Digital Assets Briefing
Mit einer neuen Regulierung wird EU berechenbarer für die Krypto-Branche. Dadurch wird der Standort USA noch weniger attraktiv. Aber was bedeutet das für das Schweizer Crypto-Valley? Zudem diese Woche: SEC vs. Ripple – Vorteil Krypto; ein Bitcoin-Wal in Bewegung; Ripples 250-Millionen-Deal in der Schweiz.
26. Mai 2023 • Werner Grundlehner

Das EU-Parlament hat vor kurzem einer Regulierung für Krypto-Assets zugestimmt. Mit der Verordnung mit dem Namen Markets in Crypto Assets (MiCA) macht sich EU für einmal zur Vorreiterin. Werner Grundlehner beschreibt im Digital Assets Briefing diese Woche, was die neue Regulierung für die grossen Wirtschaftsblöcke und das Schweizer Crypto-Valley bedeutet.

Und in den Short Cuts diese Woche:
• SEC vs. Ripple – Vorteil Krypto
• Ein Bitcoin-Wal in Bewegung
• Ripple kauft Schweizer Kryptospezialistin für 250 Millionen Dollar



Die EU wird berechenbarer für die Krypto-Branche

"Es ging bisher zu und her wie im wilden Westen", meinte Markus Ferber, deutscher CSU-Politiker und wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, als im Frühling eine neue Krypto-Gesetzgebung diskutiert wurde. Vor allem die Geldwäscherei und die hohe Volatilität von Bitcoin & Co. waren den europäischen Parlamentariern ein Dorn im Auge.

Die EU will aber die Augen vor der steigenden Bedeutung von Blockchain basierten Währungen und Registerwertrechten nicht verschliessen. Trotz hoher Volatilität gewinnen Kryptowährungen etwa als Schutz vor der Entwertung der Notenbankwährungen unter Anlegern an Bedeutung. Ende April hat das EU-Parlament mit grosser Mehrheit die sogenannte MiCA-Verordnung (kurz für Markets in Crypto Assets) angenommen. Die EU ist damit für einmal ein Vorreiter. Sie ist der erste der globalen Wirtschaftsblöcke, der den Kryptomarkt reguliert.

Gleiche Behandlung wie traditionelle Währungen

Mit der MiCA-Regulierung muss jeder, der ein Krypto-Asset öffentlich anbietet, einen detaillierten Projektentwurf zum jeweiligen Krypto-Asset vorlegen (ein sogenanntes Whitepaper). Dieses Dokument muss Informationen über den Herausgeber oder die Organisation enthalten, die versucht, den Vermögenswert börsenfähig zu machen. Ausserdem muss es Daten zu den Rechten oder Pflichten enthalten, die mit dem Vermögenswert verbunden sind, sowie zu der Technologie, die ihm zugrunde liegt. Die Anbieter von Kryptowährungen müssen darin auch die möglichen Risiken aufführen, die mit der Investition in ihren Vermögenswert verbunden sind. Gerade für dezentral funktionierende Organisationen im Stil des Bitcoins können solche administrativen Auflagen schwierig sein.

Mit der MiCA-Verordnung werden insbesondere schärfere Regeln gegen Geldwäsche mit Kryptowähren eingeführt. Die Krypto-Handelsplattformen müssen künftig bei allen Transaktionen Informationen über Absender sowie Empfänger ermitteln und im Bedarfsfall an die zuständigen Behörden weiterleiten. Im Grundsatz sollen Transaktionen gleichbehandelt werden wie jene in Fiat-Geld – also in Euro, Franken und Dollar. Die EU fokussiert sich bei den Massnahmen auf die Schnittstelle, an der Bitcoin, Ether und andere Digitalwährungen in traditionelles Geld umgetauscht werden. Direkte Transfers zwischen Inhabern von plattformunabhängigen Krypto-Wallets werden nicht einbezogen. Das wäre aber ohnehin schwer zu kontrollieren.

Um sie beurteilen zu können, klassifiziert MiCA unter dem Dachbegriff "Kryptowert" drei Kategorien: "Geld Token", "vermögenswertreferenzierte Token" und "Utility Token". An jede Kategorie sind spezifische Rechtsfolgen für die Marktteilnehmer geknüpft. Unter die Verordnung fallen damit die grossen Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum.

Viele Ausnahmen – auch NFT

Nicht von der neuen Verordnung erfasst in sind indes "Security Token". Als Finanzinstrumente unterliegen diese in der Regel der Finanzmarktrichtlinie und den nationalen Wertpapierhandelsgesetzen. "Non-Fungible Token" (NFT) werden ebenfalls nicht von MiCA erfasst. Bei NFT handelt es sich nicht um "Geld", sondern um auf der Blockchain gespeicherte, digitale Echtheits- oder Eigentumszertifikate für digitale oder analoge Assets, die online gekauft und gehandelt werden können. Kryptobörsen müssen zukünftig in der EU ihr Geschäftsmodell nun offenlegen und dokumentieren, wie sie das Geld ihrer Kunden sicher verwahren.

Wer nun glaubt, das könnte Krypto-Dienstleister dazu veranlassen, dem EU-Raum den Rücken zu kehren, täuscht sich. Mehrere der globalen grössten Anbieter – etwa Coinbase oder Binance – haben verlauten lassen, sie überlegten sich einen Rückzug aus den USA, weil dort der Regulator der Branche vermehrt Steine in den Weg legt. Die US-Börsenaufsicht SEC, die für die Regulierung der Wertpapiermärkte in den USA zuständig ist, konzentriert sich vermehrt auf die Regulierung von Kryptowährungen und greift gegen die Krypto-Branche durch. Auch andere US-Behörden wie die Notenbank, das OCC und die FDIC sprechen sich kritisch gegen den Bereich aus.

Die global tätigen Anbieter wie Binance und Coinbase erfüllen die von der EU geforderten Auflagen bereits. Das ist mit ein Grund, dass etwa Coinbase in Auseinandersetzungen mit der US-Justiz immer wieder eine Verlegung des Firmensitzes nach Europa in Erwägung zieht. Die Krypto-Branchen selbst will nicht in einem unregulierten Umfeld aktiv sein. Amerikanische Krypto-Dienstleister haben von den US-Behörden schon mehrmals klare Leitlinien für den Handel mit Krypto-Assets gefordert – bisher aber keine erhalten. Wichtig ist der Branche auch, dass sie nicht benachteiligt wird und im Vergleich mit traditionellen Finanzdienstleistern gleich lange Spiesse erhält.

Gesetzlicher Rahmen beflügelt Industrie

In Europa wird die Geschäftstätigkeit für Krypto-Unternehmer mit der MiCA-Verordnung deutlich vereinfacht. Die Dienstleister müssen nicht mehr in jedem Land einzeln eine Lizenz beantragen, um in der jeweiligen Jurisdiktion ihre Dienstleistung aktiv bewerben zu können. Die Schweiz hat gezeigt, wie ein adäquater gesetzlicher Rahmen die Krypto-Industrie vorwärtsbringen kann.

Im Juni 2021 trat das DLT-Gesetz (Distributed Ledger Technologie) vollständig in Kraft. Damit verfügt die Schweiz über einen umfassenden Rahmen für die Regulierung von Kryptowährungen und Blockchain-Technologie. Die neuen Vorschriften schufen einen rechtlichen Rahmen für Initial Coin Offerings (ICOs) und andere Formen des Token-Verkaufs und legten Richtlinien für Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäsche (AML) und der Kundenkenntnis (KYC) fest.

Auf viel Lob stiess der Umstand, dass die Schweiz kein neues Gesetz schrieb, sondern das DLT-Gesetz als Mantelerlass ausgestaltet wurde, mit dem gesamthaft zehn Bundesgesetze punktuell angepasst wurden. Insbesondere wurde im Obligationenrecht die Rechtsfigur eines Registerwertrechts eingeführt, mit dem eine robuste Rechtsgrundlage für die Digitalisierung oder Tokenisierung von Vermögenswerten (Rechten) wie Aktien, Schuldverschreibungen und anderen Finanzaktiven und deren Übertragung geschaffen wurde. Die pragmatische und innovative Gesetzgebung wird als wichtiger Faktor gesehen, der die Ansiedlung von Krypto-Unternehmen im Land weiter antreiben könnte.

Beurteilung nach Umsetzung

Schweizer Fachleute sehen in der neuen EU-Verordnung eher keine Bedrohung für den hiesigen Krypto-Standort, sondern einen wichtigen Entwicklungsschritt für die gesamte Industrie. Die Branche sei kaum an geographische Grenzen gebunden. Daher sei es erfreulich, dass im gewichtigen EU-Raum nun ein verbindlicher gesetzlicher Rahmen bestehe.

Es bleibe aber abzuwarten, wie die EU die Regelung in der Praxis umsetzt. Denn die Verordnung ist umfassend und hat teilweise auch Zielsetzungen, die schwer erfüllbar sind. So sollen etwa Kryptowährungen ihren Energieverbrauch offenlegen müssen. Des Weiteren sieht MiCA vor, dass Stable-Coins ihren Sitz in der Europäischen Union haben. Wird ein vermögenswertreferenzierter Token (Stablecoin) zu einem allgemein anerkannten Zahlungsmittel, sieht die EU-Regulierung vor, dass die Ausgabe neuer Token eingestellt wird.

Die MiCA-Verordnung soll ab Ende Juli stufenweise in Kraft treten. So müssen beispielsweise an Währungen gebundene Kryptowerte - sogenannte Stablecoins - bereits ab Juli 2024 ihre Finanzreserven nachweisen, um zugelassen zu werden. Spätestens im Januar 2025 soll dann die komplette Neuregelung gelten.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

SEC vs. Ripple – Vorteil Krypto

Während in der "alten Welt" am gesetzlichen Rahmen für die Krypto-Branche gezimmert wird (vgl. Haupttext), streitet man sich in den USA immer noch über die Grundlagen. Im Jahr 2020 reichte die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eine Klage gegen den Krypto-Dienstleister Ripple ein. Die Behörde monierte, Ripple habe die Kryptowährung XRP verkauft, ohne diese zuvor bei der SEC als Wertpapier registriert zu haben.

Dieser Gerichtsprozess wird als richtungsweisend für die prinzipielle Frage angesehen, ob Krypto-Assets in den Vereinigten Staaten als Wertpapiere (Securities) oder vielmehr als Rohstoffe (Commodities) eingestuft werden. Der Entscheid dürfte angesichts des Gewichts des US-Finanzmarktes auch weltweit Auswirkungen haben. Ripple hat nach eigenen Angaben schon 200 Millionen Dollar für den Rechtsstreit ausgegeben. Zur Verteidigung hat das Unternehmen mehrere Statements von wichtigen Finanzmarktvertretern zur eigenen Unterstützung eingereicht.

Eine Rede von William Hinman, ehemaliger Direktor der Division of Corporation Finance der SEC, aus dem Jahr 2018 ist nun vom Gericht zugelassen worden, obwohl die Börsenaufsicht versucht hatte, diese unter Verschluss zu halten. Himan führt aus, dass es sich zumindest bei Bitcoin und Ethereum nicht um "Investitionsverträge" handle. Hinman räumte 2018 ein, dass Krypto-Assets das Potenzial hätten, über ihre ursprüngliche Rolle als Investitionsverträge hinauszuwachsen und als Waren klassifiziert werden könnten, wenn ihr Netzwerk ausgereift sei. Das Urteil im Prozess wird für Ende Juni erwartet und könnte, falls es zugunsten von Ripple ausfallen, der Krypto-Branche in den USA Auftrieb geben. Mehr hier.

Ein Bitcoin-Wal in Bewegung

Ist es eine Sicherheitsvorkehrung oder die Vorbereitung für einen Verkauf – der nicht so grosse Wellen werfen soll? Am 22. Mai hat gemäss dem Research-Dienst Bitinfocharts der viertgrösste Bitcoin-Wal über 21’000 Coins aus seinem Wallet in ein anderes verschoben. Die Transaktion sei in drei Chargen zu je 7206 Bitcoins erfolgt und hatte am Tag der Abwicklung insgesamt einen Wert von über einer halben Milliarde Dollar. Das Wallet umfasste vor der Transaktion einen Gegenwert von fast 3 Milliarden Dollar auf. Mit der Überweisung verlor das Wallet aber einen Platz in der Rangliste und ist nun das viertgrösste Bitcoin-Wallet-Guthaben.

Bitcoin Wale sind Individuen oder Institutionen, die mindestens 1000 Bitcoins oder mehr besitzen. Die Guthaben (Wallets) der Wale werden scharf beobachtet, um allfällige Entwicklungen im Bitcoin-Markt abzuleiten. Ein bekannter Bitcoin-Wal ist etwas das Unternehmen MicroStrategy. Auch Satoshi Nakamoto – der oder die Erfinder von Bitcoin – werden als Bitcoin-Wal gehandelt. Allerdings sind nicht alle Adressen bekannt und die bekannten sind seit Jahren inaktiv.

Research-Unternehmen können zwar Wallets beobachten. Sie finden aber nicht heraus, wer der Besitzer ist und an wen die Transaktion geht. Ein Bitcoin-Wal der sein Riesenguthaben aufteilt, kann später einen Teil seines Bestandes verkaufen, ohne dass es grosse Reaktionen – vielleicht eine Bitcoin-Schwäche – auslöst. Laut Bitinfocharts gibt es mittlerweile 112 Wallet-Adressen, die zwischen 10’000 und 100’000 Bitcoins halten.

Der kumulierter Bitcoin-Anteil dieser Wallets macht rund einen Achtel des gesamten Bitcoin-Umlaufs aus. Der deutliche Anstieg des Bitcoin-Kurses in Jahr 2023 hat dazu geführt, dass sich die Zahl der Millionärs-Adressen seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt hat. Mehr hier.

Ripple zum Zweiten: Kauf eines Schweizer Anbieters für 250 Millionen Dollar

Das US-Krypto-Währungsunternehmen Ripple hat die Schweizer Metaco für 250 Millionen Dollar gekauft. Das ist die erste grosse Akquisition des US-Unternehmens. Metaco arbeitet an Technologien, die es Finanzinstituten ermöglicht, digitale Vermögenswerte zu verwalten. Zu den Kunden zählen Citigroup, BNP Paribas und Société Générale.

Brad Garlinghouse, CEO von Ripple, sagte gemäss Nachrichtendienst Reuters, er erwarte eine steigende Nachfrage institutioneller Anleger nach Krypto-Verwahrungsdiensten. "Wenn man sich auf die Infrastruktur konzentriert, unterliegt man nicht wirklich den gleichen Schwankungen wie im Krypto-Winter" fügt er an. Die Akquisition könnte auch als Schachzug angesehen werden, um die regulatorischen Massnahmen in den USA abzuschwächen, die Kryptounternehmen ins Ausland drängen.

Der Ripple-CEO führte weiter aus: Während die amerikanischen Regulierungsbehörden die Massnahmen gegen Kryptofirmen verstärkten, habe Metaco den Sitz in der Schweiz und beschäftige Mitarbeiter ausserhalb der USA, was die Attraktivität steigere. "Die Verkehrsregeln in anderen Märkten sind im Vergleich zu den Vereinigten Staaten klar und es ist diese Klarheit, die es Unternehmen ermöglicht, zu investieren", zitiert Reuters Garlinghouse.

Der Token von Ripple, XRP, ist die sechstgrösste Kryptowährung mit einem Umlauf von rund 23 Milliarden Dollar. Mehr als die Hälfte der 250 Millionen Dollar für Metaco wurde in bar bezahlt, der Rest in Eigenkapital, schreibt Ripple. Das in Privatbesitz befindliche Unternehmen bekundete im vergangenen Jahr Interesse am Erwerb an Vermögenswerten der insolventen Krypto-Bank Celsius. Ripple ist nach eigenen Angaben "nicht in Eile" ein IPO durchzuführen, da es über ein Cash-Polster von 1 Milliarde Dollar verfüge.

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