Klebeaktivisten von Renovate Switzerland. In Bern sperrten sie die Lorrainebrücke ab und stoppten den Verkehr. Die Polizei und Privatpersonen räumten die Blockade.

Man sei in die Hauptstadt gekommen, um den Bundesrat aufzufordern, seine Verantwortung “angesichts des Klimanotstands zu übernehmen” und eine “Generalmobilmachung für die thermische Sanierung” zu verfügen. Nach zehn Aktionen in einem Monat habe die Gruppierung noch keine Antwort erhalten. “Wir werden so lange weitermachen, wie es nötig ist”, schreiben die Aktivisten in einer Pressemitteilung.

Die Aktivisten verlangen von der Landesregierung, dass sie sofort 4 Milliarden Franken bereitstellt, um 100’000 Personen im Bereich Gebäudesanierung zu schulen (darum auch der Name Renovate Switzerland). Damit soll der erste Schritt getan werden, um aus fossilen Energien auszusteigen und den ökologischen Übergang zu schaffen, heisst es weiter.

Bis jetzt 27’000 Franken gesammelt

Ziviler Widerstand kostet. Jetzt hat Renovate Switzerland eine Sammelaktion gestartet. Für 20 Franken können Unterstützer ein Banner finanzieren. Wesentlich teurer kommt es, wenn man eine Strassensperre finanzieren möchte: “Mit 10'000 Franken ermöglichen Sie einer Aktionsgruppe von 8 Personen, auf die Strasse zu gehen und decken deren Rechtskosten”, heisst es auf der Website. Bisher hat die Gruppierung über 27’000 Franken von 146 Spendern erhalten.

Das Geld, das über die Spendenplattform Donorbox gesammelt wird, wird auf ein Konto von Postfinance überwiesen. Dass der Finanzarm der staatlichen Post das Konto eingerichtet hat, stösst auf Kritik. Der St. Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler findet, dass das nicht geht. Auf Linkedin schreibt er, Renovate Switzerland rufe zu “zivilem Widerstand mit illegalen Strassenblockaden" auf. “Gleichzeitig sammeln sie über Postfinance Geld für die Rechtskosten als Folge der illegalen Aktionen. Ich hoffe, die Post sperrt das Konto und unterstützt diese Aktionen nicht mehr”, schreibt er.

Auf Anfrage sagt er: “Es kann nicht sein, dass die staatliche Postfinance ein Konto für eine Gruppe bereitstellt, über das illegale Aktionen finanziert werden.” Zudem werde nicht transparent gemacht, wer hinter der Gruppierung stehe, sagt Dobler. Auf der Website von Renovate Switzerland ist keine Adresse oder ein Name einer verantwortlichen Person oder Organisation angegeben.

Kein Verein, sondern eine “Holokratie”

Das Postfinance-Konto trägt die Bezeichnung: "Association Mobilisation Climat 2503 Bienne". Weder zu Renovate Switzerland noch über die Association Mobilisation Climat finden sich Einträge auf einschlägigen Datenbanken. Auch die Presseunterlagen von Renovate Switzerland enthalten keine Angaben zur Organisation.

Es findet sich einzig eine Handynummer der Pressesprecherin Cécile Bessire. Sie erklärt im Gespräch, dass Renovate Switzerland kein Verein sei, sondern “holokratisch” organisiert sei. Das heisst, es gibt keinen Chef und auch keine Chefin. Die einzelnen Mitglieder sehen sich als Teil des Ganzen und bringen sich gemäss ihren Fähigkeiten ein. Renovate Switzerland sei eine “Kampagne”, sagt Bessire.

Als Verein hingegen organisiert sei die Association Mobilisation Climat, sagt Bessire. Dieser sei in Lausanne und nicht in Biel eingetragen, wie in der Kontobezeichnung angegeben. Der Verein finanziere allerdings nur den “legalen Teil” der Tätigkeit von Renovate Switzerland. Laut Bessire ist das die Produktion von Bannern, Ausbildungen und Trainings, Reisespesen sowie Kosten für Rechtsvertretungen.

“Alles, was illegal ist, also die Strassenblockaden, müssen die Aktivistinnen und Aktivisten selbst bezahlen”, sagt Besire. Dabei geht es vor allem um Bussen, die durch die Verkehrsbehinderungen fällig werden.

Verborgen aber bleibt, wer letztlich hinter der Association Mobilisation Climat steckt. Wohin die Gelder der Sammelaktion fliessen und von wem sie verwaltet werden, ist für die Donatoren intransparent.

Kontoanbieterin Postfinance will sich zum Fall nicht äussern. Ein Sprecher sagt, man könne sich aufgrund des Bankkundengeheimnisses nicht dazu äussern. “Postfinance prüft im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten laufend, ob Geschäftsbeziehungen geführt werden dürfen oder abgebrochen werden müssen”, sagt er.


Update: Inzwischen wurde die Bezeichnung des Postfinance-Kontos geändert. Die neue Bezeichnung lautet: "Association Mobilisation Climat 1003 Lausanne"