Der Blick auf die steigenden Zinskurven kann einem die gute Laune verderben. Der 10-jährige Swap-Satz liegt aktuell bei 0,88 Prozent – mit der Marge der Banken obendrauf, müssen Eigenheimbesitzer zwischen 1,8 und 2,2 Prozent bezahlen. Zuletzt lag der Zins vor neun Jahren auf diesem Niveau. Wer wenigen bezahlen will, dem bieten sich grüne Hypotheken an. Je nach Bank liegen die Zinsen um 0,25 bis 0,8 Prozent unter den Standardsätzen. Grüne Hypotheken seien das Megathema für 2022, heisst es bei der Vermittlungsplattform Moneypark.
Das Problem ist: Es fehlt schlicht das Angebot von Häusern und Wohnungen, welche die strengen Vorgaben erfüllen, die an die Rabatte geknüpft sind. Der Minergie-Standard ist typischerweise eine Bedingung, die von den Banken verlangt wird. Doch davon gibt es nur wenige Immobilien auf dem Markt. Auf der Immobiliensuchplattform Homegate zum Beispiel sind aktuell 22’000 Immobilien in der Schweiz zum Kauf ausgeschrieben, doch lediglich 1005 davon sind als Minergie-Objekte in der Datenbank erfasst.
Ein Wirrwarr mit Zertifikaten
Der Hypothekenvermittler Moneypark hat in einer Auswertung erhoben, welche Zertifikate von den Banken verlangt werden. Neben Minergie sind dies GEAK (Gebäudeausweis der Kantone), “2000-Watt-Areal” oder “Passivhaus nach Dr. Feist”.
Diese Bestimmungen können es für Eigenheimbesitzer recht kompliziert machen, einen Rabatt zu bekommen. Gemäss Stefan Meyner, Leiter Research bei Moneypark, sind diese Einschränkungen der Grund, warum derzeit noch recht wenige grüne Hypotheken vergeben werden. Es gebe keine genauen Angaben zum gewährten Volumen an grünen Hypotheken, doch der Anteil dürfte in einem einstelligen Prozentbereich liegen, schätzt Meyner. In einer kürzlich von Moneypark durchgeführten repräsentativen Umfrage gaben sieben Prozent an, eine "grüne Hypothek" mit einem Zinsabschlag erhalten zu haben.
“Wir gehen davon aus, dass sich in den nächsten Monaten ein starker Anstieg zeigen wird”, sagt er. Entscheidend für die Marktdurchdringung sei jedoch die Ausgestaltung der Produktangebote. Dabei sollte die “Erfüllbarkeit der Anforderungen möglichst unabhängig von Zertifikaten und Energieetiketten sein”, so Meyner.
Das würde heissen, dass die Qualifikation des finanzierten Objektes aufgrund von bereits vorliegenden Schätzungsdaten ermittelt werden kann. Die Migros Bank geht mit ihren Hypothekensätzen bereits in diese Richtung. So gibt sie generell einen Rabatt von 0,15 Prozent, wenn die Immobilie nach 2017 erstellt wurde.
Grüne Hypotheken als reines Marketinginstrument?
Angesichts der steigenden Kosten von Öl und Gas wird der Druck auf Eigenheimbesitzer ohnehin immer grösser, ihre Liegenschaften zu erneuern. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gebe es einen “Run” auf Wärmepumpen, schrieb kürzlich der "Blick". Die Auftragsbücher des Schweizer Wärmepumpenproduzenten CTA seien voll.
Wenn die Immobilienbesitzer aufgrund der Entwicklung auf den Energiemärkten ihre Heizungen so oder so ersetzen, stellt sich die Frage, warum die Banken dafür extra Rabatte gewähren sollen. Warum sie es trotzdem tun, könnte zumindest teilweise die wahren Gründe entlarven: Gewisse Banken bieten grüne Hypotheken als Marketingüberlegungen an, um Neukunden zu gewinnen.
Angesichts der kaum verfügbaren Minergie-Immobilien liegt das grösste Potenzial von grünen Hypotheken bei Sanierungen und Renovationen von älteren Liegenschaften. Gemäss dem Bundesamt für Energie sind mehr als eine Million Häuser in der Schweiz energetisch “dringend sanierungsbedürftig”. Die Mehrheit davon ist älter als 20 Jahre – davon viele, die noch mit fossilen Brennstoffen beheizt werden.
Die meisten Banken vergeben vergünstigte Hypotheken für solche Umbauten. Attraktiv ist das Angebot der Zürcher Kantonalbank, die einen Rabatt für Umbauten von bis zu 0,8 Prozent während einer Laufzeit von maximal fünf Jahren gewährt. Wer eine Altliegenschaft kauft und gewillt ist, diese energetisch zu modernisieren, kann also profitieren.