Aufsicht
Nach dem Rücktritt von Urban Angehrn sollte der Bundesrat bei der Finanzmarktaufsicht über die Bücher gehen und die Bankenkompetenz stärken. Mit der Wahl eines neuen VR-Mitglieds hat er gerade eine Chance verpasst. Ein Kommentar.
7. September 2023 • Beat Schmid

Gestern gab die Finma zwei Personalien bekannt. Der Direktor der Behörde, Urban Angehrn, tritt wegen zu grosser Belastung abrupt zurück (Tippinpoint berichtete hier). Gleichzeitig wählte der Bundesrat einen neuen Verwaltungsrat für die Behörde. Die Wahl lässt aufhorchen: René Keller, so der Name des neuen Mitglieds, ist ein ausgewiesener Informatiker. Er war Chief Information Officer bei der Standard Chartered Bank in Singapur, wie der Bundesrat schreibt.

Die Finma setze sich stark für die Anwendung neuer Technologien in der Aufsicht (Supervisory Technologies) ein, weshalb Digitales für sie ein strategisch wichtiges Thema sei, heisst es weiter. Der Bundesrat attestiert Keller hervorragende fachliche Qualifikationen, insbesondere in den Bereichen Informatik und Digitalisierung, sowie ein Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge und strategische Fragestellungen.

Doch sind «Supervisory Technologies» – was immer das sein mag – wirklich der Bereich, wo sich der Finma-Verwaltungsrat personell verstärken muss? Schaut man sich die Zusammensetzung des Finma-VR an, so fällt auf, dass zwar viele Professorinnen und Professoren sowie einige Versicherungsspezialisten darunter sind – aber keine einzige Person, die über vertiefte Kenntnisse des zentralen Nervensystems einer Bank verfügt.

So gibt es im Finma-Verwaltungsrat niemanden, der im Treasury einer Bank gearbeitet hat, für die Finanzen einer Bank verantwortlich war oder eine wichtige Rolle im Risikomanagement gespielt hat. Mit Ausnahme vielleicht von Finma-VR Marzio Hug, der Chief Risk Officer EMEA & Chief Risk Officer im Asset Management der Deutschen Bank war.

Die Krise der Credit Suisse hat gezeigt, dass Liquiditätssteuerung, Bilanz- und Risikomanagement die wichtigsten Bereiche einer Bank sind, in denen man viel richtig, aber noch viel mehr falsch machen kann.

In der Schweiz sollte es möglich sein, Persönlichkeiten zu finden, die über entsprechende Erfahrungen verfügen. Und die auch erlebt haben, wie schnell sich eine Krise in einer Bank ausbreiten kann. Diese Dynamiken muss man erlebt haben – man kann sie nicht von Büchern lernen.

Es braucht Bankenexperten mit Erfahrung in der Finma. Die verstehen, wie sich Krisen in Banken zusammenbrauen und die den Mut aufbringen, zu handeln.

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