Im August 2024 ist der in San Francisco ansässige Krypto-Vermögensverwalter mit der Übernahme der Krypto-Investmentfirma ETC Group in den europäischen Markt eingetreten. Die in Frankfurt ansässige Wertpapieremittentin, heute Bitwise Europe GmbH, mit Hauptniederlassung in London besitzt ein Produktportfolio von zurzeit elf börsengehandelten Krypto-Produkten (ETP), darunter zwei Bitcoin-ETP, mehrere Staking-ETP und ein MSCI-Digital-Assets-Index-ETP. Das verwaltete Vermögen von ETC belief sich damals auf 1 Milliarde Dollar. Bitwise gab zu diesem Zeitpunkt an 4,5 Milliarden Dollar zu verwalten.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Polygon ist falsch abgebogen
• Unglaubliche Profitabilität von Tether
Der Mutterkonzern fokussiert sich auf Krypto Indexfonds und ETF und bietet Produkte für Bitcoin, Ethereum und Mischformen an. Zudem wurde der US-Börsenaufsicht SEC ein Antrag für einen Solana- und ein Doge-ETF gestellt. Bradley Duke leitet den europäischen Arm von Bitwise, vor der Fusion stand er mehr als sechs Jahre an der Spitze der ETC Group. Duke hat den grössten Teil seiner Karriere im Finanzdienstleistungssektor, als Investmentbanker sowie in jungen Technologieunternehmen verbracht. Er ist zudem Mitgründer der London Blockchain Foundation. Mit tippinpoint spricht Duke über die jüngsten Entwicklungen in der Kryptobranche und welche Rolle Bitwise in Europa spielen will.
Herr Duke, die Kryptowelt war nach der Amtseinführung von Donald Trump in freudiger Erwartung. Wurde zu viel erhofft?
Es wird viel von der Trump-Administration erwartet, weil sie einen anderen Ansatz als die Vorgängerregierung verfolgt. Es wird zu grundlegenden Veränderungen kommen. An entscheidenden Stellen sind nun Personen, die sowohl die traditionellen Finanzmärkte als auch Krypto verstehen und die Idee mögen, dass niemand, wie im Falle von Bitcoin, die Währung kontrolliert und die Geldmenge sich nicht ausdehnen lässt. Die positiven Aspekte der Kryptowährung werden in den Vordergrund gestellt und gefördert, während die Biden-Administration ein antagonistisches Vorgehen bevorzugte und auf eine ‘Regulierung über Durchsetzung’ setzte. Zahlreiche Krypto-Dienstleister, die versuchten, den bestehenden gesetzlichen Richtlinien zu folgen, wurden verklagt. Die SEC konzentrierte sich darauf, dem Publikum über ETF einen traditionellen Zugang zu Krypto-Anlagen zu ermöglichen. Für viele Anleger und Krypto-Dienstleister war dies keine attraktive Umgebung, um Wert zu generieren. Die neue Regierung will die problematische Beziehung zwischen Gesetzgeber und Industrie normalisieren. Der Inhalt der Executive Orders von Trump geht weiter, als viele Krypto-Vertreter zu hoffen gewagt haben. Sie müssen aber noch ratifiziert werden.
In den ersten Tagen hat man nun gesehen, dass Trump oft mit dem Vorschlaghammer regiert. Gibt es daher auch negative Entwicklungen für Krypto?
Trump hat eine spezielle Vorgehensweise, die vielen Europäern fremd vorkommen dürfte. Aber dabei geht es vor allem um Aussen- und Handelspolitik. Der US-Präsident setzt maximalen Druck auf und stellt horrende Forderungen, wartet auf Zugeständnisse und nimmt das als Verhandlungsgrundlage. Krypto wird aber keinem Land explizit zugeordnet, so ist hier der Ablauf anders.
Hat die Trump-Familie mit ihren Meme-Coins, die kurz vor der Amtsübernahme lanciert wurden, die Unterstützung der Kryptoindustrie überstrapaziert?
Auch in der Krypto-Community und unter grossen Trump-Supportern waren viele von der Ausgabe von Meme-Coins durch das Umfeld des Präsidenten enttäuscht, da sie das als Untergrabung des Wertes von Kryptowährungen betrachteten. Jeder kann innerhalb von einer Stunde einen Meme-Coin aufsetzen, das kreiert in der Regel aber Null Wert. Vor allem die Celebrity-Coins sind meist ohne Sinn und Zweck.
Bitwise hat einen Antrag für einen Doge-ETF eingereicht, testet ihr Unternehmen wie weit die SEC gehen wird oder sehen Sie grosses Potenzial?
Man kann nicht alle Meme-Coins in den gleichen Topf werfen. Die Meme-Kultur spielt mittlerweile eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, man könnte die Coins als das soziale Element der Kryptowährung ansehen. Der Doge-Coin hat sich schon lange etabliert, wird gut geführt und ist im Spenden-Business wichtig. Der Doge ist älter als Ethereum und wertmässig unter die zehn grössten Kryptowährungen aufgestiegen. Niemand weiss, wann und welche Coins das SEC für Anlageprodukte zulassen wird. Es war aber sicher kein Test, wir sehen hier viel Geschäftspotenzial.
Was sind die Treiber der Krypto-Industrie und von Bitcoin in diesem Jahr - es gibt kein Halving und der anfängliche ETF-Boom scheint vorüber zu sein?
Rückenwind wird die Branche insbesondere vom angemessenen und unterstützenden Regulierungsrahmen erhalten, der von der Trump-Administration erwartet wird. So ist die Branche froh, dass ein Gesetzesrahmen für Stablecoins aufgesetzt wird. Der Bitcoin bleibt der Treiber der Industrie – nach zwei Jahren mit Avancen von über 100 Prozent, erwarten wir 2025 ein noch besseres Jahr. Unsere Analyse hat gezeigt, dass ein Halving lange nachwirkt – die grösste Wirkung zeigt sich bis 400 bis 500 Tage nach dem Halving-Prozess. Es wird zudem auf den ersten Blick klar, dass ein Angebotsüberhang herrscht. Die Daten zeigen, die Verbreitung von Bitcoin steigt, die Investoren halten die Coins und verkaufen nicht. Allein die ETF-Industrie in den USA hat bereits in 2025 drei Mal so viele Bitcoins nachgefragt, wie insgesamt im Januar dieses Jahres neu auf den Markt gekommen sind. Zudem kommen als zusätzliche Nachfrager noch Institutionelle Anleger hinzu sowie Unternehmen wie MicroStrategy – die ihre Cash-Bestände diversifizieren – und schon bald Staaten mit strategischen Reserven. Gegenwind erhält der Bitcoin vom starken Dollar. Denn das ist gleichbedeutend mit einer restriktiven Geldpolitik. Das weitaus wichtigste Währungspaar ist Bitcoin/Dollar. Wird die Geldmenge jeweils ausgedehnt ist das unterstützend für Kryptowährungen wie Bitcoin & Co.
Werden wir den Bitwise Solana ETF in den kommenden Monaten auf den Märkten sehen?
Ja, das dürften die nächsten Krypto-ETF sein, die in den Vereinigten Staaten eine Zulassung erhalten werden. Die Beliebtheit ist hoch und jüngst stark gestiegen. Wenn der Rahmen von der SEC einmal gesetzt sein wird, erwarte ich eine Flut von neuen Produkten. Anleger können in Europa bereits ETP auf Solana über die Deutsche Börse Xetra erwerben, mit, oder auch ohne Staking.
Bitwise setzt in den USA auf ETF, ETC Group auf ETP – wie positioniert sich das fusionierte Unternehmen?
Unsere Unternehmen verfolgten bereits vor der Fusion eine einheitliche Strategie: Bitwise in den USA, ETC Group in Europa. Allerdings mussten wir uns stets an die jeweiligen regulatorischen Rahmenbedingungen anpassen – und das bleibt auch weiterhin so. Die ETC Group war einer der führenden Anbieter von Krypto-ETP in Europa, und das wird sich unter der Marke Bitwise nicht ändern. Gemäss der OAGW-Regulierung sind Krypto-ETF in Europa nicht zulässig. Dennoch ähneln ETP in ihrer Funktionsweise stark ETF – und bieten sogar einige Vorteile: So sind beispielsweise sämtliche Bitwise-Produkte in Europa, ähnlich wie bestimmte Gold-ETP in Deutschland, beim zentralen Wertpapierregister so klassifiziert, dass sie für deutsche Privatanleger nicht der Abgeltungsteuer unterliegen. Somit entfällt die Besteuerung der Erträge nach einer einjährigen Haltefrist, wie auch bei Gold oder direkten Bitcoin Investments. Dies basiert auf der 100-prozentigen Hinterlegung unserer Krypto-ETP mit dem zugrunde liegenden Basiswert sowie der Rückzahloption. Darüber hinaus bietet Europa grössere Spielräume bei der Strukturierung von Produkten – beispielsweise in Bezug auf Krypto-Baskets, Leverage oder Staking. Bitwise hat bereits im vergangenen Jahr drei Staking-ETP aufgelegt. In den USA hingegen wird es vorerst kein Staking-Anlageprodukt an den Wertpapierbörsen geben.
Wie verändert sich der Marktauftritt des «neuen» Unternehmens?
Wir profitieren von der bekannten und etablierten Marke «Bitwise». Anleger fühlen sich bei einer globalen Gesellschaft mit Stand heute über 12 Milliarden Dollar an investiertem Vermögen sicher. Wir sehen uns als Experten, die gutes Research und ebensolches Lehrmaterial zur Verfügung stellen. Anleger müssen mit den Produkten vertraut sein, bevor sie diese verwenden. Wir sehen uns als begleitende Ausbildner, die im Gegensatz zu anderen globalen Anbietern, die Aktien, Gold, Anleihen, Rohstoffe und etwas Krypto anbieten, auf eine Vermögensklasse fokussieren. Wir ermöglichen unseren Kunden mit transparenten Produkten eine effiziente Teilhabe am Krypto-Markt. Ein wichtiges Anliegen ist, wie erwähnt, die Weitergabe von Know-how. Branchenschwergewichte wie Blackrock können durch ihr grosses Vertriebsnetz schnell Volumen generieren. Wir sind jedoch flexibler und im Timing voraus. Unser Bitcoin-ETP hat einen Track-Record von bald fünf Jahren und ist das am meisten gehandelte Krypto-Produkt in Europa. Investoren wollen Liquidität und Markttiefe.
Welches sind die grössten Wachstumstreiber in ihrem Bereich – ob Produkte, Investoren oder Märkte?
Wie bereits erwähnt, erwarte ich am meisten Potenzial im Bitcoin, weil das Angebot an Bitcoins in keiner Weise mit der Nachfrage mithalten kann. Die erwähnten neuen Produkte – insbesondere ETF in den USA – werden die Nachfrage auch nach vielen Altcoins erhöhen. Weil Anleger nach Rendite suchen, werden Staking-Produkte in Europa unserer Meinung nach ebenfalls eine hohe Nachfrage erfahren.
Wie reagieren Sie, wenn jemand sagt, dass Anbieter wie Bitwise die Grundidee von Bitcoin wie Unabhängigkeit oder Dezentralisierung korrumpiert hätten?
Ich habe grosse Sympathien mit dem Ansatz von Krypto-Puristen und der libertären Idee des anonymen, dezentralen Zahlungsmittels. In Ländern mit hoher Inflation und instabilen Währungen sind Kryptowährungen ein Geschenk des Himmels. Aber für eine Adaption in der Masse muss man Kompromisse eingehen. Nicht jeder Investor will ein eigenes Wallet führen, deshalb wurden börsengehandelte Produkte eingeführt. Wir stellen lediglich ein bewährtes Instrument für ein Krypto-Engagement zur Verfügung. ETP und ETF sind ein wichtiges Hilfsmittel, um Krypto in der breiten Anlegerschaft zu etablieren. Wir sehen, dass die Bitcoin-Bestände an den Krypto-Börsen abnehmen. Anleger halten die Coins also in eigenen Wallets oder vermehrt in Anlageprodukten.
Wie sehen Ihre Pläne für die Schweiz aus?
Die Schweiz ist ein wichtiger Markt für uns. Wir bewundern die Vorreiterrolle des Landes bezüglich Krypto-Adaption, als Standort für wichtige Gesellschaften und die vorausschauende Regulierung durch die Finma. Die Schweiz ist ein wichtiger Standort in der globalen Vermögensverwaltung. Dies ist mit ein Grund, weshalb wir auch Produkte an der SIX kotiert haben.
Wie sehen sie die Zukunft der Stablecoins – in der europäischen MiCA-Regulierung werden die bisherigen, privaten Stablecoins kaum eine Chance haben und in den USA hat Donald Trump, CBDC (digitalen Notenbankwährungen) eine Absage erteilt?
Stablecoins sind für unser Geschäftsmodell nicht wichtig, für das gesamte Krypto-Ökosystem jedoch schon. Die Vorkommnisse um Terra Luna haben gezeigt, dass ein funktionierender Stablecoin für ein Ökosystem ein entscheidender Faktor ist. Die Dematerialisierung von Gütern schreitet unaufhaltsam voran – sei es von Büchern, Musik, Filmen etc. Das gilt auch für Geld. Je mehr das Geldwesen digitalisiert wird, desto grösser ist der Bedarf nach Stablecoins. Obwohl noch nicht klar ist, in welche Richtung die Regulierung geht, besteht eine unbestreitbare Nachfrage an gut besicherten und wirklich stabilen Stablecoins, als Abrechnungseinheit, weil sich die Vermögensverwaltung kontinuierlich auf die Blockchain verlagert. Die Regulierung in Europa ist noch im Fluss, sie wird aber verfeinert und pragmatisch angepasst.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Polygon ist falsch abgebogen
Nach dem «Krypto-Wunderjahr» 2024 versuchen sich die Anleger über Bitcoin, Ether und Solana hinaus, zu diversifizieren. Vielen Altcoins wird von Analytikern eine grosse Zukunft vorausgesagt. In diesem Zusammenhang werden oft Coins wie Ripple, Polkadot, Toncoin und Polygon genannt. Doch letzterer hat Probleme. Das zeigt sich auch an der Wertentwicklung. Der Kurs je Coin hat sich seit März 2024 von über 1.20 Dollar auf aktuell gegen 30 Cents geviertelt. Was ist passiert? Polygon ist ein Protokoll, das entwickelt wurde, um die Skalierbarkeitsprobleme von Ethereum zu lösen. Die Plattform ermöglicht das Erstellen von skalierbaren, interoperatiblen Blockchains und Sidechaines, die mit Ethereum kompatibel sind. Dasmit lassen sich die Einschränkungen wie Skalierbarkeit und hohe Kosten, die bei Ethereum oft kritisiert werden, lösen. Vergleichbar Lösungen sind stark gesucht. Doch was ist schiefgelaufen? Web3-Experte Marc Baumann erklärt es in seinem Newsletter. Er listet erst einmal zwei Indizien an, die die Probleme von Polygon unterstreichen sollen. Erstens habe Polygon den $POLY-Token auf der Konkurrenzblockchain lanciert, zweitens seien seit der US-Präsidentschaftswahl 500 Mio. Dollar in Stablecoins vom Polygon-Netzwerk abgeflossen. Man könne von Meme-Coins halten, was man wolle, schreibt Baumann, aber Polygon habe den Boom verpasst, während er etwa Solana zu einem Höhenflug verholfen habe. Auch bei den AI-Token sei Polygon nicht dabei. Die Blockchain habe für viel Geld, grosse Marken gejagt, um deren Web3-Auftritt zu ermöglichen- etwa für 4 Millionen Dollar Starbucks aber auch Nike, Reddit, Mastercard, Mercedes, Disney, Instagram und andere. Diese Web3-Dienste haben aber bisher nicht abgehoben.
Unglaubliche Profitabilität von Tether
Vor einigen Wochen zeigte tippinpoint auf, wieso Tether fast ein Schweizer Unternehmen ist. Der Stablecoin-Anbieter ist einer der grössten Bitcoin Befürworter und Unterstützer – und sehr profitabel. Angesichts der jüngsten Geschäftszahlen wird das Tessiner Steueramt bedauern, dass nur der inoffizielle und nicht der steuerrechtliche Sitz in Lugano liegt. Die Stablecoin-Gesellschaft weist für das Geschäftsjahr 2024 einen Nettogewinn von 13 Milliarden Dollar aus.
Erst recht beeindruckend werden die Zahlen auf Stufe Mitarbeiter. Pro Kopf weist Tether einen Gewinn von 85,6 Millionen Dollar aus. Der Newsletter «Berglinde» von Phil Lojacono schätzt, dass das Unternehmen damit wohl das profitabelste der Welt ist. Im Vergeliche, ein Mitarbeiter von Goldman Sachs generiert einen Überschuss von 288'000 Dollar, einer von Meta 456'000, bei Apple 571'000 und ein Mitarbeiter von Nvidia 1 Million. «Es ist schmerzhaft zu sehen, dass Tether eine Schweizer Firma hätte sein können, wenn unsere Regulierungsbehörden proaktiver und marktfreundlicher wären», heisst es im Newsletter.