Der Chef der US-Grossbank JP Morgan hätte es lieber gesehen, wenn die Credit Suisse nicht in Konkurs gegangen wäre. Wenn es ums Management von Risiken geht, sieht er vor allem den Verwaltungsrat in der Pflicht.
17. Juli 2024 • Beat Schmid

Er ist der vielleicht einflussreichste Banker der westlichen Welt. Jamie Dimon steht seit 20 Jahren an der Spitze der US-Grossbank JP Morgan. In diesen Tagen kam er in die Schweiz, um das 60-jährige Bestehen der Schweizer Niederlassung zu feiern, wo die Bank heute rund 1000 Mitarbeitende beschäftigt.

Letzten Freitag präsentierte Dimon ein glänzendes Ergebnis für das zweite Quartal: Einnahmen von 51 Milliarden Dollar und ein Gewinn von 18 Milliarden. Zum Vergleich: Die UBS, die ihre nächsten Zahlen am 14. August veröffentlichen wird, verzeichnete im ersten Quartal einen Geschäftsertrag von 12,7 Milliarden Dollar und einen Reingewinn von 1,8 Milliarden Dollar.

In einem Interview mit der Westschweizer Wirtschaftszeitung L’Agefi (Abo) erzählte er, wie er die turbulenten Tage im März 2023 erlebte. «Ich erinnere mich, dass einige Leute aus dem Büro kamen und sagten, das sei gut für JP Morgan, und ich sagte, das sei nicht wahr.» Dimon zufolge gab es kaum Alternativen zur erzwungenen Übernahme: «Ich bin mir nicht sicher, ob es viele Möglichkeiten gab, denn bei einer Bank dieser Grösse – und das haben wir bei Bear Stearns gesehen – braucht man eine andere grosse Bank, um das alles zu bewältigen.» Wer im Falle einer Pleite der UBS einspringen würde, sagte er nicht.

Viele Lehren, die man ziehen kann

Trotzdem hätte es der 68-Jährige vorgezogen, wenn die Credit Suisse nicht gescheitert wäre, meinte Dimon. Zu den Lehren aus dem Zusammenbruch sagte er: «Es wird viel über Governance geredet, aber ich glaube, dass diese Governance oft fehlgeleitet ist. Ein Verwaltungsrat muss prüfen, wie Risiken getestet werden. Ich spreche nicht von Stresstests, sondern davon, wie sie angewendet werden. Ich glaube, dass jedes Mal, wenn es ein Problem gibt, eine Analyse notwendig ist, um festzustellen, ob es ein Problem gibt.»

Als Banker ist Jamie Dimon natürlich gegen zu dicke Eigenkapitalpolster. Er sagt: «Es ist wie Autofahren oder Fliegen: Man kann das Risiko nicht ausschalten. Aber es gibt auch negative Folgen von zu viel Kapital.» Eine Bank müsse «die richtige Menge an Kapital» haben, aber es sei nicht das Kapital, das in den Krisen eine Rolle gespielt habe, sondern «die Art und Weise, wie es den Banken erlaubt war, es zu verwenden».

Laut Dimon muss eine Bank auch über genügend Liquidität verfügen, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. «Damit im Falle einer Abwicklung nicht der Steuerzahler in die Tasche greifen muss. Das Bankensystem muss für seine Probleme bezahlen», sagte er.

Der Finanzsektor solle sich auf die Risiken konzentrieren, die für die Sicherheit des Systems wirklich wichtig seien. «Was funktioniert, ist eine Kombination aus Eigenkapital, mobilisierbarem Kapital, AT1-Anleihen und Liquidität. Diese Elemente haben das Potenzial, das Problem zu lösen», sagte Dimon. Es sei an der Zeit, das gesamte System zu überprüfen und die richtigen Fragen zu stellen. «Wir brauchen ein System, in dem Banken in Konkurs gehen können.»

80 Firmenkunden in der Schweiz

Zu den Plänen von JP Morgan in der Schweiz sagte Dimon. «In den letzten 20 Jahren hat sich unser Personalbestand mehr als verdoppelt, ebenso die Zahl unserer Kunden. Wir sind uns bewusst, dass die Schweiz eine starke Volkswirtschaft mit einem sehr leistungsfähigen BIP ist. Wir haben 2021 ein neues Firmenkundengeschäft lanciert. Derzeit haben wir allein in diesem Segment rund 80 Kunden, und die Zahl steigt.»

Jamie Dimon gab auch der NZZ ein Interview. Er sei überzeugt, dass «die Schweiz einen grossen nationalen Champion haben sollte», sagte er mit Blick auf die UBS, «das würde ich wollen, wenn ich in der Regierung wäre».

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