Digital Assets Briefing
Investoren blicken konsterniert auf die Bitcoin-Entwicklung nach der ETF-Zulassung in den USA. Doch dieses Zwischentief war zu erwarten – und der Sektor besteht auch nicht nur aus einer Kryptowährung.
26. Januar 2024 • Werner Grundlehner

Wie von tippinpoint vorhergesagt, ist nach der lang erwarteten Zulassung für einen Bitcoin-Kassapreis-ETF am 10. Januar eine «Sell-the-News-Phase» eingetreten. Die Investoren nehmen ihre kurzfristigen Gewinne auf dem Bitcoin mit. Zu Wochenanfang fiel der Bitcoin auf unter 40’000 Dollar zurück, nachdem er am 9. Januar – einen Tag vor dem Zulassungsentscheid durch die US-Börsenaufsicht fast auf 50’000 geklettert war. Wie geht es nun weiter am Krypto-Markt?



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Teslas Bitcoin-Konto bleibt unverändert
• Grayscale profitiert nicht vom ETF-Boom
• Larry Fink adelt den Bitcoin



Der nächste Fixpunkt für den Bitcoin dürfte das Halving (Halbierung) sein. Die Entschädigung für das Prüfen und Hinzufügen eines Blocks in der Blockchain wird im April von 6,25 auf 3,125 Bitcoin sinken. Die annualisierte Inflationsrate der Kryptowährung wird sich damit ebenfalls halbieren von 1,70 auf 0,85 Prozent. Ein solches Halving erfolgt etwa alle vier Jahre, bis das maximale Emissionsvolumen von 21 Millionen Bitcoins erreicht ist.

Was die Verknappung bewirkt

Die Verknappung des Angebots kombiniert mit dem Narrativ des im System inhärenten Inflationsschutzes haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Bitcoin im Schnitt 172 Tage nach dem Halving das bisherige Kurshöchst übertroffen hat – und etwas mehr als 300 Tage nach diesem Event ein neues Zyklushoch schreibt - dies zeigt die untenstehende Grafik von 21Shares. Diese «Markttechnik» gibt jedoch nur Anhaltspunkte zur möglichen Kursentwicklung. Denn sie basiert auf einer eher kurzen Phase mit historischen Daten.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie die elf neu zugelassenen ETF die Marktstruktur des Bitcoins verändern. Auch wenn die neuen Anlagevehikel nur einen kleinen Prozentsatz vom Volumen am Vermögensverwaltungsmarkt ergatttern, kann das den jungen Sektor beflügeln. Die Vermögensverwaltungsbranche in den Vereinigten Staaten verwaltete gemäss dem Research-Unternehmen Galaxy im Herbst des vergangenen Jahres annähernd 50’000 Milliarden Dollar. Wenn nur 1 Prozent dieser Summe in die neu regulierten Instrumente fliesst (die direkt mit Bitcoin hinterlegt sein müssen), würden 500 Milliarden hinzukommen – aktuell weist der Bitcoin eine Marktkapitalisierung von rund 800 Milliarden Dollar auf. In die Indexfonds kann auch von ausserhalb der USA investiert werden.

Trotz dieses jüngsten Hypes im Sektor zeigt sich, dass langjährige Bitcoin-Anleger wenig Interesse zeigen, Kursgewinne mitzunehmen. Gemäss Daten des Krypto-Dienstleisters Glassnode ist der Anteil von Investoren, die ihren Bitcoin-Bestand seit mindestens 155 Tagen nicht mehr bewegt haben, auf eine Rekordhoch gestiegen und liegt bei fast 15 Millionen Coins – was gemäss Analyse rund drei Viertel des zirkulierenden Bestandes entspricht. Von den bestehenden Investoren ist vorerst also nur eine kleine Angebotsausweitung zu erfahren. Der Bitcoin wird momentan vor allem als Wertaufbewahrungsmittel betrachtet und weniger als Zahlungsmittel.

Der Bitcoin entwickelt sich weiter

Während der Bitcoin vor allem als Währung gesehen wird, werden andere Token – allen voran der Ether von Ethereum – als Plattformen für Web3-Anwendungen – für dezentrale Finanzen (DeFi), nicht fungible Token (NFT) und dApps, genutzt. Doch seit Januar des vergangenen Jahres ist der experimentelle Token-Standard BRC-20 auf der Bitcoin-Blockchain verfügbar. Diese Technologie mit fungiblen Token ermöglicht übertragbare Ordinal-Inschriften auf der Bitcoin-Blockchain.

Dieser Token-Standard ähnelt dem ERC-20-Token-Standard von Ethereum und verfügt über verschiedene Funktionen. Das Ordinals-Protokoll eröffnet die Möglichkeit, Daten direkt auf einzelne Satoshis (Sats) zu schreiben. Ein Satoshi ist ein Bruchteil eines Bitcoins (100 Millionen Satoshis entsprechen einem Bitcoin). Diese technische Erweiterung eröffnet auf dem Bitcoin-Netzwerk eine Vielzahl von Anwendungen und damit ein neues Kapitel. Die Marktkapitalisierung von BRC-20-Token beträgt mittlerweile bereits mehrere Milliarden Dollar. Durch diese Token wird die Funktionalität des Bitcoin-Netzwerks erweitert und die Nachfrage nach Bitcoins erhöht. Mit der neuen Nachfrage steigen auch die Gebühren und damit die Einnahmen für die Miner.

Transaktionsgebühren steigen

Im Jahr 2023 stieg dieses Einkommen der Miner aus Transaktionsgebühren von 0,73 Prozent zu Jahresbeginn auf 10 Prozent im November, was zu über 10 Millionen Dollar täglich Gebühreneinnahmen führt. Das ist einerseits eine positive Entwicklung für die Miner, da sich die Einnahmen aus dem Mining durch die Halvings stets reduzieren und mit Erreichen von 21 Millionen Coins ganz wegfallen werden. Die höheren Gebühren verdrängen aber Transaktionen aus dem Bitcoin auf Layer-2-Netzwerke wie Ligthning oder Stacks. Diese Netzwerke basieren auf der Bitcoin-Blockchain und profitieren von deren Sicherheit, doch nicht jede Transaktion wird vollständig auf der Blockchain abgewickelt. Das macht die Ausführung schneller und günstiger.

Doch das Epizentrum der Web3-Anwendungen bleibt Ethereum. Als Reaktion auf die eingangs erwähnte Bitcoin-ETF-Zulassung hat der Ether in den vergangenen Wochen stark zugelegt. Zum ersten Mal seit Oktober 2022 übertraf der Ethereum-Coin den «grossen Bruder». Der Ether verzeichnete auch eine erhöhte Aktivität auf dem Derivatemarkt, was auf eine mögliche Verlagerung der Kapitalströme hindeutet.

Und jetzt der Ether-ETF?

Kurz nach der Zulassung des Bitcoin-ETF haben mehrere Emittenten einen Antrag auf einen ETF für Ethereum gestellt oder ihre Bereitschaft bekundet, sich für einen solchen einzusetzen. Das dürfte den Optimismus der Anleger angeheizt haben. Es dürfte aber aufwändig werden, die Genehmigung für einen Ether basierten ETF zu erhalten. Es ist entscheidend, dass die SEC den Ether nicht als Wertschrift einschätzt, damit er in einem Wertpapier (ETF) handelbar gemacht werden kann.

Als die SEC zahlreiche Klagen gegen die weltgrösste Kryptobörsen Binance und Coinbase einreichte, war der zentrale Vorwurf, die Börsen hätten mit Wertschriften gehandelt, ohne dafür die Bewilligung als Wertschriftenhändler zu besitzen. Die SEC stufte 68 Token als Wertschriften ein – ausgenommen waren damals der Bitcoin und der Ether. Die US-Börsenaufsicht stellte sich beim Bitcoin-ETF quer, bis der Druck von Anbietern und Anlegern zu gross wurde. Im Oktober 2023 hat die SEC die ersten Ether-Futures-ETF zugelassen, das darf als erster Schritt für einen Spot-ETF erachtet werden. Es dauerte beim Bitcoin rund zwei Jahr von der Zulassung des Futures-ETF bis zum Spot-ETF.

Zahlreiche Smart-Contract-Plattformen

Genau wie Ethereum, sind auch Cardano, Polkadot und Solana Smart-Contract-Blockchains. Diese Plattformen sind im Vergleich zu Ethereum leistungsfähiger und günstiger. Doch die Wertentwicklung ist viel volatiler, auch weil die Marktkapitalisierung deutlich tiefer ist. Die Entwicklung von Solana zeigt die Probleme solcher «Herausforderer». Bis im November 2021 stieg der Wert von Solana im Krypto-Boom überdurchschnittlich an. Dann führten Ausfälle der Blockchain und die enge Verbindung mit der Skandalbörse FTX zu einem aussergewöhnlichen Kurszerfall. Mittlerweile hat sich Solana wieder zu fünftwertvollsten Kryptowährung hochgearbeitet. Für eine Bewertung solcher Plattformen ist eine Einschätzung der darauf basierten Web3-Anwendungen entscheidend, was die meisten Investoren überfordern dürfte.

Der Bitcoin ist in den vergangenen Jahren im Krypto-Sektor immer dominanter geworden. Seit dem Kollaps der Handelsplattform FTX von Sam Bankman-Fried im November 2022 hat der Bitcoin seine Marktdominanz von 38,9 auf 49,8 Prozent gesteigert (vgl. Grafik). Ob das so bleibt, hängt auch davon ab, welche Eigenschaften von Krypto zukünftig höher eingeschätzt werden: Jene als Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel (Bitcoin) oder jend als «Betriebssytem» für das expandierende Web3 (Ether, Cardano, Solana etc.). Die Stable-Coins werden als «Gegenpartei» in Kryptotransaktionen wohl im Ausmass des Gesamtmarktes expandieren.

Zu guter Letzt: Natürlich haben Faktoren, die den traditionellen Finanzmarkt beeinflussen auch einen Einfluss auf die Notierungen der Kryptowährungen. Zuletzt haben sich die Hoffnungen der Investoren auf eine rasche Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve – und in ihrem Fahrwasser von anderen westlichen Währungshütern – etwas zerschlagen. An der Börse korrigierten in Folge Risikoanlagen und Aktien, deren erwartetes hohes Gewinnwachstum in weiter Ferne liegt, mit Kursabgaben. Auch die Kryptowährungen werden als Risikoanlagen eingeschätzt.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Larry Fink adelt den Bitcoin

Ist es Werbung um den eigenen ETF zu pushen oder ist der Kritiker zum Fan geworden? Larry Fink, der CEO des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock, tourt durch die Studios von US-Business-TV-Stationen wie CNBC oder Fox und preist dabei die Vorzüge des Bitcoins an. Bis vor etwa drei Jahren sei er noch skeptisch gegenüber Bitcoin eingestellt gewesen, ein Neinsager, sagt Fink selbst. Vor etwa zwei Jahren habe er seine Meinung geändert und sei ein grosser Anhänger geworden. Er sei eine alternative Quelle zur Vermögensaufbewahrung. Eine Währung werde der Bitcoin zwar nie sein, jedoch stelle der Bitcoin durchaus eine Anlageklasse dar. Die Kryptowährung sei «grösser als jede Regierung». Wenn man Bürger in einem Land sei, in dem man um die Zukunft bange, Angst vor der Regierung habe oder besorgt sei, dass diese die Währung durch hohe Defizite abwerte, sei es ein grossartiges langfristiges Wertaufbewahrungsmittel – eben digitales Gold.


Grayscale profitiert nicht vom ETF-Boom

Auch Grayscale erhielt am 11. Januar eine ETF-Zulassung für einen Bitcoin-ETF von der SEC. Doch die Ausgangslage war speziell. Grayscale wandelte sich von einem Trust zu einem börsenkotierten Indexfonds. Doch statt wie die übrigen ETF Zuflüsse zu verzeichnen, verlor Grayscale verwaltete Bitcoin in der Höhe von weit über 3 Milliarden Dollar. Die Abflüsse, die auch für die jüngste Bitcoin-Schwäche verantwortlich gemacht werden, werden grösstenteils der nicht mehr existierenden Kryptobörse FTX zugeschrieben. Der Nachlassverwalter soll Berichten zufolge zwei Drittel der 22,3 Millionen GBTC-Anteile innerhalb von drei Handelstagen verkauft haben. Gemäss Eric Balchunas, ETF-Analyst für den Nachrichtendienst Bloomberg, hat Grayscale bis zum 23. Januar Abflüsse in Höhe von 13 Prozent der ausstehenden Aktien zu verzeichnen. Der Analyst geht davon aus, dass sich die Abflüsse nun verlangsamen dürften. Balchunas startet aber eine Umfrage auf X (ehemals Twitter), wie hoch die Abflüsse noch werden würden. Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass diese noch auf 35 bis 50 Prozent steigen könnten.


Teslas Bitcoin-Konto bleibt unverändert

Die Gewinnzahlen für das vierte Quartal fielen am unteren Rand der Erwartungen aus und der Aktienkurs korrigierte markant. Doch die Bitcoin-Strategie des Elektroautobauers bleibt unverändert. Die digitalen Vermögenswerte von Tesla, die ausschliesslich aus Bitcoin bestehen, belaufen sich weiterhin auf 9720 Coins im Wert von 387 Millionen Dollar. Damit ist Tesla das Unternehmen mit dem viertgrössten Bitcoin-Bestand hinter MicroStrategy, Galaxy Digital Holdings und Marathon Digital Holdings. Im Februar 2021 baute der Autokonzern ein Bitcoin-Portefeuille von 43’000 Bitcoins mit einem Wert von 1,5 Milliarden Dollar auf. Ursprünglich plante das Unternehmen von Elon Musk den Bitcoin als Zahlungsmittel zu akzeptieren, revidierte diese Entscheidung jedoch später im Jahr aufgrund der Unsicherheiten rund um die Covid-19-Pandemie. Bis zum zweiten Quartal 2022 veräusserte Tesla dann drei Viertel des Bitcoin-Bestandes.