Ein Verfahren von potenziell historischer Tragweite beschäftigt derzeit die britische Justiz. Vor dem Supreme Court des Vereinigten Königreichs wird der Fall Standish gegen Standish verhandelt. Im Zentrum steht ein ehemaliger UBS-Spitzenbanker, ein Vermögen von 77 Millionen Pfund – und die Frage, ob während der Ehe erfolgte Vermögensübertragungen künftig grundsätzlich als gemeinschaftliches Eigentum gelten sollen.
Clive Standish, einst Finanzchef der Schweizer Grossbank UBS, gehörte zur globalen Finanzelite. In den Jahren vor der Finanzkrise verdiente der Australier Millionen. Doch mit der US-Subprime-Krise geriet die UBS ins Wanken, und Standish verlor wie viele seiner damaliger Kollegen wie etwa Peter Wuffli seinen Posten. Einen Teil seines Vermögens investierte er daraufhin in Immobilien, darunter in das Anwesen Moundsmere Manor – ein imposanter Landsitz in England.
Aus welchen Gründen auch immer übertrug Standish seiner Frau Anna rund 77 Millionen Pfund. Es war ein Fehler: Nach über 20 Jahren Ehe und zunehmender Entfremdung reichte sie 2019 die Scheidung ein. Was folgte, war eine der aufsehenerregendsten Vermögensstreitigkeiten im britischen Familienrecht.
Das Berufungsgericht hatte Anna Standish ursprünglich 45 Millionen Pfund zugesprochen, senkte die Summe später jedoch drastisch auf 25 Millionen – die höchste bekannte Reduktion eines Vergleichs in der Geschichte des englischen Scheidungsrechts. Nun muss der Supreme Court klären, ob das sogenannte Sharing Principle auch auf freiwillige, zu Lebzeiten getätigte Vermögensübertragungen Anwendung findet.
Eskalation im Rosenkrieg
Dem Verfahren ging ein erbitterter Rosenkrieg voraus. Im Frühjahr 2020 kam es zu einem Vorfall vor dem Anwesen in Moundsmere. Clive Standish konfrontierte seine Frau, die er einer Affäre verdächtigte. Es kam zum verbalen Schlagabtausch, ein Dritter schaltete sich ein, Anna flüchtete ins Haus und behauptete, ihr Noch-Ehemann habe versucht, gewaltsam einzudringen.
Vor Gericht stieg sie in die Abgründe ihres Ehelebens hinab: Clive habe ihre E-Mails gelesen, ihr Auto durchsucht und ihren privaten Raum systematisch verletzt. Er hingegen beteuerte, nie Gewalt angewendet zu haben. Die Anschuldigungen seien übertrieben, die Erinnerung seiner Frau «getrübt». Der Richter gab ihm recht: Eine strafrechtliche Schuld konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Die Episode wurde als tragisches Symptom einer zerrütteten Ehe gewertet, nicht als strafbare Handlung.
Juristisch geht es nun um Grundsätzliches. Sollte der Supreme Court entscheiden, dass freiwillige Vermögensübertragungen innerhalb einer Ehe dem Sharing Principle unterliegen, hätte das massive Auswirkungen auf Vermögensschutz und Nachlassplanung in Grossbritannien. Gerade wohlhabende Familien könnten gezwungen sein, ihre Strategien neu zu überdenken.