Windfall-Profite
Banken erzielen hohe Gewinne aus dem Zinsdifferenzgeschäft. Bei der AKB und Swissquote landen die Übergewinne in Form von Boni und höheren Löhnen bei den Angestellten. Wie rechtfertigen die Bankchefs diese Politik?
21. August 2023 • Beat Schmid

Plötzlich ist die Aargauische Kantonalbank (AKB) eine der profitabelsten Banken der Schweiz. Die Bank im Besitz des Rüeblikantons hat im ersten Halbjahr ein glänzendes Resultat erzielt. Die sogenannte Cost-Income-Ratio sank um 7 Prozentpunkte auf das Rekordtief von 41,8 Prozent.

Damit nähert sich die Aargauer KB der Freiburger Kantonalbank (FKB), die als profitabelstes Institut der Schweiz gilt. In einem Selbstporträt schreibt die FKB, dass sie «oft als Vorbild in Sachen Effizienz erwähnt wird». Wirft man einen Blick in die Erfolgsrechnungen der Banken, wird schnell klar, was die Gewinne im ersten Halbjahr in die Höhe getrieben hat: Es sind die Erträge aus dem Zinsgeschäft, die zweistellig gewachsen sind. Bei der FKB stiegen sie um 36 Prozent, bei der AKB um 44 Prozent und bei Swissquote um sagenhafte 587 Prozent.

Bei den gestiegenen Erträgen aus dem Zinsgeschäft handelt es sich um klassische Zufallsgewinne oder Windfall-Profite. Es sind Gewinne, die einfach in den Schoss fallen. Die Banken müssen sich dafür nicht anstrengen. Seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins in mehreren Schritten auf 1,75 Prozent erhöht hat, werden die Cash-Bestände der Geschäftsbanken zu diesem Satz verzinst. Die SNB hat den Banken im ersten Halbjahr insgesamt 3,3 Milliarden Franken an Zinsen ausbezahlt.

Sparer profitieren kaum

Sie geben die Zinsen nicht breit an die Sparerinnen und Sparer weiter. Sie tun dies oft nur bei Nischenprodukten wie Kassenobligationen oder speziellen Sparplänen. Bei den normalen Sparkonten sind die Zinssätze der dominierenden Banken wie UBS und Raiffeisen bescheiden (UBS: 0,75 Prozent bis 50 000 Franken, 0,3 Prozent darüber); Raiffeisen: 0,6 Prozent). Bei den Lohnkonti gibt es nach wie vor keine Verzinsung. Die UBS beispielsweise verzinst ihre Privatkonten mit 0,0 Prozent und erhebt weiterhin eine Kontoführungsgebühr, die je nach Einlage zwischen 36 und 60 Franken pro Jahr beträgt.

Auf der anderen Seite haben die Banken die Hypothekarzinsen sofort an die Zinsentwicklung angepasst. Auch die Kredite für KMU haben sie verteuert. Meist mit der abenteuerlichen Begründung, dass wegen der steigenden Zinsen die Ausfallrisiken zugenommen hätten und deshalb noch mehr verlangt werden müsse.

Das alles führt dazu, dass die Zinsmargen der Schweizer Banken durch die Decke gehen. Da sich praktisch alle Banken gleich verhalten, gibt es keinen Druck auf die einzelnen Institute. Auch klopft niemand laut auf den Tisch, weder die Politik noch der Preisüberwacher oder die Wettbewerbskommission. Eine Windfall-Steuer, wie sie Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni (46) den Banken auferlegt, wäre in der Schweiz undenkbar – vorher fliesst das Wasser der Aare zurück in die Alpen.

Die Politik schweigt auch deshalb, weil viele Banken in Staatsbesitz sind und mit ihren Gewinnausschüttungen die Kantonsfinanzen aufbessern. Aber auch die Banken selbst streichen die Übergewinne ein. So hat die AKB im ersten Halbjahr die Löhne deutlich erhöht. Insgesamt stieg die Lohnsumme um 9,9 Prozent.

«Leicht über dem Branchenvergleich»

AKB-Chef Dieter Widmer verteidigt die Anpassungen. Er sagt, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung keine Lohnerhöhung erhalten hätten. Die Lohnerhöhung für alle anderen Mitarbeitenden würde «leicht» über dem Branchenvergleich liegen. Das Ergebnis sei auch nicht «zulasten der Kundinnen und Kunden» erzielt worden, so Widmer. Wie alle Banken habe auch die AKB «unter der Negativzinsphase gelitten». Heute biete seine Bank eine «überdurchschnittliche Verzinsung» der Kontoguthaben.

Die Mitarbeitenden von Swissquote profitieren noch stärker von der Zinswende. Der Personalaufwand stieg im ersten Halbjahr um 31 Prozent. Die Lohnsumme kletterte um 16 Millionen auf 68 Millionen Franken. Swissquote habe aber «die Löhne nicht erhöht», sagt CEO Marc Bürki. «Wir haben ein globales Bonus-System, welches alle Mitarbeiter der Bank betrifft. Wenn die Zahlen besser sind als erwartet, brauchen wir für die zusätzlichen Bonuszahlen Provisionen, und dies kommt in die Rubrik Mitarbeiterkosten», sagt er.

Für Bürki gehören Zinserträge «zum Alltag und zur Gesamtleistung einer Bank». Die Liquidität einer Bank müsse durch Kundenwachstum generiert werden. «Die aktuelle Zinssituation ist nicht einfach ein Windfall-Profit, sondern eine Normalisierung nach Jahren der Negativzinsen», sagt er. «Negativzinsen waren grundsätzlich eine abnormale Situation, die jetzt korrigiert wurde.»

Die Banken als Opfer von Negativzinsen? Die jetzige Situation nur eine Normalisierung? Dagegen spricht: Gewinne und Gewinnmargen waren bei vielen Banken noch nie so hoch wie jetzt.

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