Governance
Der Anteil der Unternehmen, die ESG-Kriterien in ihren variablen Vergütungen anwenden, hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Allerdings fallen sie kaum ins Gewicht.
14. April 2022 • Beat Schmid

Börsenkotierte Schweizer Unternehmen richten variable Vergütungen zunehmend an ESG-Zielen aus. Das geht aus einer Analyse der 100 grössten Schweizer Firmen des Beratungsunternehmens Swipra hervor. Gemäss der Erhebung hat sich der Anteil der Vergütungssysteme, die explizit ein ESG-Ziel formulieren, gegenüber dem Vorjahr auf 48 Prozent verdoppelt. Die Firmen würden damit zunehmend den Erwartungen des Kapitalmarkts nachkommen, schreibt Swipra.

Wenn die ESG-Ziele im Lohn Niederschlag finden, dann werden diese in neun von zehn Fällen im Bonus reflektiert, wobei sie mit fünf bis zehn Prozent gewichtet werden. “Es bleibt jedoch oftmals noch unklar, wie die ESG-Ziele definiert werden und wie die effektive Leistung diesbezüglich gemessen wird”, sagt Christoph Wenk Bernasconi, der die Analyse durchgeführt hat.

Nur wenige Unternehmen würden eine eigentliche ESG-Kennzahl definieren. Stattdessen fliesse ESG als Teil der individuellen Ziele in die Leistungsevaluation ein. Oder anders gesagt: Sie sind Teil der Softfaktoren und daher kaum überprüfbar. Holcim sei eines der wenigen Unternehmen, das die Boni an harte Reduktionsziele knüpft, sagt Wenk Bernasconi.

Unklarheit über nicht-finanzielle Offenlegungsstandards

Welche ESG-Ziele die Unternehmen verfolgen und wie sie sie umsetzen, wird zu einem immer wichtigeren Thema zwischen Aktionären und Unternehmen. Hinzu kommen neue gesetzliche Bestimmen, die grössere Schweizer Firmen bereits in zwei Jahren verpflichten werden, ihren Aktionären Berichte über nicht-finanzielle Belange vorzulegen. Tippinpoint berichtete.

Noch sei es unklar, welche Rapportierungsstandards sich durchsetzen werden, heisst es bei Swipra. Das Beratungsunternehmen spricht in diesem Zusammenhang von einer “regulatorischen Unsicherheit". Noch sei unklar, welcher Standard in der Schweiz sich durchsetzen werden. Die Vernehmlassung des Bundes zu TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) läuft derzeit noch. “Aufgrund des engen Zeitplans wäre eine zeitgerechte und vor allem mit dem Markt abgestimmte Entscheidung des Regulators wichtig”, schreibt die Swipra.

Investoren setzen Frauenanteil von 30 Prozent durch

Auch die Diversität werde in Zukunft ein wichtiges Thema bleiben. Investoren würden sich zunehmend nicht mehr an nationalen Mindestvorgaben orientieren, sondern internationale «Best Practice» einfordern, sagte Swipra-Geschäftsführerin Barbara Heller. Stimmrechtsvertreter wie ISS hätten eine klare Grenze bei einem Frauenanteil von 30 Prozent gesetzt. Liege ein Unternehmen knapp darunter, werde gegen den Verwaltungsrat gestimmt.

Swiss Re muss dies vor ein paar Wochen erfahren. Die US-Stimmrechtsvertreterin ISS kündigte an, Sergio Ermotti an der anstehenden Generalversammlung nicht mehr wählen zu wollen. Der Grund: Der Frauenanteil im Gremium liegt bei 23 Prozent. Damit verstösst der Rückversicherer nicht gegen Schweizer Gesetze, doch für ISS ist der Frauenanteil zu tief.

An der gestrigen Generalversammlung wurde Ermotti trotzdem im Amt bestätigt. Swiss Re teilte im Nachgang der Versammlung mit, dass sich der Verwaltungsrat formell verpflichtet habe, den Frauenanteil im Verwaltungsrat bis zur Generalversammlung 2023 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Um diese Schwelle zu erreichen, muss ein Mann aus dem obersten Leitungsgremium austreten und eine Frau neu reingewählt werden.

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