Digital Assets Briefing
Der Erfinder des Bitcoins ist ein Mysterium. In dieser Woche wurde einmal mehr behauptet, das Geheimnis sei gelüftet. Was würde sich ändern, wenn die Welt wüsste, wer Satoshi Nakamoto ist?
12. Oktober 2024 • Werner Grundlehner

Es war typisch Hollywood – much ado about nothing. Am Dienstag strahlte der US-Streaming-Dienst HBO den Film «Money Electric: The Bitcoin Mystery» aus. Der Trailer versprach vollmundig: «Das grösste Geheimnis des Internets wird gelüftet.» Die wahre Identität des Bitcoin-Schöpfers, von dem nur das Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt ist, werde aufgedeckt. Der Beweis blieb aus. Der Filmemacher Cullen Hoback führte einige Chat-Protokollnachrichten an, die beweisen sollen, dass der Entwickler Peter Todd die lange gesuchte Person sei.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Ein einheitlicher Rechtsrahmen für Krypto-ETP
• Währungsfonds drangsaliert Bitcoin-Land


Todd selbst hatte, wie in der Doku gezeigt, mehrmals darüber gescherzt, Satoshi Nakamoto zu sein (das ist jedoch ein verbreiteter Scherz in der Szene). Doch der vermeintliche Bitcoin-Erfinder schrieb auf der Plattform X unmittelbar nach der Ausstrahlung «I’m not Sathoshi». Laut eigenen Aussagen erwarb Peter Todd 2010, zwei Jahre nach Erscheinen des White Papers, seine ersten Bitcoins. Das Rätsel bleibt also weiter ungelöst.

Ist die Enttarnung von Satoshi Nakamoto überhaupt wichtig? Könnte sie der Kryptowährung gar gefährlich werden? Die Entscheidung, anonym zu bleiben, vor allem angesichts des Drucks von Regierungen und etablierten Finanzinstitutionen, war mitentscheidend dafür, dass sich der Bitcoin organisch entwickeln konnte, frei vom Einfluss einer zentralen Institution. Zudem könnte Satoshi die Bitcoin-Notierung gehörig in Bewegung versetzen. Falls er eine real existierende Person ist, gehört er zu den Reichsten der Welt. Die Bestände auf Satoshi Nakamotos Wallets werden auf 1,1 Millionen Bitcoin geschätzt, das sind im Moment gegen 70 Milliarden Dollar.

Geburtstag an Halloween

Der Ursprung des Bitcoin-Rätsels geht auf Halloween 2008 zurück. Am 31. Oktober in diesem Jahr publizierte jemand – oder eine Gruppe – unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Whitepaper mit dem Titel: «Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System». Bereits zwei Monate später stand die Software dazu. Doch nur wenige nahmen davon Kenntnis. Den Investoren war Wochen zuvor wegen des Konkurses von Lehman Brothers und riesiger Engagements von Grossbanken in den taumelnden US-Immobilienmarkt der Schreck in die Glieder gefahren. Der Bitcoin war ein Gegenentwurf zu den verschachtelten, nicht transparenten Verbuchungen von verbrieften Hypotheken. Die Kryptowährung hatte aber einen langen Weg vor sich und baute sich nur langsam eine Fangemeinde auf.

Mittlerweile ist Bitcoin in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Die Ur-Kryptowährung war zudem Ideengeber und Basis für mittlerweile rund 10’000 Kryptowährungen. Der Bitcoin wird aber nur teilweise so eingesetzt, wie im Grundsatzpapier vorgesehen. Die Wertaufbewahrung und die Spekulation mit der Kryptowährung haben den Einsatz als Zahlungsmittel in den Hintergrund gedrängt. Eine an- und abschwellende Anleger-Hysterie sorgt für wilde Ausschläge im Wert des Bitcoins – und als Folge im gesamten Krypto-Markt. Der Bitcoin ist der unbestrittene Anführer der Branche.

«Habe mich anderen Dingen zugewandt»

Am 23. April 2011 liess sich Satoshi Nakamoto zum letzten Mal vernehmen. «Habe mich anderen Dingen zugewandt», schrieb er in einer kryptischen E-Mail an die ersten Bitcoin-Entwickler. Er übergebe den Bitcoin der Community. Bitcoin-Kernentwickler Mike Hearn hatte zuvor die letzten E-Mails mit Nakamoto über die Herausforderungen und technischen Aspekte der Implementierung von Bitcoin-Funktionen zur Kontrolle von Spam mit Hilfe von Bitcoin publiziert.

Nakamotos Bedeutung innerhalb des Bitcoin-Ökosystems ist monumental. Er ist nicht nur der Gründer von Bitcoin, sondern verkörpert auch die philosophische Essenz der Kryptowährung. Das Bitcoin-Whitepaper und andere seiner Schriften werden regelmässig in Debatten über die Entwicklung von Bitcoin angeführt. Beim umstrittenen Forking (Abspaltung) von Bitcoin Cash behaupteten beispielsweise beide Fraktionen, sich an Nakamotos Vision zu orientieren.

Aufdeckung auf Aufdeckung

Der HBO-Flop bei der Sathoshi-Aufdeckung ist kein Einzelfall: Im Jahr 2014 «recherchierte», das US-Magazin Newsweek aufgrund zufälliger Ähnlichkeiten, wie etwa ihrer libertären Einstellung, ihrer japanischen Herkunft und identischem Namen, dass Dorian Nakamoto der Schöpfer von Bitcoin sei. Diese Behauptung wurde jedoch von Dorian selbst widerlegt, der erklärte, er habe nichts mit Bitcoin zu tun. Die Empörung der Community über den Eingriff in seine Privatsphäre führte zu einer Crowdfunding-Entschuldigung, bei der über 100 Bitocin zur Unterstützung des falschen Nakamoto gesammelt wurden.

Im Vorfeld der HBO-Ausstrahlung gab es viele Wetten, wer wohl als Satoshi Nakamoto enthüllt werde. Die höchste Quote wies dabei Len Sassaman auf. Er galt in der Privatschule im US-Staat Pennsylvania als Wunderkind in der Kryptografie. Noch als Teenager zog Sassaman nach San Francisco und wurde Mitglied einer Bewegung für Computersicherheit. Er studierte zudem bei David Chaum, der als «Pate der Kryptografie» gilt. Am 3. Juli 2011 beging Sassaman, der an Depressionen litt, im Alter von 31 Jahren Suizid. Etwa zwei Monate vor Sassamans Tod, verschickte Nakamoto seine letzte E-Mail an die Bitcoin-Gemeinschaft.

Auch Gerichte werden bemüht

Immer wieder kommen Analysen zum Schluss, Nick Szabo sei der eigentliche Satoshi. Szabo gilt als Pionier des Konzepts der Smart Contracts und konzipierte im Jahr 2008 «Bit Gold», einen Vorläufer von Bitcoin. Wegen stilistischer Ähnlichkeiten zwischen seinen und Satoshis Schriften und Szabos Beteiligung an frühen kryptografischen digitalen Zahlungen glauben einige, dass er der echte Nakamoto sein könnte. Ausserdem hat die Verwendung des Wortes «wir» im Bitcoin-Whitepaper zur Überzeugung geführt, dass Satoshi Nakamoto ein Kollektiv von Personen ist.

Es wurden auch schon Gerichte bemüht, um die Identität des Bitcoin-Erfinders aufzudecken. Im Jahr 2016 behauptete der Unternehmer Craig Wright, der Erfinder von Bitcoin zu sein. Das Pseudonym Satoshi Nakamoto habe er vom historischen japanischen Philosophen Tominaga Nakamoto übernommen. Es kam zu einem Prozess, weil Wright angeblich den Bitcoin zusammen mit dem 2013 verstorbenen Computer-Forensik-Experten Davide Kleinmann erfunden habe. Kleinmanns Familie machte geltend, Wright habe den «Miterfinder» über den Tisch gezogen und nehme nun die Erfindung der Ur-Kryptowährung für sich in Anspruch. Wright veröffentlichte zum Beweis, dass er der Erfinder sei, eine digitale Signatur, die nur durch Nakamotos privaten kryptografischen Schlüssel erzeugt werden konnte. Später zeigte sich aber, dass es sich dabei nur um eine kopierte Signatur von 2009 handelte. Der Prozess ging ergebnislos zu Ende.

Geheimdienste und Strafverfolger stochern im Nebel

Die Unabhängigkeit und Anonymität des Bitcoin-Erschaffers war zumindest in den Anfangszeiten eine Notwendigkeit und dürfte auch heute noch ein Schlüssel zum Erfolg sein. Als Wikileaks sich 2011 entschied, Bitcoin-Spenden zu akzeptieren (als erste Organisation überhaupt), erregte dies die Aufmerksamkeit von Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden und gefährdete die Kryptowährung. Die gemeinschaftliche und dezentrale Organisation der Kryptowährung liess diese Stellen aber ins Leere laufen.

«Trotz der Kontroverse über die Identität von Satoshi bleibt das grundlegende Wertversprechen von Bitcoin unverändert», schreibt der ETP-Dienstleister 21Shares in einer Mitteilung zur HBO-Ausstrahlung. Von Satoshi habe man seit fast 14 Jahren nichts mehr gehört und, soweit bekannt, habe er seit den Anfängen von Bitcoin keine Transaktionen mehr unterzeichnet. «Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er plötzlich in einer Weise aktiv werden würde, die den Markt stören würde. Die Rolle von Bitcoin als Absicherung gegen die Entwertung von Währungen und als dezentraler Wertespeicher bleibt intakt.»

Die Kernprinzipien von Bitcoin als Plattform bleiben unangetastet, die frei von zentraler Kontrolle ist. Selbst wenn Satoshi wieder auftauchen sollte, würde er nicht die Kontrolle über die Bitcoin-Codebasis haben. Die Entwicklung von Bitcoin wird heute von einer globalen Gemeinschaft vorangetrieben, die sicherstellt, dass kein Einzelner, nicht einmal sein Schöpfer, die Prinzipien einseitig ändern kann.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Währungsfonds drangsaliert Bitcoin-Land

Der Internationale Währungsfonds (IWF) drängt das zentralamerikanische Land El Salvador, den Geltungsbereich des Bitcoin-Gesetzes einzuschränken. Zugleich bedürfe es mehr Regulierung und eine strengere Aufsicht im Bitcoin-Ökosystem. Vor über drei Jahren machte Nayib Bukele, der Präsident von El Salvador, Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Seitdem tätigte das Land diverse Käufe, um die staatlichen Reserven aufzustocken.

Gemäss dem «Nayib Bukele Portfolio Tracker» besitzt das Land gegenwärtig 5894 Bitcoins, die zu einem Durchschnittskostenpreis von 44'000 Dollar erworben wurden. Der IWF drängt zudem darauf, das Risiko für den öffentlichen Sektor durch Bitcoin zu minimieren. Gleichzeitig wurder der Haushaltsentwurf für 2025 gelobt. Neutrale Beobachter kritisieren, dass El Salvador trotz beeindruckender wirtschaftlicher Erfolge vom IWF unter Druck gesetzt werde. Gemäss Bukulele habe die Einführung von Bitcoin im Land nicht den erhofften Erfolg gebracht. Der Präsident betonte, dass die Bitcoin-Nutzung freiwillig sei.


Ein einheitlicher Rechtsrahmen für Krypto-ETP

Die aktuellen EU-Vorschriften für die Aufnahme von Kryptowährungen in Fonds von Unternehmen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (UCITS) sind uneinheitlich und variieren von Land zu Land. Das verunsichert insbesondere Privatanleger. Der Krypto-Dienstleister 21Shares hat diese Woche die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) aufgefordert, einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Einbeziehung von Kryptowährungen in Anlageprodukten zu schaffen.

Die Leiterin der Abteilung für die Entwicklung von Finanzprodukten bei 21Shares schreibt in der Erklärung, dass die derzeitigen Vorschriften ein «Flickenteppich» seien, der Verwirrung stifte und Kleinanleger vom Einstieg in digitale Vermögenswerte abhalte. Die ESMA hat im Frühling eine Konsultation zur Überprüfung der zulässigen Vermögenswerte für UCITS gestartet, die Anfangs August abgeschlossen wurde. Die Aufsichtsbehörde prüft nun die Rückmeldungen, um einen Ansatz für mögliche Änderungen an ihrem Rechtsrahmen zu entwickeln. Das Schweizer Unternehmen 21Shares bietet über 40 ETP auf 11 Börsenplätzen an. Gemeinsam mit dem Vermögensverwalter ARK-Invest betreibt 21 Shares in den USA einen Bitcoin-Spot-ETF der rund 2,6 Milliarden Dollar verwaltet.

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