Digital Assets Briefing
Nachdem der Bitcoin-Kurs diese Woche einen neuen Rekord aufgestellt hat, stellt sich die Frage: Wie weit nach oben kann es jetzt noch gehen? Eine entscheidende Rolle spielt ein technischer Event, der im April stattfinden wird.
9. März 2024 • Werner Grundlehner

Der Kryptowinter ist definitiv vorbei. Am Dienstag erklomm die Bitcoin-Notierung mit über 69’000 Dollar einen Rekord und übertraf das bisherige Höchst von November 2021. Zu jener Zeit befeuerten im Gegensatz zu heute geldpolitische und fiskalische Anreize die globalen Kapitalmärkte. In einem nervösen Umfeld korrigiert die Kryptowährung in dieser Woche aber innert Stunden wieder um einige Tausend Dollar. Viele Bitcoin-Investoren haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Bestände gehalten und kamen nun in Versuchung, Gewinne mitzunehmen. Trotz dieser Rückschläge beträgt die Wertzunahme des Bitcoins in diesem Jahr bereits 50 Prozent.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Blockchain Federation warnt vor Basler Krypto Standards
• Bitcoin ist Gold auf Speed


Mitte Januar wurden die Schleusen zum Massenmarkt definitiv geöffnet. Die US-Börsenaufsicht SEC gab elf Spot-Bitcoin-ETF grünes Licht für den Vertrieb gegeben. Die Behörde hatte zuvor über Monate versucht, dies zu verhindern und dabei auch eine juristische Niederlage eingefangen. Seit der Zulassung haben die kotierten Indexfonds eine stete Flut von Kundengeldern erlebt, innert weniger Handelstag belief sich die verwalteten Vermögen auf zweistellige Milliarden-Beträge.

Umsatz der Kryptobörsen sinkt

Momentan treibt ein Mix von Faktoren den Bitcoin an, dank der On-Chain-Daten der Blockchain lässt sich in Echtzeit feststellen, von wo zu wo die Bitcoins fliessen. «Zurzeit sind On-Chain-Metriken relevant. Das Angebot auf Exchanges nimmt weiter ab», sagt Gregor von Bergen, Spezialist für digitale Assets beim Beratungsunternehmen Capco in Zürich. Viele Bitcoin-Besitzer würden noch nicht verkaufen. Das geschehe klassischerweise erst, wenn das All-Time- High überschritten sei. «Rund 90 Prozent der Besitzer sind aktuell im Gewinnbereich», so von Bergen.

Doch der Bitcoin-Kurs profitiert zweifellos auch vom allgemeinen Makro-Umfeld – also vor allem von der Annahme, dass die Notenbanken bald mit Zinssenkungen beginnen werden. Ein Zusammenhang besteht auch zwischen dem Rally der US-Tech-Aktien und dem Bitocin-Kurshoch. Viele Anleger betrachten beide Anlageklassen als wachstumsstark, spekulativ und technologiegetrieben. Joel Kai Lenz von der Bitcoin-App Relai weist darauf hin, dass der Bitcoin seit der aggressiven Zinswende der grossen Notenbanken eine enorme Performance hingelegt hat, währenddem Tech-Aktien weniger avancierten: «Man befürchtete zu Beginn, dass Bitcoin nur in einer Nullzinsumfeld existieren kann. Es gab einige Korrekturen, aber gesamthaft hat er sich im Zinsanstieg perfekt gehalten und konnte sich von den Tech-Indizes lösen».

Nächster Fixpunkt. 21 April

Nach der ETF-Zulassung rückt das Halving als nächster Bitcoin-Fixtermin in den Fokus. Dieses wird voraussichtlich am Sonntag, 21. April, über die Bühne gehen. Das Emissionsvolumen des Bitcoins reduziert sich ständig, bis alle 21 Millionen Coins ausgegeben sind. Ein Netzwerk von Computer befindet sich im kontinuierlichen Wettstreit, um neue Blöcke durch die Lösung einer komplexen Rechnungsaufgabe zu validieren. Der Miner, der die Kalkulation als Erster löst, erhält eine Belohnung in Form von Bitcoins. Zu Beginn betrug diese Belohnung 50 Bitcoins pro Block. Alle 210’000 Blöcke wird diese Zahl halbiert (Halving). Das entspricht einem Zeitraum von ungefähr vier Jahren. Momentan erhält der Miner 6,25 Bitcoins pro erzeugten Block. In wenigen Wochen wird es noch die Hälfte sein. Pro Tag kommen dann 450 und nicht mehr 900 Coins neu auf den Markt.

Nach den bisherigen Halvings zog der Bitcoin-Kurs jeweils an (vgl. Chart). Ist es diesmal anders, weil das Halving im Gegensatz zu früher bereits seit Monaten in der breiten Öffentlichkeit ein Thema ist? Es sei das erste Mal in der Geschichte, dass das Halving auf einen Höchststand des Bitcoins trifft, sagt Lenz. Es gebe aber stets ähnliche Muster beim Halving: «Immer gibt es dazu auch eine weitere Hauptstory. Dieses Mal ist es die hohe Nachfrage von wohlhabenden Privatkunden und Institutionellen. In vergangenen Halvings waren es die Einfkaufsstrategie des US-Unternehmens MicroStrategy, der Durchbruch von 10’000 Dollar oder die ersten Innovationen im Mining».

«Aus historischer Performance sollte grundsätzlich nicht auf künftige Performance geschlossen werden», schreibt das Trading & Research-Team von Bitcoin Suisse. Jedoch gebe es, wie erwähnt, fundamentale Gründe, weshalb sich die Angebotssituation alle vier Jahre durch das Protokoll verändert. Gleichzeitig beobachten die Experten von Bitcoin Suisse generell, dass erhebliche Mengen an Bitcoin vermeintlich illiquid bei Investoren mit langfristigem Horizont verweilen. Gehe man von weiterhin wachsender Nachfrage aus sowie stetig sinkender Bitcoin-Inflation, ist es denkbar, dass auch in diesem vier Jahres-Zyklus die Preise wieder steigen.

Wichtig für Marktpsychologie

«Die Verringerung des Angebots bei dieser Halbierung beträgt weniger als 0,1 Prozent des täglich gehandelten Volumens und hat für sich genommen keine Auswirkungen auf den Marktpreis», sagt Katalin Tischhauser, Head of Investment Research bei der Sygnum Bank. Dennoch bleibe die Halbierung ein bedeutendes Ereignis in Bezug auf die Krypto-Marktzyklen, die Handelspsychologie und vor allem als Erinnerung an Bitcoins zentrales Wertversprechen der unveränderlichen Knappheit – insbesondere derzeit, wo sichere Anlagen sehr gefragt sind.

Wie immer hat die Bitcoin-Hausse auch die Kurse aller anderen alternativen Coins (Altcoins) wie Ether (von Ethereum), Solana, Binance, Cardano etc. mitgezogen. Wenig erstaunlich sagt Joel Kai Lenz vom Bitcoin-Dienstleister Relai: «Man sollte aufhören diese beiden Klassen zu vergleichen. Laut den Regulatoren in Amerika und auch hier in Europa ist Bitcoin der einzige digitale Rohstoff und kein Wertpapier». Der Bitcoin sei nicht von einer Stiftung mit Steuervorteil in Zug gegründet worden und habe auch keine ICO oder Investoren-Gelder benötigt, um zu starten. Die meisten dieser Altcoins versprechen gemäss Lenz seit Jahren der «Bitcoin-Killer» zu sein. VC-Fonds investierten viel Geld und nutzen ihr Netzwerk, um den Token zu «pumpen». Diese Performance sei nicht nachhaltig. «Am Ende gewinne immer Bitcoin, weil man bisher immer mehr Nutzer im Netzwerk registrieren konnte», so der Relai-Manager.

Der Bitcoin steigt zuerst

Nach dem Halving haben sich die «festen» Bitcoin-Termine vorerst erledigt, aber es gibt zahlreiche Entwicklungen, die Schlagzeilen und damit auch Kursauftrieb generieren könnten. «Es wird kontinuierlich an Verbesserungen gearbeitet, um die Transaktionsgeschwindigkeit und Kapazität zu verbessern. Dies kann durch Implementierung von Technologien wie Lightning oder Layer-2-Lösungen erreicht werden, bei denen wir insbesondere in den vergangenen Monaten viele neue Impulse beobachteten», schreiben die Experten von Bitcoin Suisse. Auch werde viel in die Entwicklung von besseren Benutzeroberflächen, Applikationen und Wallets investiert, um Kryptowährungen auch im Alltag einfacher einsetzen zu können. Diese Fortschritte können sich positiv auf den Preis von Bitcoin auswirken, da sie die Attraktivität und Nutzbarkeit der Kryptowährung erhöhen.

«Zur Benutzerfreundlichkeit und Erreichbarkeit für Endkunden werden voraussichtlich insbesondere traditionelle Banken und heutige Fintechs beitragen», erklärt Capco-Experte von Bergen. Die ersten Schritte, die wir bei den Schweizer Banken sehen würden, ermöglichen einfachen Zugriff auf Kryptowährungen für eine grosse Masse. Hier falle insbesondere das Angebot der PostFinance ins Auge, welches kürzlich gestartet ist – und gemäss Angaben von Postfinance bis zu 2,5 Millionen Kunden erreicht hat. «Dies wird sicherlich eine Hebelwirkung auf die Akzeptanz von Kryptowährungen haben», so von Bergen.

Wird der Coin vereinnahmt?

Unter den «Bitcoinern der ersten Stunde» wächst mit dem Interesse von institutionellen Anlegern und Finanzinstituten die Angst, dass der Coin von jenen vereinnahmt werde, die man eigentlich aussen vor lassen wollte. Nicht nur Wallstreet-Institutionen umarmen den Bitcoin, in der Schweiz haben Privat- und Kantonalbanken, Postfinance, Swissquote u.v.a. Angebote aufgesetzt, mit denen man in Bitcoin investieren, aber die Kryptowährung nicht im ursprünglichen Sinn verwenden und nutzen kann. Auf alle Fälle sorgen sie für Nachfrage, da die Angebote physisch mit Bitcoin hinterlegt sein müssen.

«Diese Schweizer Anbieter tragen mehr zur Aufmerksamkeit und dem Interesse für Bitcoin bei. Weniger die Preisentwicklung. Die wird immer noch mehr von der Wall Street und dem daraus steigenden Interesse angetrieben», sagt der Relai-Manager. Die Leute würden den Bitcoin nicht kaufen wegen dem Postfinance-Angebot, sondern weil die Preise steigen.

Die Anbieter von börsengehandelten Fonds richten sich gemäss Katalin Tischhauser in erster Linie an Privatanleger, so dass sie letztlich Ausdruck der Nachfrage von Privatanlegern seien. Aber es gebe auch ein wachsendes Interesse von institutionellen Anlegern an Krypto-Anlageklasse. Dies könnte darauf hindeuten, dass institutionelle Anleger bei Kryptowährungen letztlich eine ähnliche Rolle spielen könnten wie bei traditionellen Vermögenswerten.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Blockchain Federation warnt vor Basler Krypto Standards

Die BIZ (Bank für Zahlungsausgleich) hat schon länger Pläne zur stärkeren Regulierung vom Umgang mit Kryptoanlagen gewälzt. Ende 2022 hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) einen neuen Standard zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von Krypto-basierten Vermögenswerten, die von Banken gehalten werden, verabschiedet.

In einer Pressemitteilung von dieser Woche äussert die Swiss Blockchain Federation grosse Bedenken hinsichtlich der Umsetzung des Basler Standards. Gemäss der Vereinigung stehen die vorgesehenen Risikoanforderungen in keinem Verhältnis zu den realen Risiken, die Regulierung sei nicht technologieneutral und undifferenziert, da alle Kryptoanlagen über einen Kamm geschert würden. Die Vorschläge des Basler Ausschusses seien unvereinbar mit der von der Schweiz verfolgten Blockchain-Strategie. Swiss Blockchain Federation ist der Überzeugung, dass eine vollständige Übernahme des Basler Krypto-Standards in der vorgeschlagenen Form weder politisch noch rechtlich vertretbar sei.

Die BIZ-Empfehlungen müssen noch durch die nationalen Regierungen in nationales Recht transformiert werden. Die Schweiz gehört zu den Gründungsmitgliedern des Basler Ausschusses und hat sich auf die Fahne geschrieben, dessen Standards möglichst lückenlos zu übernehmen. Der Basler Krypto-Standard soll in der Schweiz mittels Teilrevision der Eigenmittelverordnung umgesetzt werden.


Bitcoin ist wie Gold auf Speed

In den vergangenen Tagen haben sowohl Bitcoin- und Gold-Notierungen in Dollar neue Höchststände geschrieben. Obwohl auch an den Börsen Zuversicht herrscht und zahlreiche Börsen ebenfalls auf Rekordniveau notieren, scheint der Bedarf der Anleger nach «sicheren Häfen» und alternativen Wertaufbewahrungsmitteln hoch zu sein.

Doch hier hören die Gemeinsamkeiten auf. Als der Goldpreis Mitte Woche mit knapp 2150 Dollar pro Unze einen neuen Rekord schrieb, betrug das Plus seit Jahresbeginn etwas mehr als 4 Prozent. Der Bitcoin hatte bis zum Rekord über 69'000 Dollar einige Tage zuvor bereits ein Jahresplus von deutlich über 50 Prozent auf der Bilanz. Auch das Volumenwachstum der kotierten Indexfonds (ETF) läuft bei Bitcoin mit einer anderen Geschwindigkeit. Der iShares Bitcoin Trust (IBIT) von BlackRock hat in sieben Wochen ein verwaltetes Vermögen von 10 Milliarden Dollar erreicht.

Der erste amerikanische Gold-ETF, der SPDR Gold Shares (GLD), hatte für dieses Volumen nach der Lancierung im Jahr 2004 mehr als zwei Jahre gebraucht. Bereits Ende Februar sagte Eric Balchunas, ETF-Analyst beim Nachrichtendienst Bloomberg, dazu: «Der Schmerz von Gold ist der Gewinn von Bitcoin-ETF im Kampf um die Wertaufbewahrung». Er fügte hinzu, dass es nicht unmöglich sei, dass Bitcoin-ETF die Gold-ETF in weniger als zwei Jahren gemessen an den verwalteten Vermögen überholen würden.

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