Heute wird WEF in Davos offiziell eröffnet. Doch das mediale Feuerwerk ging schon am Montag los. Viele NGOs nutzten den Beginn der WEF-Woche, um weltweit auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Die britischen Hilfsorganisation Oxfam machte weltweit Schlagzeilen mit einem Bericht, in dem sie die globale Ungleichheit anprangerte und vor dem ersten «Billionär» warnte. Auch die UBS sprang auf den Zug auf und präsentierte das Whitepaper «Bloom or Bust» zur Biodiversität.
Die niederländische NGO Follow This startete am Montag ihre diesjährige Kampagne gegen den Ölkonzern Shell. Sie fordert das Unternehmen auf, ihr «mittelfristiges» Ziel für Treibhausgasemissionen mit dem Pariser Abkommen zur Begrenzung der globalen Erwärmung in Einklang zu bringen. Die weltweiten Emissionen müssten bis 2030 um fast die Hälfte reduziert werden, um diese Ziele zu erreichen, teilte Follow This mit. Shell müsse seine Verpflichtungen erfüllen, indem es seine Strategie, seine Investitionen und sein Geschäftsmodell überprüfe, um das Ziel einer Erderwärmung um weniger als zwei Grad bis 2050 zu erreichen.
Shell-Chef Wael Sawan hatte nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr Pläne gewälzt, weiter in fossile Brennstoffe zu investieren. Um die weltweite Energienachfrage zu stillen und die Renditen für die Aktionäre aufrechtzuerhalten, müsse Shell weiter in die Ölförderung und das Wachstum seines bedeutenden Gasgeschäfts investieren, gleichzeitig aber auch in emissionsärmere Energieformen wie Biokraftstoffe, Wasserstoff und erneuerbare Energien.
Ethos: «Eine Frage der Glaubwürdigkeit»
Der Vorstoss von Follow This ist nicht neu. Seit 2016 macht die kleine NGO mit praktisch gleichlautenden Vorstössen Druck an den Generalversammlungen von Shell. Neu ist, dass Follow This dieses Jahr mit Amundi erstmals Europas grössten Asset-Manager (knapp 2 Bio. Euro AuM) als Mitunterzeichner des Vorstosses gewinnen konnte. Neben Amundi haben sich 26 weitere Investoren der Initiative angeschlossen. Zusammen verwalten sie mehr als 3,8 Milliarden Euro und halten knapp 5 Prozent der Shell-Aktien. Darunter sind Candriam oder Edmond de Rothschild sowie etliche Pensionskassen.
Auch die Schweizer Anlagestiftung Ethos ist mit an Bord. «Wenn der Dialog mit den Unternehmen nicht ausreicht, um deren Praktiken zu ändern, müssen die Aktionen intensiviert werden», sagt Vincent Kaufmann, Direktor der Ethos-Stiftung. «Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der aktiven Aktionäre. Man kann sich nicht damit begnügen, die Unternehmen zu Verbesserungen aufzufordern und dann nichts zu unternehmen, wenn dieses Engagement keine Früchte trägt, insbesondere wenn es um eine so dringende und grundlegende Herausforderung wie das Klima geht.
Hat der Aktionärsdialog ausgedient?
Traditionelle Asset-Manager wie Amundi haben es in der Vergangenheit vermieden, Aktionärsanträge zu stellen. Sie zogen es vor, Entwicklungen durch Gespräche hinter den Kulissen in Gang zu bringen. Die Tatsache, dass Amundi den Aktionärsantrag von Follow This mitunterzeichnet, wird von Beobachtern als Zeichen der zunehmenden Frustration der Investoren über das Mittel des sogenannten Aktionärsdialogs gewertet.
Ethos teilte gestern mit, sie sei zwar weiterhin überzeugt, dass der Dialog «das beste Mittel» sei, um die Unternehmenspraktiken zu ändern. Dennoch hat sie beschlossen, in Zukunft vermehrt auf «Intensivierungsmassnahmen» und insbesondere auf Aktionärsanträge zurückzugreifen, um die Unternehmen dazu zu bewegen, ihre Klimaauswirkungen zu reduzieren.
Letztlich geht es darum, wie viele Stimmen Follow This und Amundi bei der Generalversammlung erhalten. In den letzten beiden Jahren erreichten die Aktivisten jeweils 20 Prozent. Im Jahr 2021 war die Zustimmung mit 30 Prozent am höchsten. 2016 kam die NGO von 2,7 Prozent der Stimmen. Die Unterstützung von Umweltanliegen war zuletzt rückläufig. Grosse US-Investoren wie Blackrock haben sich aus politischen Gründen zurückgezogen.