Doomscrolling nennt man es im Englischen, wenn Börsenhändler auf ihre Bildschirme starren und von einer Hiobsbotschaft zur nächsten scrollen. In Echtzeit konnten sie vergangene Woche verfolgen, wie sich an den Weltbörsen Milliarden in Luft auflösten. Allein die Bewertungen der sieben wertvollsten Technologieunternehmen – die sogenannten Magnificent Seven (Apple, Amazon, Meta, Nvidia und Co.) – brachen um 1600 Milliarden Dollar ein. Das entspricht etwa dem gesamten Börsenwert der 20 wertvollsten Unternehmen im SMI, dem Schweizer Leitindex.
Mit dem brachialen Ausstieg der USA aus dem Welthandel, der inzwischen als eine Art «amerikanischer Brexit» beschrieben wird, steigt das Risiko, dass die USA in eine tiefe Rezession abgleiten könnten. JP Morgan erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass es wegen Trump zu einer Rezession kommt, auf 60 Prozent.
«Wir hören oft, dass sich die Weltwirtschaft erkältet, wenn die USA niesen. Diesmal niesen die USA aber nicht – sie schneiden sich selbst den Arm ab», sagte UBS-Ökonom Paul Donovan, einer der profiliertesten Kommentatoren des weltweiten Finanzgeschehens, am Freitag in seinem Podcast.
Asien auf Talfahrt
Ein Ende des Börsenmassakers ist nicht in Sicht. Pessimistische Beobachter befürchten, dass es am Montag zu einer Neuauflage des legendären «Black Monday» kommen könnte – jenes Tages im Oktober 1987, an dem der Dow Jones um 22 Prozent einbrach. Die Vorboten zeigen an, dass es nochmals runtergehen könnte. Der Shanghai Composite Index sackte kurz nach dem Handelsstart um 4,4 Prozent auf 3342 Zähler ab. Der Hongkonger Hang Seng Index gab zunächst sogar um 9,3 Prozent auf 20’730 Punkte nach. Die Börse in Tokio sackte in den ersten 20 Handelsminuten 8,15 Prozent ab.
Eine Gefahr geht von Hedgefonds aus, die unter gewaltigem Druck stehen. Sie sind mit geliehenem Geld waghalsige Wetten eingegangen und sehen sich jetzt mit sogenannten Margin Calls konfrontiert. Das heisst, die Banken verlangen mehr Sicherheiten für die Investments. Wenn die Hedgefonds diese nicht bringen können, werden die Positionen liquidiert und die Talfahrt an den Börsen wird damit weiter beschleunigt.
Franken legt zu
Wie so oft in Krisenzeiten zeigt sich der Schweizer Franken als stabil. Der Dollar verlor gegenüber dem Franken und auch dem Euro letzte Woche massiv an Wert und dürfte weiter fallen – was vermutlich auch eine bewusste Strategie von Donald Trump ist. Wer jedoch in der Schweizer Landeswährung investiert ist – selbst in Aktien –, ist also weniger stark betroffen als jemand, der stark in US-Titeln exponiert ist. Am Montag flüchteten Anleger in den Yen und den Franken. Der Druck in den Schweizer Franken scheint erst gerade begonnen zu haben.
Am wenigsten verloren sogenannte defensive Werte wie das Börsenschwergewicht Nestlé, das in den letzten fünf Tagen nur drei Prozent verloren hat. Auch Swisscom legte sogar um ein Prozent zu – als eine der ganz wenigen Firmen. Deutlich härter traf es hingegen Handelsdienstleister wie DKSH, deren Geschäftsmodell stark vom globalisierten Handel abhängt. Sie wurden mit einem Abschlag von über 18 Prozent regelrecht abgestraft.
Gold, Silber – whatever
«Ich glaube, man muss in der Schwäche reale Vermögenswerte kaufen. Es geht nicht mehr darum, Geld zu verdienen, sondern den Schaden zu begrenzen», sagt ein Portfoliomanager. Konkret heisst das, Gold, Silber, Kupfer und andere Rohstoffe kaufen. Gerade Gold gilt seit Jahrhunderten als sicherer Hafen. Auch heute noch greifen Anleger in unsicheren Zeiten, geopolitischer Spannungen oder hoher Inflation zu dem Edelmetall.
Sicherer ist nur noch das Sparkonto. «Cash is King» lautet ein altes Sprichwort, das plötzlich wieder in aller Munde ist. Immer wenn es an den Börsen kracht, flüchten Anleger in Liquidität. Wer über ausreichend liquide Mittel verfügt, bleibt handlungsfähig – und das ist in turbulenten Phasen von unschätzbarem Wert.