In verschiedenen US-Bundesstaaten sind Gesetze entstanden, die es Banken verbieten, Energieunternehmen zu “boykottieren”. Das zwingt Institute wie UBS und Credit Suisse, sich zu fossilen Energien zu bekennen.
13. Juni 2022 • Beat Schmid
Letzten Freitag hat der US-Bundesstaat West Virginia ein neues Gesetz in Kraft gesetzt. Es erlaubt den Behörden, Finanzfirmen auf eine Schwarze Liste zu setzen, falls diese Energiefirmen “boykottieren”. Die sogenannte Senate Bill 262 greift, wenn Banken “ohne nachvollziehbaren Grund”, Geschäfte mit Energiefirmen verweigern oder die Zusammenarbeit mit ihnen beenden.
Seit ein paar Jahren fahren Banken und Asset-Manager im Rahmen ihrer ESG-Engagements Investitionen in den fossilen Energiesektor zurück. Unter ESG wird eine Geschäfts- und Anlagepolitik verstanden, die Rücksicht auf Umweltanliegen, Soziales und Governance nimmt.
West Virginia will sich dagegen wehren. Der Bundesstaat ist der zweitgrösste Kohleproduzent und fünftgrösste Gasförderer in den USA. 88 Prozent des Stroms wird durch die Kohleverstromung erzeugt. West Virginia ist bei weitem nicht der einzige US-Teilstaat, der mit neuen Gesetzen gegen die Ächtung des fossiler Brennstoffe kämpft.
30 Bundesstaaten haben Anti-ESG-Gesetze in Planung oder schon umgesetzt
Insgesamt dürften etwa 30, mehrheitlich republikanisch dominierte Bundesstaaten ähnliche Gesetze in Kraft gesetzt oder in Planung haben. Darunter auch Texas. Staatlichen Rentenkassen ist es neu verboten, ihre Gelder bei Finanzfirmen anzulegen, die mit ihrer Geschäftspolitik darauf abzielen, Unternehmen des Erdölsektors “zu bestrafen, ihnen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen oder ihre geschäftlichen Beziehungen einzuschränken”.
Der Rechnungsprüfer von Texas hat kürzlich Dutzende Banken und Asset-Manager in einem Brief aufgefordert, zu dem Anti-Boykott-Gesetz Stellung zu beziehen. Sie mussten in ihnen Antwortschreiben angeben, ob sie die Richtlinien einhalten oder nicht. Zu den angeschriebenen Firmen zählen unter anderen Abrdn, BNP Paribas,
J.P. Morgan, Man Group, Schroders, aber auch die beiden Schweizer Grossbanken
UBS und
Credit Suisse.
Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz hat "Responsible Investor" (
Artikel bezahlpflichtig) die Antworten einsehen können. Laut dem Fachmedium haben die allermeisten Firmen verneint, gegen das Boykott-Gesetz zu verstossen, darunter auch die beiden Schweizer Grossbanken. Blackrock unterstrich in seinem Antwortschreiben, insgesamt 115 Milliarden Dollar direkt in texanische Energiefirmen investiert zu haben. Der Asset-Manager gab an, dass der Energiesektor eine wichtige Rolle spielt in der Transition der Energiemärkte.
“Don’t Mess with Texas”
Spannend ist, dass Blackrock im Brief bestreitet, mit anderen Investoren und Stimmrechtsrechtsverwaltern gemeinsame Sache an Generalversammlungen zu machen. Auch die Mitgliedschaft bei Climate Action 100+ spielte der Vermögensverwalter herunter. Blackrock sei der Allianz zwar beigetreten, aber man würde Entscheidungen über Engagements stets unabhängig fällen. Auch
UBS und
Credit Suisse sind der Allianz beigetreten.
Es geht um viel Geld. In Texas gibt es sechs staatliche Körperschaften, die vom Boykott-Gesetz erfasst sind, unter anderem die Lehrer-Pensionskasse, die über 200 Milliarden Dollar verwaltet. Texas ist mit einem BIP von 2 Billionen Dollar ein ökonomisches Schwergewicht. “Don’t mess with Texas”, werden sich die Finanzmanager gesagt haben. Sie dürften alles Mögliche unternehmen, um nicht auf der Schwarzen Liste zu landen.
Dabei setzen sie ihre Glaubwürdigkeit auf Spiel. Wenn die Firmen zu sehr auf die Forderungen Anti-ESG-Bewegung eingehen, drohen ihnen auch rechtliche Probleme. Die meisten Banken und Vermögensverwalter haben sich Netto-Null-Ziele gesetzt. Wenn sich herzustellen sollte, dass sie die angepeilten Wegmarken auf ihrem CO₂-Absenkpfad verfehlen, könnte es Klagen hageln.
Eine Reaktion auf progressive Bundesstaaten
Die neuen Anti-ESG-Gesetze in den konservativen US-Bundesstaaten sind auch eine Reaktion auf Entwicklungen in progressiven Teilstaaten, die von der Demokratischen Partei dominiert sind. Maine beispielsweise hat bereits vor einem Jahr seine staatlichen Investmentfonds verpflichtet, alle Asset mit Bezug auf fossile Energien zu verkaufen.
In Kalifornien wurde Ende Mai der sogenannte Fossil Fuel Divestment Act verabschiedet, der staatliche Kassen wie Calpers zwingt, aus Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen auszusteigen. Calpers ist die grösste Pensionskasse der USA mit über 400 Milliarden Dollar Anlagevermögen.
In der Schweiz gibt es diese Richtungskämpfe nicht. Im Gegenteil, da präsentiert sich der konservative Finanzminister Ueli Maurer als eifriger Promotor von Nachhaltigkeit und ESG. Er will den Schweizer Finanzplatz im Bereich sustainable Finance international an die Spitze bringen.
Erst letzte Woche bekräftigte der SVP-Magistrat einmal mehr sein hochgestecktes Ziel.