600 Millionen Franken fliesst dem ETH-Spin-off Climeworks im Rahmen einer Finanzierungsrunde zu. Das Kapital stammt von einem halben Dutzend Investoren – es dürfte die höchste Summe sein, die je in ein Schweizer Jungunternehmen eingeschossen worden ist. Gegründet wurde die Firma von den beiden ETH-Absolventen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher. ETH-Präsident Joël Mesot war einer der ersten, der den beiden auf Twitter gratulierte: "This is impact! Kudos to the founders!"
Zu den Investoren gehören das Zuger Private-Equity-Unternehmen Partners Group und der Singapurer Staatsfonds GIC. Weitere Investoren sind Baillie Gifford, Carbon Removal Partners, Global Founders Capital, John Doerr, M&G und Swiss Re. Zusätzlich sollen auch bestehende Aktionäre mitgemacht haben. Zu den früheren Investoren gehören unter anderem die Zürcher Kantonalbank. Ankerinvestor ist die BigPoint Holding AG des Amag-Erben Martin Haefner.
Auch für sprudelndes Mineralwasser geeignet
Mit dem frischen Kapital will Climeworks ihre Technik zur CO₂-Entnahme erstmals im industriellen Stil anwenden. Das Unternehmen setzt auf die sogenannte Direct-Air-Capture-Methode (DAC). Die Anlagen gleichen Lüftungsventilatoren, wobei ein Filter das Kohlendioxid aus der Luft zieht. Das Gas wird dann auf 100 Grad erhitzt und mit Unterdruck aus den Kollektoren gesaugt. Das CO₂ kann dann als Kohlensäure verkauft werden, um beispielsweise sprudelndes Mineralwasser zu produzieren (Valser Wasser kauft bei Climeworks ein). Das Kohlendioxid kann aber auch unterirdisch eingelagert werden, um es vollständig aus der Atmosphäre zu entziehen, was der eigentliche Zweck ist.
Nachdem Climeworks in Hinwil ZH einen ersten grösseren Prototyp gebaut hatte, startete das Unternehmen in Island letzten Herbst eine erste grössere Pilotanlage, die jährlich 4000 Tonnen Klimagase ausfiltert und tief im Gestein einlagert. Die Menge entspricht etwa dem durchschnittlichen CO₂-Verbrauch von 600 Personen pro Jahr. Gemäss Klimaforschern gelten CO₂-Entnahmetechniken inzwischen als wichtige Werkzeuge, um das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreichen zu können. Wissenschaftler schätzen das Potenzial in den nächsten Jahrzehnten auf 30 bis 750 Milliarden Tonnen CO₂.
Das Unternehmen muss also enorm schnell wachsen, um einen signifikanten Einfluss auf das Klima haben zu können. Es wird das frische Kapital nutzen, um weitere Anlagen zu bauen. In den nächsten drei Jahren soll eine Anlage mit einer Kapazität von 40’000 Tonnen entstehen. Bis 2035 soll die Technik in die Massenproduktion gehen. Das Zürcher Unternehmen gilt als einer der wichtigsten DAC-Anbieter in Europa.
Grösster Kritikpunkt ist der Preis
Eine der grössten Schwach- und Kritikpunkte der Climeworks-Technik ist der Preis. Pro Tonne entstehen derzeit Kosten in der Höhe von 600 Dollar. Analog zu Solar- und Windkraftanlagen gehen die Promotoren der DAC-Technik davon aus, dass die Kosten in den nächsten Jahren sinken werden. Sie peilen einen Preis von 150 Dollar in den nächsten 10 bis 12 Jahren an. Doch ob sich die Technik durchsetzen wird, ist noch nicht klar. Forscher tüfteln auch an anderen Methoden. Die einfachste und billigste Methode zur CO₂-Entnahme ist die Aufforstung.
Einen Boost erwarten Anbieter wie Climeworks von Unternehmen, die ihren CO₂-Ausstoss nicht mehr nur einfach senken wollen, sondern unter null drücken wollen. Microsoft etwa hat schon vor zwei Jahren angekündigt, bis 2030 “Carbon-negativ” zu werden. Kunden wie Swiss Re, Microsoft und Boston Consulting sollen sich Kapazitäten bei Climeworks gesichert haben.
Ob und wann Climeworks mit ihrer Technik Geld verdienen wird, ist schwer vorauszusagen. Das Geschäft ist enorm kapitalintensiv, dazu kommen Unsicherheiten zum Nutzen und zur Praktikabilität. Mit einer Finanzierung von 600 Millionen Franken würde ein "normales" Startup auf eine Kapitalisierung von mehreren Milliarden kommen. Bei Climeworks lassen sich dazu kaum Aussagen machen. Auch ob es für den Status eines Unicorns reicht, ist unklar. So werden Jungfirmen bezeichnet, die auf eine Bewertung von über einer Milliarde Dollar kommen. In früheren Runden nahm die Firma rund 120 Millionen Franken auf. Das Unternehmen mit Sitz in Zürich-Oerlikon macht zur neuen Bewertung keine Angaben. Unbekannt ist auch, wie viel Prozent die beiden Gründer noch halten.