Die Nummer 7 und 12 in der Rangliste der grössten Krypto-Währungen sind Meme-Coins. Der Doge- und der Shiba-Inu-Coin sind solche «Scherz-Währungen». Meme-Coins sind meist nur eine kurzlebige Modeerscheinung oder ein Jux. Der anfängliche Hype und die Entstehungsgeschichte basieren oft auf humorvollen oder scheinbar trivialen Konzepten. Das Fundament der Meme-Coins ist eine starke, engagierte Community, die die treibende Kraft hinter der Akzeptanz der Coins ist. Diese Kryptowährungen basieren auch auf der Blockchain, weisen aber keinen oder nur einen bescheidenen Nutzen auf.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Luzius Meisser: «Der Finanzplatz muss aufwachen»
• Microsoft-GV sagt «Nein» zu Bitcoin
Mit Blick auf die Kursperformance könnte man sagen, Scherze laufen am Kryptomarkt besser als seriöse Konzepte. Vor dem Hintergrund eines schwachen Marktes und eines schwächelnden Bitcoins im Jahr 2023 schnitten die meisten Altcoins enttäuschend ab, aber Meme-Coins erlebten einen Gegentrend und wurde zu einem der am schnellsten wachsenden Krypto-Sektoren. Viele Investoren wurden durch den Mythos «Schnell-Reich-Werden» angezogen. Der starke Wachstumstrend hielt auch 2024 an – als die etablierten Kryptowährungen ebenfalls Stärke zeigten.
Kritik als Ausgangspunkt
Der Doge-Coin, der Vater der Meme-Coins, ist im Jahr 2013 als Witz und als Kritik an Kryptowährungen von zwei Programmierern lanciert worden. Die vehementen Krypto-Kritiker wollten sich mit ihrem Coin über die Branche lustig machen. Als Logo verwendeten sie das Bild eines Hundes der Shiba-Inu-Rasse, das zu dieser Zeit das berühmteste Meme im Internet war. Doch die Fangemeinde deutete die materiellen Schwächen des «Scherz-Coins» in Stärken um.
So erhöht sich der inflationäre Token-Supply von 100 Milliarden jedes Jahr um fünf Milliarden. Die Anhänger glauben, dass der schier unerschöpfliche Token-Bestand einen wichtigen Zweck im Krypto-Space erfülle und die dezentrale Finanzwelt demokratisiere. Dank der geringen Transaktionskosten und der hohen Geschwindigkeit wird die Kryptowährung von den Supporten auch als «Bitcoin für Mikrotransaktionen» bezeichnet. Eine wichtige Unterstützung auf dem Weg zu einer der grössten Kryptowährungen war Elon Musk, der sich selbst zum «Dogefather» und zum Schutzpatron des Coins ernannte. Der Tesla-Besitzer trieb den Scherz weiter, indem er das neue Ministerium, das er in der Trump-Administration leiten wird, Department of Government Efficiency (DOGE) nannte.
Einfach ohne komplexe Modelle
Ein Grund für die Attraktivität von Meme-Coins ist die Einfachheit und Transparenz der Projekte. Meme-Coins sind oft unkompliziert. Es gibt keine komplexen Geschäftsmodelle oder versteckten Interessen, die verwirrend wirken könnten. Die Kryptowährungen sind meist frei von Venture-Capital-Finanzierungen und speziellen Allokationen, was eine faire Verteilung sicherstellt. Jeder hat dieselben Chancen, früh einzusteigen. Das starke Gemeinschaftsgefühl fördert eine positive Stimmung und lässt die Coins in den sozialen Medien viral gehen.
Die meisten Meme-Token haben keinerlei Nutzen oder Wert – und haben auch oft eine sehr kurze Lebenszeit. Andere weisen eine gewisse Funktionalität auf, die nur beschränkt genutzt wird, weil diese Arbeiten von «seriösen» Coins effizienter erledigt werden können.
Mit der steigenden Beliebtheit von Doge-Coin haben einzelne Unternehmen wie US-Basketballteams, eine Airline oder Twitch sowie GameStop begonnen, die Coins als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Im Shiba Inu-Ökosystems ermöglicht ShibaSwap einen dezentralisierten Austausch zwischen Shiba und anderen Tokens, zudem ist es möglich, die Coins zu staken und eine Belohnung zu verdienen. Ältere Meme-Cons basieren unter dem ERC-20-Standard auf der Ethereum-Blockchain und können in Ethereum-basierten Portfolios, Börsen und anderen Diensten, die ERC-20 Tokens unterstützen, integriert werden.
Meist ohne jeden Nutzen
Knapp und klar mit «Nein» antwortet der Bitcoin-Investment-Consultant Marc Steiner auf die Frage, ob es Meme-Coins gebe, die einen Wert hätten, der über den Sammel- und Spasseffekt hinausgeht. Nur leicht anders sieht es Leon Curti, Head of Research, bei Digital Asset Solutions AG. Es gebe einige Meme-Coins, die sich einen «Nutzen» auf die Fahne schreiben. Shiba Inu beispielsweise, der zweitgrösste Meme-Coin nach Marktkapitalisierung, habe vor einigen Jahren einen Klon der dezentralen Börse Uniswap eingeführt. Die Adoption dieser Apps halte sich allerdings in Grenzen. «Der Wert eines Meme-Coins leitet sich durch die Viralität und Gemeinschaft des zugrundeliegenden Memes ab. Nutzen im klassischen Sinn ist zweitrangig», erklärt Curti.
Vielfach steckt aber schlicht Betrugsabsichten hinter einem neu lancierten Coin – etwa nach dem Rug-Pull-Muster. Dabei treiben die Emittenten den Kurs eines Coins zunächst durch koordinierte Käufe künstlich in die Höhe, nur um ihre Bestände dann zum richtigen Zeitpunkt mit Gewinn abzustossen. Nicht informierte Anleger erleiden hingegen hohe Kursverluste. Ihnen wird der Teppich (Rug) unter den Füssen weggezogen (Pull). Entsprechende Fälle gab es in der Vergangenheit schon mehrfach. Zu den grössten Rug Pulls in der Krypto-Branche zählen beispielsweise OneCoin oder der Squid Game Token, angelehnt an die bekannte Netflix-Serie. Den Besitzern dieser Betrugs-Coins entstanden Verluste in Milliardenhöhe.
Anleitung zum Oralsex als Meme-Coin
Jüngst schaffte es der Hawk-Meme-Coin in die Schlagzeilen. Dieser wurde aus dem Umfeld des «Hawk-Tuah-Girl» lanciert. Diese junge Dame mit Namen Hailey Welch ist mit einer anzüglichen Anleitung zum Oralsex innert kurzer Zeit zur Netzprominenz aufgestiegen. Ein Youtube-Film mit der leicht angeheiterten Hailey Welch wurde auf Youtube millionenfach angeschaut. Die junge Dame zeigt Geschäftssinn, lancierte einen Instagram-Kanal mit mehreren Millionen Followern, betrieb einen Podcast und verkaufte Fanartikel.
Doch nach dem Launch des Hawk-Coin kam es schnell zu einer Bruchlandung. Starke Handelsbewegungen trieben die Kryptowährung rasch auf eine Marktkapitalisierung von fast 500 Millionen Dollar, doch schon 20 Minuten später war das Kursfeuerwerk vorüber und die Coins praktisch wertlos. Der Token sei eine «wirklich gute Sache», verteidigte sich Welch. Er solle Investoren ermöglichen, leichter mit ihr in Kontakt zu treten, um Vertrauen aufzubauen. Dieses Kaufargument erscheint aber ziemlich dünn.
Ein reges Kommen und Gehen
Welch versicherte zudem, dass die Coins in ihrem Besitz für ein Jahr gesperrt seien und sie diese bis dahin nicht verkaufen könne. Zudem erklärte das Hawk-Tuah-Girl, dass weder sie noch ihr Team Coins verkauft hätten. Auch habe es zum Schutz vor betrügerischen Aktivitäten hohe Gebühren beim Kauf der Tokens gegeben und Krypto-Influencer hätten zuvor keine kostenlosen Coins erhalten. Mit der Wahrheitssuche dürfte sich nun die US-Börsenaufsicht SEC beschäftigen, die mehrere Klagen von Anlegern erhalten haben soll.
Marc Steiner relativiert aber. Die bekannten Meme-Coins seien definitiv keine Rug-Pull-Modelle. «Jeden Tag kommen Tausende neuer Token auf den Markt. Über 99 Prozent davon verschwinden nach wenigen Minuten in der Irrelevanz. Da ist es durchaus üblich, dass einige Kryptowährungen lediglich den Ersteller bereichern sollten», sagt Curti. Insbesondere bei Kryptowährungen von Persönlichkeiten auf sozialen Medien, sogenannten Influencern, sei Vorsicht geboten. Diese nutzten verschiedene Maschen, um mit ihren Anhängern Geld zu verdienen.
Viele Coins, wenig Gewicht
Es gibt eine Vielzahl von Meme-Coins, viele verschwinden nach wenigen Tagen wieder. Gemessen an der Marktkapitalisierung machen alle Meme-Coins einen kleinen Teil des Krypto-Marktes aus. Steiner schätzt den Anteil auf 5 Prozent. Nur 10 Coins weisen einen Wert von mehr als einer Milliarde Dollar aus. Dahinter geht es schnell abwärts mit der Marktkapitalisierung. Das tägliche Handelsvolumen aller Kryptowährungen bewegt sich gemäss Curti im dreistelligen Milliardenbereich. Das meiste Geld setzten Händler mit den nach Marktkapitalisierung grössten digitalen Assets um. «Kryptowährungen, die mit böswilliger Absicht erschaffen wurden, dürften insgesamt weniger als 1 Prozent dieses Volumens ausmachen», fügt er an.
Vieles, was von «Krypto-Hardcore-Kritikern» der ganzen Branche vorgeworfen wird, trifft bei Meme-Coins auch tatsächlich zu. Meme-Coins werden von einer überschwänglichen Online-Community gepusht, ohne dass ein Anwendungszweck für den Coin ersichtlich ist. Das Wachstum wird von den Supportern mit allen Mitteln unterstützt, weil dies hohe Renditen verspricht. Dabei wird der Höhenflug oft zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung: Die steten Berichte über vermeintliches Potenzial und Kursavancen führt zu noch grösseren Kursavancen. Die Preisentwicklung der vieler Meme-Coins kann unter anderem hier nachgeschaut werden.
Kaum Absicherung gegen Taucher
Für Marc Steiner ist es definitiv eine Gefahr für den Marktwert von Solana, dass die überdurchschnittlichen Kursgewinne der jüngsten Zeit vor allem auf den Meme-Boom zurückzuführen sind. «Ein erheblicher Anteil des Volumens auf Solana lässt sich auf den Meme-Coin-Handel zurückführen. Dies hatte durchaus eine Auswirkung auf den Preis», erklärt auch Curti. Doch Blockchains seien grundsätzlich «anwendungsfallagnostisch». Wenn viele Blockchain-Nutzer mit Meme-Coins handeln möchten, dominiere dieser Sektor das Volumen. Sei das Publikum mehr an dezentralen Finanzanwendungen oder NFT interessiert, passe sich der Markt an. «Ethereum durchlief eine ähnliche Entwicklung vor vier Jahren», sagt Curti.
Beide Fachleute sind aber überzeugt, dass die Memes nicht aus der Branche verschwinden werden. «Das ist ein Phänomen, das zum Kryptomarkt gehört. Jeder kann alles machen», sagt Steiner. Meme-Coins seien keine Bremse für «seriöse» Krypto-Werte auf dem Weg in den Mainstream. Im Gegenteil glaubt Curti: «Wir sehen Meme-Coins als eine tokenisierte Version der digitalen Memes, die unsere Gesellschaft seit über einer Dekade begleiten. Viele heutige Krypto-Veteranen entdeckten digitale Assets erst durch den Aufstieg der Meme-Coin-Urmutter Doge-Coin». Und auch heute stolperten Millionen junger Leute erst über diese Art der Kryptowährungen in den Bereich.
Die Meme-Coins haben sich gemäss Digital-Asset-Solutions-Experte als fester Bestandteil der digitalen Assets etabliert. Die erste Scherzwährung, Doge-Coin, besteht seit bald zwölf Jahren und rangiert konstant in den Top 20 aller Kryptowährungen. Zudem wachse der Anteil der Meme-Coins am Gesamtmarkt seit einigen Jahren stetig. «Dass Internet-Memes und ihre tokenisierte Version als Meme-Coins vollständig verschwinden, ist unwahrscheinlich», sagt Curti.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Luzius Meisser: «Der Finanzplatz muss aufwachen»
In dieser Woche lud Bitcoin Suisse 2025 zur Präsentation des «Outlook 2025» nach Zug. Wenig überraschend und wie die gesamte Industrie ist der Kryptodienstleister zuversichtlich für die Aussichten von Bitcoin, Ether & Co. Weniger zuversichtlich fiel die Antwort von Verwaltungsrat und Blockchain-Pionier Luzius Meisser auf die Frage aus, wie er die Zukunft des Crypto Valley sehe. Die Schweiz sei zurückgefallen. Man habe sich auf den Lorbeeren ausgeruht. In der Region um Zug hätten sich ursprünglich viele innovative Firmen angesiedelt. Im August 2021 hat die Schweiz als eines der ersten Länder der Welt gesetzliche Regelungen für die Blockchain-Technologie in Kraft gesetzt.
Doch seither ist wenig passiert – die Innovation erfolgt mittlerweile im Ausland. Bitcoin Suisse bemüht sich um eine Lizenz in Liechtenstein, um einen Standort im MiCA-regulierten Raum zu haben. (MiCA, Markets in Crypto Assets Regulation /europäische Regulierung). Der Leiter eines grossen ausländischen Asset Managers in der Schweiz meint dazu: Die regulatorische Ausgangslage dürfte eher schwieriger werden. Mit dem Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Fall der CS dürfte auch die Finanzmarktaufsicht Finma ihr Fett wegbekommen und in Zukunft zurückhaltender und restriktiver regulieren. Erste Auswirkungen sind bereits zu sehen. In diesem Sommer publizierte die Finma die Aufsichtsmitteilung «Stablecoins: Risiken und Anforderungen für Stablecoin-Herausgebende und garantiestellende Banken». Die Auflagen gehen deutlich weiter als international übliche. Die Branche sieht so keine Chance für private Stablecoins aus der Schweiz.
Microsoft-GV sagt «Nein»
Da half auch der Auftritt des MicroStrategy-Gründers und Bitcoin-Enthuisasten Michael Saylor nichts. Den Vorschlag zur Integration von Bitcoin in das finanzielle Portfolio von Microsoft haben die Aktionäre an der Generalversammlung abgelehnt. Die Idee, die von Aktionären um das National Center for Public Policy Research (NCPPR) vorgebracht wurde, schlug vor, 1 Prozent von Microsofts Vermögenswerten in Bitcoin zu investieren. Ende März dieses Jahres wies Microsoft ein Gesamtvermögen von 484 Milliarden Dollar aus, wovon der grösste Teil in amerikanische Staats- und Unternehmensanleihen investiert ist. Eine Annahme des Traktandums wäre also deutlich mehr gewesen, als eine symbolische Unterstützung und hätte die Bitcoin-Notierung weiter angetrieben. Doch die Ablehnung kommt nicht überraschend. Das Management hatte den Antrag bereits mit der Einreichung abgelehnt. Die Volatilität von Bitcoin mache ihn als Reserve ungeeignet. An der GV folgte auch die Mehrheit der Aktionäre dieser Argumentation. Das Management erteilte ausserdem dem Vorschlag von Saylor, ein Treffen mit Microsofts CEO Satya Nadella über die Bildung eines Bitcoin-Treasury einzuberufen, eine höfliche Absage. Die Microsoft-Leitung hob die starken Unternehmensprozesse zur Verwaltung von Bargeld hervor und betonte, dass eine öffentliche Evaluierung einer Bitcoin-Investition nicht erforderlich sei.