Reto Inauen* traf der Schlag, als er einen Brief der UBS öffnete. Darin wird dem ehemaligen CS-Topmanager beschieden, über 100’000 Franken an die Grossbank zu überweisen. Innerhalb von 30 Tagen soll er einen Teil seines Bonus zurückzahlen, den er im Jahr 2022 erhalten hatte. Um es Inauen einfach zu machen, legte die Grossbank dem Brief einen vorgedruckten Einzahlungsschein mit QR-Code bei.
Der Hintergrund: 2022 spitzte sich die Lage bei der Credit Suisse zu. Die Bank kürzte die variablen Vergütungen. Viele Führungskräfte sprangen ab. Um die Leistungsträger an die Bank zu binden, tüftelten die damaligen CS-Chefs um Thomas Gottstein ein spezielles Bonusprogramm aus. Die Idee des sogenannten «Upfront Cash Awards»: Trotz Krise sollten ausgewählte CS-Cracks sofort einen grosszügigen Bargeld-Bonus erhalten, wenn sie sich langfristig verpflichteten.
Auch Inauen gehörte zum Kreis der Cash-Award-Empfänger. Er spielte eine wichtige Rolle im Asset Management der Credit Suisse. Die Ausschüttung der Gelder war an die vertragliche Bedingung geknüpft, bis 2025 bei der Credit Suisse zu bleiben. Wer früher kündigt, muss einen Teil zurückzahlen: nach einem Jahr zwei Drittel, nach zwei Jahren noch ein Drittel des Bonus.
Insgesamt schüttete die Bank 1,2 Milliarden Franken an Upfront Cash Awards aus. Davon profitieren viele Investmentbanker in den USA und England, aber auch Private Banker oder Vermögensverwalter in der Schweiz.
«Meint es die UBS wirklich ernst?»
Doch Reto Inauen wollte das Geld nicht zurückzahlen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es die UBS wirklich ernst meinte. Schliesslich habe sich die Ausgangslage nach der Übernahme grundlegend verändert. Zudem konnte die UBS die Credit Suisse für ein «Butterbrot» übernehmen. Doch die Grossbank blieb hart. Sie zog den Fall vor Gericht, das kürzlich im Sinne der UBS entschied.
So wie Inauen erging es auch anderen ehemaligen Kadermitarbeitern der Credit Suisse. Laut Quellen gibt es in der Schweiz bisher nur wenige Gerichtsentscheide. Die meisten Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Das Bundesgericht hat sich noch nicht mit den Fällen befasst. Dass CS-Kaderleute die Boni aus eigener Tasche zurückzahlen müssen, ist eher die Ausnahme. In den meisten Fällen übernimmt der neue Arbeitgeber die Forderung.
Ende 2023 wurde bekannt, dass die Bank insgesamt 651 Millionen von ehemaligen CS-Mitarbeitenden zurückfordert. Mittlerweile dürfte diese Zahl kleiner sein. Die UBS wollte sich auf Anfrage nicht zu Einzelheiten äussern.
In der Schweiz ist der Rechtsweg für die UBS einfacher als im Ausland. Rückforderungen in Hongkong, Singapur oder in den USA durchzusetzen, dürfte schwieriger und aufwändiger sein. Banker zur Verantwortung zu ziehen, die beispielsweise bei der CS in Singapur angestellt waren und nach ihrer Kündigung nach Dubai ausgewandert sind, dürfte nahezu aussichtslos sein.
*Name geändert.
Der Autor ist Herausgeber von tippinpoint. Er schreibt regelmässig für den Sonntagsblick. Dort wurde der vorliegende Artikel am 26.5.2024 zuerst publiziert.