Digital Assets Briefing
Die «Original-Kryptowährung» hat die zweitgrösste Blockchain in der Werteentwicklung im auslaufenden Jahr deutlich hinter sich gelassen. Was bringen solche Vergleiche? Werden Äpfel mit Birnen verglichen? Und wie geht es weiter? Dazu: Finma gibt «Staking-Verbot» auf.
22. Dezember 2023 • Werner Grundlehner

Es war ein gutes Jahr für Krypto-Investoren. Auf eine stabile Kursentwicklung in den ersten drei Quartalen folgte ab Oktober eine regelrechte Rally. Der Bitcoin – die originale und dienstälteste Kryptowährung – hat im bisherigen Jahresverlauf annähernd 160 Prozent an Wert zugelegt. Einerseits war auch ein Kursavance bei anderen risikoreichen Vermögenswerten zu beobachten – etwa bei US-Technologie-Aktien –, andererseits trieben die Hoffnung auf die Zulassung von Bitcoin-Spot-ETF durch die US-Börsenaufsicht SEC und das im April anstehende Halving den Bitcoin-Kurs.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Anbieter beginnen Bitcoin ETF zu bewerben
• Finma lenkt ein: Das «Staking-Verbot» ist vom Tisch


Obwohl der Bitcoin den Takt vorgibt, ist es nicht so, dass alle Kryptowährungen im Gleichschritt folgten – was auch kaum möglich wäre bei mittlerweile mehreren Tausend Kryptowährungen. Aber bereits die Nummer zwei, Ethereum, hat, gemessen am Marktgewicht, deutlich weniger zugelegt. Der Ethereum-Coin Ether legt im laufenden Jahr etwas über 80 Prozent zu. Der Bitcoin hat den Konkurrenten punkto Marktwertsteigerung also fast um das Doppelte übertrumpft (vgl. Grafik).

Doch lassen sich die beiden Coins überhaupt vergleichen? Der Bitcoin wird vor allem als Währung, besser gesagt, als Wertaufbewahrungsmittel genutzt, während die Ethereum-Blockchain in erster Linie ein «Betriebssystem» für Web3-Anwendungen ist. Schaut man zudem die Fünfjahres-Bilanz an, dann schneidet der Ether deutlich besser ab als der Bitcoin. Die beiden Coins weisen eine Korrelation von 0,62 auf. Die Vermögenswerte bewegen sich nicht gleichläufig, haben jedoch ein gewisses Mass an positiver Beziehung in ihren Preisbewegungen. Diese mässige Korrelation kann für die Portfoliodiversifizierung interessant sein und das Gleichgewicht zwischen Risiko und potenziellen Erträgen verbessern.

Ist der Vergleich der beiden Kryptowährungen also etwa gleich sinnvoll, wie das Gegenüberstellen von Gold und Silber oder Aktien von Nestlé und Apple? Die Vermögenswerte stammen zwar aus der gleichen Anlageklasse verkörpern aber unterschiedliche Rohstoffe, Geschäftsmodelle und Ertragsdynamiken.

Komplementär statt Konkurrenz

«Nein», antwortet Marc Baumann, Krypto-Experte und Gründer von FiftyOne Ventures, auf die Frage, ob es sinnvoll sei, die beiden Kryptowährungen zu vergleichen. «Während der Bitcoin mit dem bald erwarteten Spot ETF immer stärker zu einer institutionellen Anlageklasse wird, ist Ethereum das Rückgrat vom Krypto- und Web3-Ökosystemen. Deren Wert wird von anderen Faktoren getrieben, obwohl sie immer noch stark korreliert sind.»

Fabian Schär, Professor für Distributed Ledger Technology (Blockchain) und Fintech an der Uni Basel, findet den Vergleich der beiden Kryptowährungen ebenfalls wenig sinnvoll: «Bitcoin und Ethereum unterscheiden sich stark, sowohl technisch als auch auf der Anwendungsebene. Es handelt sich meines Erachtens eher um Komplemente als um konkurrierende Systeme.»

Mehr Konkurrenz, mehr Innovation

Ist vielleicht die «Kursschwäche» von Ether aber ein Zeichen, dass andere Web3-Blockchains wie Cardano, Polygon und Cosmos an der Marktführerschaft von Ethereum kratzen. In diesem Zusammenhang wird auch bemängelt, dass die Leistung von Ethereum nicht ausreichend und die Gebühren (gas fees) zu hoch seien. «Frühere Zyklen haben gezeigt, dass sogenannte Altcoins immer einer stärkeren Volatilität ausgesetzt sind», sagt Baumann. Er würde die Entwicklung von Ethereum nicht als Kursschwäche bezeichnen.

Er sei jeweils zurückhaltend, was die Interpretation von kurzfristigen Marktsignalen angeht, sagt Schär. «Unabhängig von Preisentwicklungen wäre es aber wünschenswert, dass alternative Blockchain-Systeme an Bedeutung gewinnen. Ein Rückgang der Dominanz von EVM (Ethereum Virtual Machine) basierten Systemen könnte die Innovation weiter fördern und Experimente mit verschiedenen Architekturansätzen zulassen», ergänzt der Professor.

Blockchains nutzen Layer-2-Protokolle

Bezüglich «Langsamkeit der Systeme» sagt Schär: Bei Bitcoin und Ethereum sei eines der grossen Ziele, dass die Validierbarkeit der Transaktionen und Zustände mit normaler Consumer-Hardware möglich bleibe. Dies führe zu gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Rechenschritte pro Zeiteinheit beziehungsweise pro Block. «Diese beschränkte Kapazität führt wiederum dazu, dass der Markt spielt und zeitkritische Transaktionen teilweise erhebliche Gebühren bezahlen müssen», erklärt der Professor.

Andere Blockchain- und Layer-2-Plattformen setzen die Ziele und damit auch die Prioritäten anders. Natürlich kann es gemäss Schär zu Änderungen in der Kapazität kommen, aber «es wäre naiv zu glauben, dass eine Skalierung direkt auf der Blockchain möglich wäre, ohne dass dabei die Möglichkeit zur Validierung aufs Spiel gesetzt wird». Sowohl Bitcoin als auch Ethereum setzen heute auf Layer-2-Protokolle, also zusätzliche Netzwerke, die zwar von der Sicherheit der Blockchain profitieren können, jedoch nicht jede einzelne Transaktion vollständig auf der Blockchain abwickeln müssen.

Ordinals verändert Bitcoin

Im vergangenen Jahr hat das Aufkommen von Bitcoin Ordinals eine neue Ära für die Bitcoin-Industrie eingeläutet. Ordinals ist ein Protokoll, das es ermöglicht, einzelnen Satoshis (ein Bitcoin besteht aus 100'000'000 Sathoshis) in der Blockchain eine eindeutige Kennung zuzuweisen und sie mit zusätzlichen Daten zu versehen. Durch das Aufkommen von Ordinals hat Bitcoin eine Veränderung seiner Gebührenstruktur erfahren. Ordinals wurde ursprünglich als Protokoll zur Speicherung von Bildern auf der Blockchain (NFT) verwendet, die Technologie entwickelte sich allerdings weiter.

Heute ist es ebenfalls möglich, sogenannte «BRC20-Token» zu erschaffen. Diese Technologie ermöglicht es Entwicklern, benutzerdefinierte Token auf der Bictcoin-Blockchain zu erstellen. Die Innovation hat dazu geführt, dass die Transaktionsgebühren auf Bitcoin zum ersten Mal seit Jahren die Mining-Belohnungen überstiegen haben. Gemäss Baumann haben Bitcoin Ordinals dem Bitcoin neuen Aufschwung gegeben. «Momentan bleibt das aber noch eine Nischenanwendung», fügt er an.

«Bitcoin hat eine relativ eingeschränkte Script-Sprache. Dies ist Fluch und Segen zugleich», sagt Fabian Schär. Ordinals seien eine von ganz wenigen zusätzlichen Anwendungen auf der Bitcoin-Blockchain, was zu einem gewissen Hype geführt habe. Er sei aber skeptisch, was Ordinals angehe und sehe eher Gefahren als Potential.

Performance-Vorsprung nicht in Stein gemeisselt

Die Bitcoin-Überperformance ist zudem nicht in Stein gemeisselt: «Der Ether wird das schnellste Pferd unter den institutionell verfügbaren digitalen Vermögenswerten sein», titelt der Krypto-Dienstleister Bitcoin Suisse im gerade erschienen «Crypto Outlook Report 2024». Aus einer Investitionsperspektive heraus habe Ether eine andere Logik als Bitcoin, da es eine globale Computing-Plattform sei, die wahrscheinlich die neue Struktur der globalen Finanzmärkte beherbergen werde, schreibt Bitcoin Suisse weiter.

Der jüngste Höhenflug des Bitcoins könnte vor allem von der ETF- und Halving-Fantasie herrühren. «Es ist davon auszugehen, dass das institutionelle Interesse durchaus einen positiven Effekt auf die Preisentwicklung hatte», so der Basler Professor. Beim Halving sei er hingegen skeptisch. Aus der ökonomischen Theorie wisse man, dass öffentlich verfügbare Informationen bereits eingepreist sein sollten. Informationen zu den Halvings sind seit den Anfängen von Bitcoin öffentlich verfügbar — insofern gibt es keinen Grund, dass der Preisanstieg plötzlich kommen sollte.

Bitcoin als Leitindex

Falls das Halving tatsächlich Preiseffekte habe, sind diese gemäss Schär rein psychologischer Natur und grösstenteils auf die öffentliche Berichterstattung, die zu dieser Zeit meist ausgeprägter ist, zurückzuführen. «Ein Preisanstieg kann dadurch zur Self-Fulfilling Prophecy werden. Die Gefahr ist dann aber gross, dass frühere Preisentwicklungen rund um das Halving als klare Kausalzusammenhänge und allgemeingültige Regeln missverstanden werden», führt der Professor aus.

«Bitcoin, die Mutter aller Kryptowährungen, geniesst immer noch den Status als Leitindex, der die Stimmung der Branche reflektiert», sagt Marc Baumann. Krypto oder auch Web3 sei mittlerweile jedoch mit unzähligen Sub-Sektoren stark diversifiziert. Die Innovationskraft sei enorm und geschehe längst unabhängig von Preisentwicklungen, inklusive Bitcoin.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Finma lenkt ein: Das «Staking-Verbot» ist vom Tisch

Das Crypto Valley wird bereits kurz vor Weihnachten beschenkt. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) schafft Transparenz zu Staking. Die Behörde hat am Mittwoch dieser Woche eine Aufsichtsmitteilung zu Staking-Dienstleistungen veröffentlicht. Dabei schreibt die Finma: Sie halte an ihrer Praxis fest: Im Fokus stehe der Schutz der Kunden vor dem Insolvenzrisiko des Staking-Dienstleisters. Doch diese Formulierung vernebelt einen kompletten Kurswechsel der Aufsicht. Noch Anfangs September hatte die Behörde angekündigt, dass für Staking-Dienstleistungen künftig eine Bewilligung als Bank erforderlich sein soll und der Staking-Betrag mit Eigenkapital hätte hinterlegt sein müssen. Krypto-Banken hätten etwa nach Meinung von Sygnum-CEO Mathias Imbach das Staking mit diesen Vorgaben «nicht mehr rentabel betreiben können, wie er tippinpoint sagte.

Staking ist ein energieeffizienter Mechanismus in Blockchain-Netzwerken wie Ethereum, Solana und Cardano. Für die Hinterlegung von Kryptowährungen und die Validierung von Transaktionen erhalten Teilnehmer ein Entgelt. Gemäss neuster Finma-Aufsichtsmitteilung wird keine Banklizenz für das Staking verlangt. Was aber noch bedeutender ist: Bei korrekter Separierung der Staking-Assets muss der Krypto-Dienstleister diese nicht mit Eigenkapital hinterlegen. Die hiesigen Krypto-Anbieter haben nun im Kampf um Staking-Kunden gleich lange Spiesse wie die internationale Konkurrenz. Die ursprünglich befürchtete Benachteiligung bewahrheitet sich nicht. Der Regulator hat Augenmass bewiesen.


Anbieter beginnen, Bitcoin ETF zu bewerben

Ist es Zuversicht oder will man Druck auf die US-Börsenaufsicht SEC ausüben? Die ersten Krypto-Dienstleister beginnen ihre Bitcoin ETF in den USA zu bewerben – ohne dass die Zulassung der SEC für solch ein Produkt vorliegt. Dabei sind es nicht die grossen Vermögensverwalter wie Blackrock, Fidelity oder Invesco, die ebenfalls einen Bitcoin-ETF-Antrag bei der Behörde pendent haben. Die Kleinen führen die Marketingoffensive an.

Bitwise, ein in San Francisco domizilierter Vermögensverwalter, lanciert einen Werbespot mit dem Schauspieler Jonathan Goldsmith, der in den USA aus einer Bierwerbung als «interessantester Mann der Welt» bekannt ist. «Wissen Sie, was momentan interessant ist – Bitcoin», sagt Goldsmith im Werbespot. Bitwise riskiert dabei nicht, Werbegelder für nichts auszugeben. Das Unternehmen vertreibt einen Bitcoin-Futures-ETF, der bereits zugelassen ist. Die Werbung legt sich nicht fest, welcher ETF beworben wird.

Auch der kleine US-Vermögensverwalter Hashdex bewirbt seit kurzem mit einem Spot den eigenen Bitcoin-ETF. Das Unternehmen hat keinen Antrag auf eine Zulassung eingereicht, sondern einen für eine Umwandlung des Futures-Bitcoin-ETF in einen Spot-ETF (der die aktuellen Kassakurse abbildet). Die Zuversicht der Unternehmen bereits jetzt Werbespots zu schalten, lässt eine Genehmigung wahrscheinlicher erscheinen. Eine Zulassung für der ersten Bitcoin Spot ETF in den USA ist im Januar 2024 möglich.

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