Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste am Montag mit europäischen Regierungschefs nach Washington, um mit Donald Trump über die Zukunft der Ukraine zu verhandeln.
Zu verhandeln?
Oder geht es vielmehr darum, ob und zu welchen Bedingungen die Ukraine bereit wäre, einem zwischen Putin und Trump ausgehandelten Friedensdeal zuzustimmen – einem Abkommen, das vermutlich die Abtretung weiter Teile ukrainischen Territoriums vorsieht? Im Gegenzug könnte es Sicherheitsgarantien geben.
Klar, die Ukraine kann einen solchen Diktatfrieden ablehnen und den Krieg mit allen Konsequenzen auf unbestimmte Zeit weiterführen. Doch dann müssten Deutschland, Frankreich und Grossbritannien mehr liefern als wohlfeile Worte und endlich grössere Verantwortung übernehmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, eigene Truppen zu entsenden, um die Ukraine zu stützen.
Doch kann das Europa? Wahrscheinlich nicht. Ihr fehlen die Mittel, die Fähigkeiten – und bislang auch der politische Wille. Europa mag zwar rhetorisch fest an der Seite Kiews stehen. Aber hinter der diplomatischen Fassade zeigt sich eine unbequeme Wahrheit: Europa hat keinen Plan für den Fall, dass die USA ihre Unterstützung einstellen.
Europa ist finanziell angeschlagen und militärisch schwach
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat die EU die Ukraine mit rund 50 Milliarden Dollar unterstützt – mehr als die USA, die bei etwa 30 Milliarden liegen. Auch bei Waffenlieferungen hat Europa zuletzt aufgeholt. Doch finanzielle Stärke allein stoppt keine Panzer. Während Russland kontinuierlich Geländegewinne erzielt, bleibt die europäische Unterstützung militärisch unzureichend.
Das tieferliegende Problem wird immer offensichtlicher: Europa hat sich zu sehr auf die amerikanische Sicherheitsgarantie verlassen. Seit Jahrzehnten bildet die Nato unter US-Führung das Rückgrat europäischer Verteidigung. Diese strategische Abhängigkeit war bequem; sie hat es den Volkswirtschaften erlaubt, in vollem Umfang die Friedensdividende abzuschöpfen und damit den Ausbau der Sozialstaaten zu finanzieren.
Mit Donald Trump im Weissen Haus kann sich Europa nicht mehr auf diesen Schutz verlassen. Er hat mehrfach klar gemacht, dass seine Geduld mit den europäischen Partnern am Ende ist. Die grösste Volkswirtschaft der Welt will und kann es sich nicht mehr leisten, Europa den Frieden zu sichern.
Man hat es kommen sehen, aber man wollte es nicht wahrhaben. Dass der deutsche Kanzler Friedrich Merz am Sonntag in einem Interview Gebietsabtretungen nicht mehr a priori ausschloss und den Fokus auf Sicherheitsgarantien legte, zeigt, wie klein der Spielraum für Europa und damit die Ukraine inzwischen geworden ist.