Klimastreit
Nachdem die Hälfte der grossen Versicherer die Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) verlassen hat, sollen nun die Regeln gelockert werden. Doch daran gibt es Kritik.
5. Juli 2023 • Beat Schmid

Die US-Klimaallianz der Versicherer leidet unter einem dramatischen Gewichtsverlust. Von den einst über 30 Versicherern, die der Allianz beigetreten waren, ist inzwischen mehr als die Hälfte wieder ausgetreten – darunter auch die beiden Schweizer Versicherungskonzerne Swiss Re und Zurich.

Um den Exodus zu stoppen oder ehemalige Mitglieder zurückzuholen, sollen die Kriterien gelockert werden. Unter anderem soll die Sechsmonatsfrist für die Veröffentlichung der Treibhausgas-Emissionsziele wieder abgeschafft werden.

Zum grossen Exodus kam es, als die Generalstaatsanwälte von 23 republikanisch dominierten US-Bundesstaaten am 15. Mai einen Brief verschickten, in dem sie Informationen über die Mitgliedschaft der Versicherer verlangten und mit rechtlichen Schritten drohten.

Die Staatsanwälte argumentierten, dass die Anforderungen der NZIA an ihre Mitglieder, Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu veröffentlichen und einzuhalten, gegen US-Kartellrecht verstossen könnten. Ausserdem glauben sie, dass die von der Allianz initiierten Veränderungen zu einem Kostenschub geführt hätten.

Geschrumpft auf 12 Mitglieder

Die NZIA wurde 2021 im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Glasgow ins Leben gerufen. Gemeinsames Ziel der angeschlossenen Versicherer ist es, bis 2050 Netto-Null-Emissionen in ihren Versicherungsportfolios zu erreichen. Die NZIA ist eine von insgesamt 8 Branchenorganisationen unter dem Dach der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ).

Die NZIA hat derzeit noch 12 Mitglieder. Auch Mitglieder anderer GFANZ-Allianzen haben sich dem politischen Druck aus den USA gebeugt und sind ausgetreten. Unter anderem haben mehrere grosse Asset-Manager der entsprechenden Sub-Allianz den Rücken gekehrt.

Der eigentliche Kern des Problems bei den Versicherern sind die in den letzten Monaten eingeführten Verschärfungen. Das im Januar veröffentlichte Zielprotokoll der NZIA verlangt von ihren Mitgliedern, ihre CO₂-Reduktionsziele bis 2030 bis Ende Juli oder innerhalb von sechs Monaten nach Beitritt zu veröffentlichen und danach jährlich über den Fortschritt zu berichten.

Es wird nun befürchtet, dass den Versicherern wettbewerbswidrige Absprachen vorgeworfen werden könnten, wenn sie ihre Ziele gleichzeitig veröffentlichen.

«Die Ziele sind das Einzige, was bleibt»

Die Lockerung der NZIA-Bestimmungen ist nicht unumstritten. Umweltorganisationen sind ohnehin der Meinung, dass die Versicherer schon jetzt zu wenig tun, um die Emissionen zu reduzieren.

«Die NZIA hatte zu Beginn sehr niedrige Anforderungen und Erwartungen an die Mitgliedschaft», sagt Peter Bosshard, Koordinator der Kampagne «Insure our Future» gegenüber Reuters. Sie seien auch heute noch weniger streng als etwa die der Net Zero Asset Owners Alliance. «Die Ziele sind das Einzige, was bleibt», fügte er hinzu. Ohne sie würde die NZIA nur zu einem weiteren Gesprächspartner der Industrie werden.

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