Seit dem ersten April ist Emma Crystal in einer neuen Rolle bei der Credit Suisse. Als Chief Sustainability Officer ist sie bei der Grossbank für Nachhaltigkeitsthemen verantwortlich. Zum Start ihrer neuen Aufgabe hat die Bankerin, die eng mit Wealth-Management-Chef Francesco De Ferrari zusammenarbeitet, auf der Social-Media-Plattform Linkedin 37-Sekunden-Clip aufgeschaltet. Sie sei stolz darauf, sagt sie, wie die CS dem Thema Nachhaltigkeit begegne. Das Video zeigt auch Filmsequenzen mit Meeresschildkröten – es sind die gleichen Bilder, welche die Bank nutzt, um für nachhaltiges Anlegen zu werben.
Allerdings, die Schildkröten-Sujets haben bisher zum Teil negative Reaktionen ausgelöst. Mehrere Artikel sind dazu in Schweizer Medien erschienen. Der Vorwurf: Die CS mache übertriebene ESG-Versprechungen. Auch auf Linkedin fallen die Kommentare mehrheitlich negativ aus. Wenn er sich das Nachhaltigkeitsangebot der Credit Suisse ansehe, komme er zur Überzeugung, dass eine Investition in eines dieser Produkte nicht eine einzige Meeresschildkröte retten werde, schreibt ein Nutzer. Das sei klassisches Greenwashing.
“Aber in Russland Geschäfte zu machen, ist dann ok”
Ein anderer zitiert ein Ranking der Yale University zum Verhalten von Unternehmen im Ukraine-Krieg. Die CS lande auf einem der hintersten Plätze, zusammen mit Geberit, die ebenfalls noch in Russland aktiv sei. In die gleiche Kerbe haut auch ein anderer Nutzer: “Wenn man nach China umzieht, wird einem das Konto gekündigt, doch in Russland weiterhin Geschäfte machen, ist dann ok...” Ein anderer wiederum appelliert an die Grossbank, endlich aus der Finanzierung von fossilen Energien auszusteigen.
Dass die Reaktionen auf der Social-Media-Plattform derart kritisch ausfallen, ist erstaunlich. Linkedin gilt eigentlich als unkritischer Wohlfühlkanal, wo selbst die naivsten PR-Botschaften mit Applaus und Likes und Smilies bedacht werden. Doch mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat sich der Ton merklich verschärft.
Die CS entgegnet den Kritikern: “Wir arbeiten mit hochinnovativen, disruptiven Firmen zusammen, um die Verschmutzung der Meere zu bekämpfen, indem wir Kunststoffe durch Materialien ersetzen, die die Natur abbauen kann”, heisst es in einer Antwort. Die CS biete eine Reihe nachhaltiger und wirkungsvoller Produkte an, die auf den Schutz der Meere und unserer Ressourcen abzielen, darunter den Credit Suisse Rockefeller Ocean Engagement Fund. Die Bank wolle einen “positiven Wandel herbeiführen und eine ökologisch nachhaltigere Wirtschaft” ermöglichen. “Uns ist bewusst, dass wir nicht perfekt sind. Aber wir arbeiten daran”, endet das Statement eines nicht namentlich genannten Autors.
Wie passen Schildkröten zum Kohlegeschäft?
Solche Aussagen, so scheint es, machen alles nur noch schlimmer. Der aggressive Sustainability-Push der CS ist Branchenvertretern schon seit einiger Zeit ein Dorn um Auge. “Dass ausgerechnet die Credit Suisse derart vehement auf die Nachhaltigkeits-Tube drückt, ist angesichts ihres nach wie vor grossen Kohlegeschäfts schon ein starkes Stück”, sagt ein Vertreter. Auch innerhalb der Bank ist der Kurs umstritten. Gemäss zwei unabhängigen Quellen habe es bereits Demarchen von der Bankiervereinigung gegeben, die Bank solle in der Kommunikation einen Gang tiefer schalten.
Die Ermahnungen sind nicht ganz uneigennützig. Die Banken stehen wegen Greenwashing unter Generalverdacht. Seit Monaten macht die Politik in Bern Druck auf die Finanzinstitute, in dieser Sache vorwärts zu machen. Banken und Vermögensverwalter hoffen darauf, die Problematik im Rahmen einer Selbstregulierung in den Griff zu bekommen. Aggressive Kampagnen wie die der Credit Suisse helfen dabei wenig. Es wird befürchtet, dass Finanzminister Ueli Maurer das Heft in die Hand nehmen könnte. Dann, so wird gemunkelt, könnten härtere Regeln kommen, als der Branche lieb ist.