Sparzinsen
Bei den Einlagenzinsen spiele der Markt nicht – wegen der Sparerinnen und Sparer, sagt SNB-Vize Schlegel. Ein Blick nach Grossbritannien zeigt, was auf die Schweizer Banken zukommt, wenn Einleger ihre Loyalität zur Hausbank ablegen.
30. Oktober 2023 • Beat Schmid

Die Halbjahreszahlen der Schweizer Geschäftsbanken haben für Aufregung gesorgt. Dank stark gestiegener Zinsmargen sprudelten die Gewinne. Das löste Kritik aus, zumal einige Banken gleichzeitig die Boni erhöhten. (Oder sie mussten diese auf politischen Druck hin einfrieren und haben dafür die Fixgehälter erhöht, wie die ZKB.) Statt die Faust im Sack zu machen, könnten die Sparer die Bank wechseln. Dazu ermuntert Nationalbank-Vizepräsident Martin Schlegel die Schweizer Sparer.

Wenn man sich die Leitzinsen und die Kontozinsen ansehe, könne man zum Schluss kommen, dass der Wettbewerb zu wenig spiele, sagt er im Interview mit dem SonntagsBlick (Abo). Jeder könne aber seine Bank frei wählen. «Wenn die Kundinnen und Kunden vermehrt die Bank wechseln würden, würde auch der Wettbewerb stärker spielen», sagt er.

Das Problem sei, dass die Bevölkerung in der Schweiz sehr loyal gegenüber den Anbietern sei, nicht nur bei den Banken. Auch in der Vergangenheit sei es so gewesen, dass in Phasen steigender Zinsen diese erst mit Verzögerung an die Sparer weitergegeben wurden, sagt Schlegel. «Die Kunden könnten reagieren, indem sie zu einer Bank wechseln, die höhere Zinssätze bietet», sagt Schlegel.

Bald gibt es erste Indikationen

Ob und wie die Bankkunden reagieren, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, wenn die ersten Schweizer Banken ihre Zahlen für das dritte Quartal vorlegen. Einen Vorgeschmack darauf, was auf die Retailbanken zukommen könnte, liefern britische Geldinstitute. NatWest, die am Freitag ihre Zahlen präsentierte, gab bekannt, dass der Wettbewerb um Kundengelder mittlerweile auf das Gewinnwachstum drückt. Die Aktie brach daraufhin um 10 Prozent ein.

Grund für den Ausverkauf war eine Änderung des Ertragsziels für 2023, das von 14,8 auf 14,3 Milliarden Pfund gesenkt wurde. Die vom Staat kontrollierte Bank änderte ihre Prognose für die Nettozinsmarge von 3,15 Prozent auf «über 3 Prozent». Diese leichte Korrektur reichte aus, um die Aktie auf Talfahrt zu schicken.

In Grossbritannien sieht das Zinsumfeld allerdings anders aus. Der Leitzins der Bank of England liegt bei 5,25 Prozent. In der Schweiz sind es 1,75 Prozent. Das am besten verzinste Tagesgeldkonto der Paragon Bank bietet laut dem britischen Vergleichsdienst Moneyfacts derzeit 5,25 Prozent. In der Schweiz liegen die Spitzenzinsen deutlich darunter. Doch auch hierzulande kann sich ein Vergleich der Angebote lohnen.

Zinsunterschied von 681 Prozent

Gemäss einem Vergleich des VZ Vermögenszentrums zahlt die Cembra Money Bank mit einem Zinssatz von 1,25 Prozent auf einem Sparkonto am meisten. Das schlechteste Angebot liegt bei 0,16 Prozent. Bei einem Vergleich mit Spareinlagen von 270’000 Franken ergibt dies bei Cembra einen Zins von 3375 Franken pro Jahr. Beim schlechtesten Angebot von Valiant sind es 432 Franken – eine Differenz von 2943 Franken oder 681 Prozent.

Gut möglich, dass Sparerinnen und Sparer angesichts solcher Unterschiede die Loyalität zu ihrer Hausbank überdenken und dass der Wettbewerb auch in der Schweiz zu spielen beginnt.

Wer heute sein Geld auf dem Sparkonto hat, verliert real Geld. Für SNB-Vizepräsident Schlegel ist es historisch nichts Aussergewöhnliches, dass die Inflation zeitweise höher ist als die Sparzinsen. «Das gab es immer mal wieder. Aber ich kann keine Prognose dazu machen, wann sich das wieder ändert», sagte er. Vielleicht schneller, als es den Geschäftsbanken lieb ist.

SNB verändert Verzinsung von Sichtguthaben

Die Nationalbank nimmt Anpassungen bei der Verzinsung von Sichtguthaben vor. Erstens reduziert die SNB den Faktor für die Limite, die bei der abgestuften Verzinsung der Sichtguthaben zur Anwendung kommt. Zweitens werden Sichtguthaben, die zur Erfüllung der Mindestreserven gehalten werden, nicht mehr verzinst. Wie die SNB schreibt, senken diese Anpassungen die Zinskosten der Nationalbank. An der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung ändere sich durch die Anpassungen nichts. Die Änderungen werden per 1. Dezember 2023 aktiv.