Es sind nicht nur die US-Wahlen, die den Bitcoin-Kurs Richtung Höchstwert treiben. An der Generalversammlung (GV) vom 10. Dezember stimmen die Aktionäre von Microsoft darüber ab, ob die liquiden Mittel in Kryptowährung diversifiziert werden sollen. Ein solcher Entscheid wäre ein Paukenschlag für den Kryptosektor. Die Integration von Bitcoin in traditionelle Konzernbilanzen würde nicht nur eine Neubewertung der Kryptowährung bedingen, sondern auch eine ganze Reihe an Nachfolgern animieren. Bitcoin wäre auf dem Weg zum strategischen Asset für Unternehmen und Staaten einen Schritt weiter.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Höchster Neugeld-Zufluss für BlackRocks Bitcoin ETF
• Ein indirektes Upgrade für Bitcoin
Doch noch ist es nicht so weit. Der Vorschlag stammt nicht vom Microsoft-Management, sondern von einer Gruppe von Aktionären. Was steckt hinter dem Vorstoss und wie wahrscheinlich ist es, dass der US-Tech-Riese bald in Bitcoin investiert?
Anleihen gleichen Teuerung nicht aus
Der Vorschlag ist als fünfter Punkt der Generalversammlung traktandiert, wie die Eingabe an die Börsenaufsicht SEC zeigt. Auch wenn der Microsoft-Verwaltungsrat den Entscheid ablehnt, darüber diskutiert wird an der GV sowieso. Die Antragsteller argumentieren, dass Microsoft seine Bilanz weiter diversifizieren und Bitcoin als Mittel zum Schutz vor Inflation in Betracht ziehen sollte. «Angesichts eines durchschnittlichen Inflationsniveaus von über 5 Prozent in den vergangenen Jahren ist das Halten von Staats- und Unternehmensanleihen nicht ausreichend, um das Unternehmensvermögen zu bewahren», heisst es im Antrag. Dieser fordert Microsoft auf, zumindest eine Evaluierung vorzunehmen, ob eine geringe Bitcoin-Allokation, etwa 1 Prozent des Vermögens, langfristig vorteilhaft für die Aktionäre sein könnte.
Ist ein Unternehmen verpflichtet, die eigenen Reserven zu schützen und eine Performance über der Inflation zu erzielen? «Nein, hier gibt es keine Vorgaben, dass die Anlage der liquiden Mittel besser rentiert als die Teuerung. Die Argumentation und Intention der Microsoft-Aktionäre ist aber nachvollziehbar», sagt Fabian Danko stellvertretender Leiter Corporate Finance & Corporate Banking an der ZHAW. Aber es gelte zu berücksichtigen, dass Risiko und Rendite auf den Finanzmärkten unwiderruflich zusammenhängen. Regulatorisch sind gemäss Danko auch Investitionen in weitere Anlageklassen (Kunst, Wein etc.) oder in Alt-Coins durchaus möglich. Aus Perspektive des Risikomanagements würde er im Bereich der Krypto-Assets aber einzig noch Ether als halbwegs äquivalente Variante betrachten.
Ein Riesenvermögen in Bonds
Ende März wies Microsoft ein Gesamtvermögen von 484 Milliarden Dollar aus, wovon der grösste Teil in amerikanischen Staats- und Unternehmensanleihen investiert ist. Die kurzfristigen, historischen Zahlen untermauern die Argumente der Antragsteller: Die durchschnittliche Inflationsrate in den USA betrug in den vergangenen vier Jahren nach dem Verbraucherpreisindex – der oft als ungenügendes Mass zur Teuerungsmessung eingeschätzt wird – knapp über 5 Prozent und erreichte im Juni 2022 kurzfristig ein Höchst von über 9 Prozent. Mehrere Studien schätzen die Teuerung in den Vereinigten Staaten sogar deutlich höher ein.
In seinem Newsletter «Berglinde» schreibt der Blockchain-Experte Phil Lojacono: «Der Zweck eines Unternehmens ist im Endeffekt sehr simpel. Mit den vorhandenen Ressourcen sollte aus dem Input ein grösserer Output generiert werden. Sprich, wenn ein Unternehmen 1000 Einheiten einkauft, 200 selbst investiert, sollte das Resultat idealerweise für mehr als 1200 Einheiten an den Markt gebracht werden können. Verlieren diese Einheiten allerdings konstant an Wert, wird es komplexer. Wenn die Abwertung sowohl im Input, der Wertschöpfung und im Output gleichzeitig stattfindet, ist es okay. Das ist aber nicht realistisch. Löhne verändern sich träger als Rohstoffpreise, Währungskurse verändern sich schneller als Produktionszeiten etc. Was Unternehmen also benötigen, ist ein Gegenstück zu einer sich gezwungenermassen ständig abwertenden Währung. Und das ist der Bitcoin».
Performance als Argument
Bis Mitte Juni des laufenden Jahres verdoppelte sich die Bitcoin-Notierung gegenüber dem Vorjahr und übertraf damit Unternehmensanleihen um durchschnittlich 94 Prozent. In den letzten fünf Jahren stieg der Preis von Bitcoin um über 400 Prozent und wies damit eine um etwa genau diesen Wert höhere Performance als Anleihen aus.
Trotzdem: Der Verwaltungsrat von Microsoft lehnt den Vorschlag ab. Das Management analysiere stets umfassend alle vorhandenen Investitionsmöglichkeiten. Microsofts Global Treasury und Investment Services-Team würden gemäss Unternehmen kontinuierlich verschiedene Anlageformen, einschliesslich solcher mit Inflationsschutz und Diversifikationseffekten, evaluieren, um die finanzielle Stabilität zu sichern. Microsoft führt aus, dass Kryptowährungen wie Bitcoin bereits geprüft worden seien und diese würden weiterhin beobachtet, um zukünftige Entscheidungen fundiert zu treffen. Die Investmentpolitik sei auf Stabilität und Vorhersehbarkeit ausgerichtet, um Liquidität und operative Finanzierung sicherzustellen, angesichts der hohen Volatilität seien Kryptowährungen dazu nicht geeignet.
Vorgaben für die Anlage der Reserven
Die hohe Volatilität schreckt zahlreiche Unternehmen ab. Grössere Schwankungen würden sich auf das Unternehmensergebnis auswirken. Weil der Bitcoin keinen inneren Wert besitzt, könnte der Markt im unwahrscheinlichen Fall eines starken Nachfragerückgangs schnell illiquid werden, was einen stabilen Marktpreis unmöglich macht. Das Unternehmen würde dann nahezu einen Totalverlust auf der Investition erleiden. Diese Argumentation lässt sich aber auch beim Gold anführen.
«Die Investition von Cash-Reserven ist regulatorisch nicht geregelt und hängt daher eher vom Risikoappetit des Unternehmens ab», sagt Fabian Danko. Buchhalterisch sieht der Experte zwei Aspekte: korrekter Ausweis in der Bilanz und Bewertung. «Bitcoins sind wie alle anderen Aktiven vollständig, wahrheitsgetreu und systematisch in der Buchhaltung zu erfassen», sagt Danko. Die Bilanzierung und Bewertung von Krypto-Assets hätten in der Schweiz den individuellen Eigenschaften und Charakteristika der jeweiligen Tokens (gemäss Finma-Kategorisierung) Rechnung zu tragen. Bei Bitcoins handelt es sich um sogenannte Payment Token. Möglich ist eine Bilanzierung als Wertschriften – sowohl im Umlauf- wie auch im Anlagevermögen –, als Vorräte oder als immaterielle Anlagen. Nicht sachgemäss sei die Berücksichtigung als Flüssige Mittel oder Forderungen. Bei Utility Token bevorzugt die Regulierung die Bilanzierung als immaterielle Werte oder als Vorräte.
Statuten können ökologische Hürden beinhalten
«Buchhalterisch gibt es keinerlei Probleme diesbezüglich – Accounting schreibt nicht vor, was man kauft, nur, wie man es abbildet, erfasst und bewertet», sagt Professor Marco Passardi, vom Institut für Finanzdienstleistungen IFZ, Zug. Rechtlich wäre zu prüfen, ob ein Investment im Sinne der Aktionäre ist oder nicht. Es gehöre zu den Aufgaben von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, Entscheidungen im Sinne der Aktionäre zu treffen.
Die Entscheide müssen gemäss Passardi zudem den Statuten entsprechen – dort könnten Einschränkungen bei der Anlage stehen. Heute häufig zur Debatte stehen Restriktionen bezüglich ökologischer Anliegen oder Nachhaltigkeit. «In der Herstellung stromintensiver Kryptowährungen könnten, wenn diese statutarischen Hürden bestehen, hier eventuell Probleme entstehen», so der Professor. Zu erwähnen ist, dass gemäss Schweizer Recht (Art. 725a OR) die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gegeben sein muss. Die Anlage liquider Mittel in Bitcoin u.ä. dürfe dies nicht einschränken.
Der Microsoft-Kurs stockt
Der Vorschlag könnte bei zahlreichen Microsoft-Aktionären auf Interesse stossen, denn Microsoft hat etwas an Magie verloren. Die Aktie zählt wegen ihrer herausragenden Performance in den vergangenen Jahren zu den «Glorreichen Sieben» – das sind die Tech-Aktien, die fast allein für die überdurchschnittliche Performance des US-Aktienmarktes verantwortlich sind. Doch im laufenden Jahr ist die KI-Begeisterung bei Microsoft abgeflacht. Die Aktien sind unter den «Glorreichen Sieben» die zweitschlechteste – nur noch besser als Tesla.
Microsoft wäre nicht das erste Unternehmen, dass die eigenen Reserven in Bitcoin investiert – aber weitaus das grösste. Der Pionier ist das US-Software-Unternehmen MicroStrategy. Die Gesellschaft hat seit 2020 kontinuierlich Bitcoin erworben und besitzt mittlerweile 252’000 Bitcoin, die aktuell einen Wert von rund 18 Milliarden Dollar verkörpern. Dieses Vorgehen wird mittlerweile von Dutzenden Unternehmen weltweit kopiert – dies sind aber zumeist «kleine Fische». Zuletzt machte etwa die japanische Metaplanet Schlagzeilen, als sie bekannt gab, rund 640 Bitcoin erworben zu haben. Seit das japanische Unternehmen im Frühling damit begonnen hat, Bitcoin zu erwerben, haben die Metaplanet-Titel an der Börse Tokio um 500 Prozent zugelegt. Microsoft wäre da aber eine ganz andere Hausnummer, bereits 1 Prozent der Reserven würde einem Engagement in Bitcoin von rund 5 Milliarden Dollar entsprechen.
Eine umfassende Aufstellung welche Firmen ihre Reserven (oder Teile davon) in Bitcoin investieren, finden Sie hier.
Stagnation im Stammgeschäft
«MicroStrategy ist das Extrembeispiel eines Tech-Unternehmens, das seinen Ertrag mit strategischen Bitcoin-Investitionen enorm steigern konnte», sagt Stefan Höchle, Leiter Investment Strategy bei Digital Asset Solutions AG. Der Softwarehersteller generiere durch sein Kerngeschäft rund 500 Millionen Dollar jährlich und seit über einer Dekade stagniere diese Zahl, da der Geschäftsbereich wenige Expansionsmöglichkeiten biete. Dann begann die Firma 2020 mit der ersten Allokation in Bitcoin von 250 Millionen. In den Monaten und Jahren darauf investierte MicroStrategy seine gesamten Reserven sowie zusätzliches Fremdkapital in das «digitale Gold». Die Strategie zahlt sich gemäss Höchle aus. Mittlerweile sitze das Unternehmen auf 8,4 Milliarden Dollar unrealisierten Gewinnen. «Bereits ein Bruchteil dieser Investitionen hätte aber gereicht, um gegenüber Konkurrenten die Nase vorn zu haben», ergänzt der Digital-Asset-Solution-Manager.
An der Börse scheint die Bitcoin-Strategie aufzugehen. Die Aktien von MicroStrategy schlägt jene von Microsoft über alle Perioden. Im laufenden Jahr legten die Titel des kleinen Software-Hauses um 250 Prozent zu, während jene des grossen «nur» 18 Prozente avancierten. Die Fantasie der Krypto-Enthusiasten wird auch durch die grössten Aktionäre von Microsoft befeuert. Dies sind die US-Vermögensverwalter Vanguard, Blackrock, State Street und Fidelity. Blackrock und Fidelity haben zuletzt selbst zahlreiche Initiativen im digitalen Währungsmarkt gestartet. Für am meisten Aufsehen sorgte dabei die Lancierung von ETF (kotierten Börsenfonds), die den Kassakurs des Bitcoins abbilden und in wenigen Tagen mehrere Milliarden an Vermögen einsammelten.
Was stimmen Blackrock und Fidelity?
Doch die Vertreter der Vermögensverwalter, die an der Microsoft-GV teilnehmen, haben andere Interessen und Vorgaben als die Unternehmensbereiche, die eine Krypto-Strategie entwickeln. Es ist also keinesfalls gesichert, dass Blackrock und Fidelity für das Bitcoin-Engagement stimmen werden. «Wir halten es für unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Aktionäre für den Vorschlag stimmen wird», sagt Höchle. Dennoch würden Unternehmen zunehmend unter Druck stehen, sich mit dem Thema zu befassen. «Es wäre nicht verwunderlich, wenn einige der hartnäckigen Bitcoin-ETF-Käufer der vergangenen Wochen börsennotierte Unternehmen waren», ergänzt er.
Ein Grund, dass in den USA der Bitcoin in den Unternehmensbilanzen an Popularität gewinnen wird, ist auch eine Änderung der Buchlegungsvorschriften. Aber 1. Dezember darf der Bitcoin zum «Fair value» gebucht werden. Unternehmen dürften Kursgewinne und Verluste jeweils verbuchen. Bislang musste der Bitcoin zum Einkaufspreis geführt und ständig abgeschrieben werden – vergleichbar mit Mobiliar. Gewinne durften wiederum nur verbucht werden, wenn Bitcoins tatsächlich verkauft wurden.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Höchster Neugeld-Zufluss für Blackrocks Bitcoin ETF
Ein Tag vor Halloween verzeichnet der iShares Bitcoin Trust ETF (Börsenkürzel IBIT) des US-Vermögensverwalters Blackrock einen Zufluss von Kundengeldern in Höhe von 875 Millionen Dollar. Das ist der höchste Wert seit dem Handelsstart der Bitcoin-ETF im Januar. Doch nicht nur der Indexfonds von Blackrock läuft, auch die Konkurrenten verzeichnen hohe Inflows. In weniger als 12 Monaten haben die ETF-Emittenten über eine Million BTC akkumuliert. Der iShares-ETF verteidigt mit Vermögenswerten von 25,8 Milliarden Dollar die Spitzenposition. Auf Rang Zwei und Drei folgen die ETF von Fidelity mit 10 und Bitwise mit 2,3 Milliarden Dollar Vermögen in Bitcoin.
Diese Zuflüsse erfolgten jedoch auch teilweise aus Bitcoin-Vermögen, denn der Grayscale Bitcoin Trust, der schon länger besteht, verlor hohe Volumen an die ETF der Konkurrenz, obwohl Grayscale im Januar ebenfalls einen ETF aufgelegt hat. Interessant ist, dass die ETF-Emittenten die Bitcoins nicht selbst kaufen. Hier besteht ein gewisses Klumpenrisiko: Bei acht von zehn Bitcoin-ETF übernimmt Coinbase die Verwahrung.
Ein indirektes Upgrade für Bitcoin
Stacks, das oft als Layer-2 von Bitcoin bezeichnet wird, rückt näher an die «Ur-Blockchain». In dieser Woche führte das Netzwerk eine geplante Hard Fork durch, nachdem das Nakamoto-Upgrade bereits im September von den Minern aktiviert wurde. Das Upgrade verbessert den Abgleich von Stacks mit Bitcoin, indem es Stacks-Blöcke enger an Bitcoin bindet. Stacks verwendet einen Konsensmechanismus namens Proof of Transfer (PoX), bei welchem die Transaktionen und Stacks-Blöcke mit Bitcoin verknüpft sind. Diese Abhängigkeit von Bitcoin macht die Stacks-Blockchain sicherer. Zudem erhöht das Upgrade die Transaktionsgeschwindigkeit. Stacks erzeugt nun etwa alle sechs Sekunden Blöcke – was die Benutzerfreundlichkeit für Entwickler und Nutzer verbessert. Durch diese Anpassungen wird es für Bitcoin-Besitzer einfacher und risikoärmer, ihre Coins zu verleihen, zu leihen und Rendite zu erzielen. Bisher wurden vor allem wegen Sicherheitsbedenken nur etwa 1 Prozent aller Bitcoins in DeFi investiert. Dieser Wert soll sich nun markant erhöhen. Der Krypto-Dienstleister 21Shares überschreibt ein Research-Papier euphorisch: «Das Nakamoto-Upgrade – Freisetzung von 1 Billion Dollar ungenutztem Kapital».