Digital Assets Briefing
Mathias Imbach, CEO der Sygnum Bank, zum Vorstoss der Finma, dass nur noch Banken Staking anbieten sollen. Dieser Vorschlag wäre aber auch für Anbieter mit Banklizenz und ihre Kunden verheerend, weil das Staking durch die Hinterlegung mit Eigenkapital nicht mehr rentabel wäre. +++ Kommentar +++ Stellungnahme der Finma.
22. September 2023 • Werner Grundlehner

Herr Imbach, sind Sie vom Entscheid der Finma überrascht worden, oder gab es eine Konsultation der betroffenen Krypto-Dienstleister?

Imbach: Sygnum bietet ihren Kunden seit über zwei Jahren Zugang zu Staking-Dienstleistungen an. Die Ankündigung einer möglichen Praxisänderung hat uns überrascht. Allerdings stehen wir seither wie viele unserer Kolleginnen und Kollegen in der Industrie in konstruktivem Kontakt mit der Finma und haben unsere Standpunkte und eine detaillierte finanzmarktrechtliche Auslegeordnung erarbeitet.

Sygnum hat eine Banklizenz, gemäss Finma-Entscheid sollte Ihr Unternehmen vom «Staking-Verbot» also nicht betroffen sein, ist das so?

Es liegt keine verbindliche Bestätigung vor, dass es zu einem faktischen Staking-Verbot von krypto-basierten Vermögenswerten in der Schweiz kommen soll, respektive Staking zukünftig ausschliesslich durch Banken angeboten werden darf. Wenn man dies allerdings gedanklich durchspielt, wären die Implikationen schwerwiegend und würden etwa wie folgt aussehen: Das Anbieten von Staking-Dienstleistungen wäre ausschliesslich Banken vorbehalten. Da diese Assets allerdings – dies sähe die besagte Praxisänderung ebenfalls vor – auf die Bilanz zu nehmen wären, würde unseres Erachtens keine Bank ein solches Angebot lancieren respektive weiterhin anbieten können bzw. wollen. Dies, da die Kapitalvorschriften für gestakte Kryptowährungs-Positionen derart restriktiv sind, dass es schlichtweg ökonomisch keinen Sinn machen würde.

Was heisst das für die Kunden?

Die Kunden müssten in der Folge ihre Assets bei ausländischen, weniger oder nicht regulierten Unternehmen platzieren und erhöhte Risiken auf sich nehmen. Falls eine Schweizer Bank ein solches Angebot trotzdem anbieten würde, wären solche Kundenvermögen eben «auf der Bilanz», das heisst, diese Vermögenswerte würden als Publikumseinlagen behandelt und könnten im Falle eines Konkurses der Bank nicht aus der Konkursmasse ausgesondert werden. Ausserdem würde der Einlegerschutz nicht greifen. Die Nachteile für die Kunden liegen auf der Hand.

Was ändert bezüglich des Potenzials von Staking, wenn ihre Bank das Volumen der Kundenengagements auf die eigene Bilanz nehmen muss?

Wie oben ausgeführt, sind die Kapitalvorschriften für Krypto-Vermögenswerte auf der Bilanz restriktiv. Das folgende Beispiel veranschaulichts die Tragweite des Vorschlag, wenn der durch die BIZ präsentierte Vorschlag in der Schweiz für alle Banken – und nicht nur die systemrelevanten Banken – umgesetzt würde: Für 1 Million Franken Äquivalent auf der Bilanz (z.B. staked ETH) müsste 1 Million Franken Kernkapital der Bank bereitgestellt werden. Dies nicht nur bezüglich Staking-Angeboten, sondern auch hinsichtlich der Vergabe von Lombardkrediten mit Krypto als Sicherheiten, Derivate-Geschäften, etc.

Können Sie Angaben machen, wie wichtig das Staking-Geschäft bisher war?

Das Staking-Geschäft ist integraler Teil von Sygnums Verwahrgeschäft bei den relevanten Token und stark wachsend.

Wie wichtig war das Staking bisher in der Planung der Expansionsstrategie von Sygnum?

Verwahr- und Staking-Geschäft gehen Hand in Hand. Es ist also für jeden Verwahrer digitaler Vermögenswerte wichtig, Kunden diesen Service uneingeschränkt anbieten zu können.

Werden Sie bald Anpassungen vornehmen und gewisse Dienstleistungen werden nicht mehr angeboten?

Dies ist aktuell nicht geplant. Aber selbstverständlich machen wir uns Gedanken. Dass wir bereits heute global respektive in Europa, im Mittleren Osten sowie Asien aufgestellt sind, hilft uns sicherlich.

Reagieren die Kunden bereits, suchen sie nach Alternativen?

Wir stellen keine solchen Tendenzen fest. Solange Sygnum sowie andere Schweizer Unternehmen Verwahrung inklusive Staking institutionell anbieten können, ist dies auch nicht nötig.

Sie verfügen über Niederlassungen in Ausland, können Sie das Staking-Geschäft für Schweizer Kunden nach Singapur auslagern?

Staking wird immer wichtiger für die Blockchain-Protokolle. Es ist davon auszugehen, dass inskünftig fast alle Blockhain-Protokolle eine solche Staking-Funktion haben werden. Ein de facto Staking-Verbot würde den Wirtschaftsstandort Schweiz bei der Weiterentwicklung der Blockchain-Anwendungen schwächen. Die Schweiz würde dadurch technologisch abgehängt. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Schweizer Unternehmen, welche die Möglichkeit dazu haben, wichtige Infrastruktur sowie Arbeitsplätze ins Ausland verlegen würden. Mittelfristig wäre für Sygnum eine internationale Umorientierung hinsichtlich Infrastruktur, Produkten und Arbeitsplätzen sicherlich möglich. Ich möchte aber betonen, dass dies nicht geplant und auch nicht gewollt ist. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht im Sinne des Technologiestandorts und Finanzplatzes Schweiz sowie des vor Jahren auch durch die Politik erkannte Potential der Blockchain/DLT-Technologie sein kann.

Mit der Einführung des DLT-Gesetzes wurde die Krypto-Freundlichkeit der Schweizer Behörden gelobt. Ist das bereits Vergangenheit oder gehen Gesetzgeber und Aufsicht separate Wege?

Wir hoffen es nicht. Es ist aber sicherlich so, dass die Industrie mehr in den Austausch mit Politik und Öffentlichkeit investieren muss. Die DLT-Technologie und das Blockchain-Ökosystem wachsen und verändern sich sehr dynamisch. Gerade die Marktverwerfungen von 2022 helfen diesbezüglich nicht. Es braucht Zeit, dieser innovativen Dynamik folgen zu können und allfällig verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Es wäre allerdings ein grosser Fehler, auf Basis von Angst, internationalem Druck oder fehlendem Verständnis den politisch vor ein paar Jahren eingeschlagenen Weg nicht weiterzuführen. Die Blockchain-Technologie, inklusive Krypto-basierte Vermögenswerte, werden über die nächsten Jahre weitere Adaption finden. Sogar in den USA, wo die regulatorische Unklarheit für viele negative Schlagzeilen sorgt, gibt es positive Trends. Dass Marktteilnehmer wie Blackrock ins Geschäft einsteigen wollen, ist hierfür nur ein Beispiel. Die Schweiz sollte ihren Vorsprung, den sie sich durch gute Arbeit in Politik und darauf aufbauender regulatorischer Umsetzung erarbeitet hat, jetzt nicht leichtfertig aufgeben.

Wie gross schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass diese Absicht von der Finma auch umgesetzt wird?

In meiner Position wäre es unklug, diesbezüglich zu spekulieren. Persönlich hoffe ich sehr, dass es für die Schweiz, das aufgebaute Crypto Valley und die vielen innovativen lokalen Unternehmen sowie deren Kunden und Teams nicht so weit kommen wird. Das DLT-Gesetz ist fortschrittlich und hat in der Schweiz früh für mehr Klarheit im Vergleich zu anderen Ländern geschaffen. Nun müssen wir sicherstellen, dass die Praxis bei der Anwendung der Bestimmungen den Innovationsgeist des DLT-Gesetzes nicht beeinträchtigt Wir bleiben zuversichtlich, dass der im Finma-Vorstoss beschriebene Weg nicht eingeschlagen wird. Und falls doch, dann durch einen öffentlichen, transparenten politischen Diskurs.



Kommentar von Werner Grundlehner

Die Finma geht auf Nummer bombensicher, um ja nicht nochmals Kritik zu ernten – und gefährdet damit eine junge Wachstumsbranche


Anfang September kündigte die eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Praxisänderung für Staking-Dienstleistungen an. Um solche anzubieten sei zukünftig eine Bewilligung als Bank erforderlich. Die Finma begründete dies mit dem Verlustrisiko, das durch die vorübergehende Sperrung von Vermögenswerten durch Staking-Protokolle (Lock-Up) entsteht sowie dem Risiko, dass Vermögenswerte von Teilnehmern bei falscher Validierung oder anderen Regelverstössen eingezogen werden könnten (Slashing). Krypto-Vermögenswerte seien beim Staking nicht mehr sofort verfügbar, weshalb sie nicht mehr als Verwahrungsvermögen nach Bankvorschriften, sondern als öffentliche Einlagen gelten würden. Und eine gewerbliche Annahme von öffentlichen Einlagen erfordert eine Banklizenz.

Staking stellt einen energieeffizienten Mechanismus in Blockchain-Netzwerken wie Ethereum, Solana und Cardano dar. Teilnehmer werden für das Hinterlegen von Kryptowährungen und die Validierung von Transaktionen entschädigt. Staking gewinnt zunehmend an Bedeutung, weltweit dürfte sich die Marktkapitalisierung gestakter Vermögenswerte auf rund 350 Milliarden Dollar belaufen.

Die Kryptobranche wurde vom Finma-Vorstoss überrascht. Erst allmählich begann sie sich zu organisieren und versuchte, Gegensteuer zu geben. Die Swiss Blockchain Federation und andere Verbände gaben öffentliche Erklärungen ab und traten mit der Finma in Kontakt. Für Dienstleister wie etwa Bitcoin Suisse würde eine Praxisänderung der Wegfall eines wichtigen Kundenangebots bedeuten. Aber auch Anbieter mit Bankenlizenz könnten Staking mit einer Hinterlegung von Eigenkapital nicht mehr rentabel betreiben. Das wäre aber vor allem ein Nachteil für Schweizer Kunden, die auf den «Zins» des Staking verzichten müssten.

Die Eigenmittelanforderungen, welche die Finma anwenden will, sind sonst für systemrelevante Banken in Anwendung. Zudem ist Staking nicht mit traditionellen Bankausleihungen zu vergleichen. Zu keinem Zeitpunkt verlässt der Privatkey die Bank. Weil die Smart-Contract-Funktion immer mit dem Token verbunden ist, bleibt dieser immer dem Kunden zuordenbar.

Der Entscheid der Finma steht im krassen Gegensatz zur bisherigen «Krypto-Freundlichkeit» der Schweizer Behörden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Finma, die zuletzt wegen des CS-Untergangs viel Kritik einstecken musste und auf zahlreichen Managementebenen grosse Umwälzungen erlebt, auf Nummer Sicher geht. Lieber übertrieben regulieren, als nochmals in der öffentlichen Kritik zu stehen, scheint das Motto zu sein. Zudem orientieren sich viele Regulatoren am «grossen Bruder» USA.

Dort hat die Börsenaufsicht SEC in den vergangenen Monaten zahlreiche regulatorische Vorstösse gegen die Kryptoindustrie unternommen. Oft hat man dabei den Eindruck, es handle sich um eine Privatfehde zwischen dem SEC-Vorsitzenden Gary Gensler und der Kryptobranche. Beim Vorgehen gegen Coinbase, einer der weltgrössen Kryptohandelsplätze, gab es auch vage Kritik am «Staking». Doch in den USA regt sich vermehrt Widerstand gegen diese Politik, die eine vielversprechende Branche aus dem Land zu vertreiben droht. Das SEC-Vorgehen steht insbesondere im Kontrast zum Vorgehen der grossen US-Asset-Manager, die in den vergangenen Wochen dem SEC mehrere Anträge zur Zulassung von kotierten Indexfonds (ETF), die auf dem Bitcoin Kassakurs basieren, eingereicht haben.

In der Schweiz ist noch nichts entschieden. Doch es wäre bedauernswert, wenn die Führungsrolle, die auch dank des innovativen DLT-Gesetzes erreicht wurde, preisgegeben würde. Auch die Schweizer Kryptobanken wären mit den prohibitiven Eigenmittelanforderungen nicht mehr wettbewerbsfähig. Zuletzt hat sich das allgemeine Interesse hierzulande etwas von Krypto entfernt und eher künstlicher Intelligenz und Bankskandalen zugewandt. Zudem verlor die Branche auf der obersten Exekutivebene an Unterstützung – es fehlen Figuren wie die Alt-Bundesräte Ammann und Maurer.



Das sagt die Finma zur umstrittenen Änderung

Tippinpoint befragte auch die Finma zum Vorgehen bezüglich Staking. Der Sprecher der Behörde antwortet folgendermassen.

Wie wurden die Absichten der Finma zum Staking publiziert, auf der Finma-Website existiert dazu keine Mitteilung?

Tatsächlich gibt es keine neuen Pläne der Finma. Die Behörde folgt vielmehr bei der Auslegung der Krypto-Verwahrtätigkeit (Custody) der DLT-Vorlage. Die relevanten Vorschriften sind im Schweizer Gesetz und Botschaft zur DLT-Vorlage klar und präzis geregelt und lassen keinen Ermessensspielraum in der Umsetzung. Die Finma hat im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit über die üblichen Kanäle auf diese Bestimmungen hingewiesen. Es gilt die Aktivitäten im Bereich der Krypto-Verwahrtätigkeit zu unterscheiden von Tätigkeiten im Bereich des sogenannten Staking, welche mit spezifischen Risiken (lock-up, slashing) verbunden sind. Die Risiken dieser beiden Aktivitäten für die Kunden sind nicht vergleichbar.

Was war der Auslöser dafür, das Staking-Geschäft besser zu regulieren respektive mit Eigenkapital von Banken zu hinterlegen?

Für Krypto-Verwahrung (Custody) hat der Gesetzgeber im Rahmen der DLT-Vorlage eine Lösung geschaffen, dank der die Krypto-Vermögenswerte der Kunden durch Aussonderung im Fall des Konkurses des Verwahrers geschützt sind. Voraussetzung für diesen konkursrechtlichen Schutz ist, dass der Verwahrer die Krypto-Vermögenswerte jederzeit bereithält. Das heisst, der Verwahrer muss eine ununterbrochene Verfügungsmacht über die Vermögenswerte haben. Dieses konkursrechtliche Privileg führt auch zu aufsichtsrechtlichen Erleichterungen. So brauchen Banken diese Positionen nicht mit Eigenmitteln zu hinterlegen.

Gab es Probleme oder Verluste für Kunden im Staking-Geschäft?

Staking ist ein Oberbegriff für verschiedene Tätigkeiten. Gewisse Staking-Geschäftsmodelle sind mit den Anforderungen der DLT-Vorlage mit Blick auf das konkursrechtliche und aufsichtsrechtliche Privileg für die Krypto-Verwahrung nicht vereinbar. In diesen Fällen halten die Anbieter eben nicht jederzeit Krypto-Vermögenswerte bereit. Dies birgt für die Kunden das Risiko, dass deren Vermögenswerte für längere Zeit gesperrt (Lock-up Risiko) oder sogar gelöscht werden können (Slashing Risiko). Das heisst nicht, dass Staking verboten wäre, wenn sogenannte Lock-up-periods und Slashing-Risiken bestehen. Weil es sich um eine andere, eine risikoreichere Dienstleistung handelt, gelten allerdings für diese Arten des Stakings nicht die Erleichterungen für die Verwahrung wie beim Custody.

Erfolgt dieser Schritt der Finma in Abstimmung mit anderen internationalen Behörden?

Die relevanten Vorschriften sind im Schweizer Gesetz und Botschaft zur DLT-Vorlage klar und präzis geregelt und lassen für die Finma keinen Spielraum zur Abstimmung mit anderen internationalen Behörden. Wir beobachten aber im Ausland ähnliche oder sogar strengere Ansätze zum Staking, in Singapur etwa werden Staking-Dienstleistungen als derart riskant erachtet, dass sie für Retail-Kunden ganz verboten werden sollen.

Wann soll diese Regulierung in Kraft treten, was muss dafür noch erfüllt werden?

Die Finma folgt bei der Auslegung der Krypto-Verwahrtätigkeit der bereits 2021 in Kraft gesetzten DLT-Vorlage.

MEHR ZUM THEMA


Ein bekannter «Krypto-Schweizer» skizziert Bitcoins grosse Zukunft

Ein Schwergewicht im Bereich Zahlungsdienstleistungen legt dar, warum die älteste Kryptowährung das bestimmende globale Transaktionsnetzwerk werden könnte.
15. September 2023

Blackrock und Vanguard & Co. setzen auch ohne ETF auf Krypto

US-Zulassung von Bitcoin-ETF hin oder her. Die grössten globalen Vermögensverwalter sind längst im Bitcoin. Allen voran Blackrock. +++ Zug bekommt ein Blockchain-Institut mit neun Professuren +++ Finma erhöht Auflagen für Staking.
8. September 2023

Grayscale lanciert Rennen um Krypto-ETF neu

Gericht entscheidet im Streit mit SEC zu Gunsten des Vermögensverwalters. Die Argumentation der Börsenaufsicht wird nicht akzeptiert.
1. September 2023

Bitcoin im Seitwärtstrend gefangen - was bedeutet diese ungewöhnlich tiefe Volatilität?

In der Nacht auf Freitag ging eine extrem lange Phase der Stabilität zu Ende. Was sind die Gründe, warum der Bitcoin während zwei Monaten stabil bei 30’000-Dollar-Marke notierte? Schweizer Krypto-Experten schätzen die Lage ein.
18. August 2023