Geldpolitik
SNB-Präsident Thomas Jordan sollte einlenken und die Bilanz der Nationalbank entkarbonisieren. Sich dagegen zu wehren, ist nicht klug. Die Notenbank steht vor viel grösseren Herausforderungen.
17. März 2022 • Beat Schmid

Gestern reichten grüne Gruppieren eine Petition mit 12'500 Unterschriften ein. Sie fordern, eine “klimafreundliche Person” an die Spitze der Nationalbank zu wählen, wenn Vize Fritz Zurbrügg Mitte Jahr zurücktritt. “Ich bin 23 Jahre alt und muss die Führung der Schweizerischen Nationalbank dennoch an ihre Pflichten erinnern”, sagte Myriam Grosse, Mitglied der Organisationen BreakFree und Klimastreik. “Die Nationalbank muss ihre Geldflüsse am Pariser Klimaabkommen ausrichten, wie es dieses verlangt.”

Ein Dorn im Auge ist der Kritikerin, dass die Nationalbank mit ihrer Bilanz im Volumen von über 1000 Milliarden auch in Unternehmen aus dem fossilen Energiesektor investiert. So ist sie mit einem Volumen von total fünf Milliarden Dollar an Firmen wie Chevron oder ExxonMobil beteiligt. Damit, so schätzen die Initianten, würde die Nationalbank so viel CO₂ ausstossen wie die ganze Schweiz.

Ende 2020 war Schluss mit Kohle

Die Führungsriege der Nationalbank hat grosse Mühe mit politischer Einflussnahme auf ihre Anlagepolitik. Halbherzig und nach langem Zögern rang sie sich Ende 2020 durch, sich von Anlagen in Kohleunternehmen zu trennen. «In der Schweiz hat sich über die letzten Jahre ein breiter Konsens für den Kohleausstieg herausgebildet», begründete SNB-Präsident Thomas Jordan damals den Beschluss.

Sich aber ganz von fossilen Brennstoffen zu trennen, ist für Jordan kein Thema. Er verweist gerne auf den Strukturwandel, der das Portfolio in den letzten Jahren ohnehin stark verändert habe. Der Anteil fossiler Energien in den globalen Aktienindizes sei in den letzten 10 Jahren von 11 auf 3 Prozent gesunken. Zudem sei es der Auftrag der Nationalbank, bei den Anlagen möglichst neutral zu sein, sagte er in einem Interview.

Das mag sein. Aber in Artikel 2 der Bundesverfassung erklärt die Schweiz die nachhaltige Entwicklung zu ihrem Staatsziel. Die Eidgenossenschaft hat das Pariser Klimaabkommen unterschrieben und sich verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Alle grösseren Unternehmen müssen ab 2023 per Gesetz belegen können, wie sie ihre CO₂-Emissionen senken werden. Viele Banken haben sich der Net-Zero-Alliance angeschlossen und sich gemeinsam verpflichtet, bis spätestens 2050 ihr gesamtes Kredit- und Investment-Portfolio auf Netto-Null zu senken.

Die SNB legt die Hände in den Schoss – das kann es nicht sein

Während die Privatwirtschaft vorwärtsmacht, legt die Nationalbank die Hände in den Schoss. Sie glaubt, ihre überdimensionierte Bilanz stehe ausserhalb der Verfassung. Das ist falsch.

Ihre Sturheit in Klimafragen kann die Nationalbank getrost ablegen. Sie sollte ihre Energien ohnehin für anderes verwenden. Denn auf das Institut kommen viel grössere Herausforderungen zu. Sie muss Antworten und Szenarien für mögliche Grossbedrohungen entwickeln: Wie etwa weltweit steigende Zinsen, eine galoppierende Inflation, ein immer stärker werdender Franken, eine drohende, scharfe Rezession, ein kollabierender Schweizer Immobilienmarkt – und Finanzpolitiker, die immer mehr Geld verlangen.

Sich von Öl- und Gasaktien zu verabschieden, oder sich zumindest einen Plan zurechtzulegen, bis wann man dieses Ziel erreichen möchte, ist das kleinste Problem, das SNB-Präsident Thomas Jordan und seine Führungsequipe hat.