Stahlkocher in Turbulenzen
Das Luzerner Stahlunternehmen gerät immer mehr in Schieflage. Zu den Verhandlungen mit den Banken kommen nun auch noch Probleme mit Lieferanten, die auf Vorauszahlung pochen.
27. November 2024 • Beat Schmid

Am Dienstag brach der Aktienkurs von Swiss Steel um 11 Prozent ein. Erstmals seit dem Reverse Split rutschte der Kurs unter 2 Franken. Der Luzerner Stahlkonzern mit einem Milliardenumsatz wird nur noch mit knapp über 50 Millionen Franken bewertet. Seit der Kapitalerhöhung im April hat das Unternehmen 450 Millionen Franken an Wert verloren – eine beispiellose Wertvernichtung.



Das amtierende Management ist nicht in der Lage, die seit Monaten anhaltende Talfahrt zu stoppen. Der angekündigte Abbau von 800 Stellen kam sehr spät und hat die Situation nicht beruhigt. Die Lage wird für das Unternehmen immer prekärer. Nicht nur die Banken, die bei Swiss Steel eine Kreditlinie von 200 Millionen Franken offen haben, sind nervös. Sie stehen praktisch im Dauerkontakt mit dem Management. «Die Banken haben eine Standleitung ins Unternehmen», sagt ein Insider.

Aber auch die Lieferanten von Swiss Steel machen Druck. Wie tippinpoint erfahren hat, verlangen mehrere Zulieferer inzwischen Vorauszahlung. Das heisst, sie sind nur noch bereit, Ware zu liefern, wenn Swiss Steel die Rechnung im Voraus bezahlt. Dies tun Lieferanten in der Regel nur dann, wenn sie mit Zahlungsschwierigkeiten des Kunden rechnen. Im Stahlgeschäft sind Forderungslaufzeiten von rund 60 Tagen die Regel. Verkürzt sich diese Spanne auf null Tage, wirkt sich das negativ auf die Liquidität des Unternehmens aus. Das Unternehmen muss mehr Geld in der Kasse halten. Das kostet.

Swiss Steel bestätigt, dass Lieferanten Vorauszahlungen verlangen. Anina Berger, die Sprecherin von Swiss Steel, begründet dies zum Teil mit der Berichterstattung in den Medien: «Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass der Grund für die von Ihnen beschriebenen Reaktion von Lieferanten häufig die mediale Berichterstattung ist.»

Damit dürfte sie unter anderem Artikel von Tamedia und der NZZ meinen, die Ende Oktober schrieben, der Stahlkocher stehe «vor dem Kollaps». Ein Dauerthema sind die Gespräche, die der Stahlkonzern mit den Banken führt. Berger verweist auf Aussagen von CEO Frank Koch, der in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gesagt hat, es sei «fahrlässig bis gefährlich», solche «Gerüchte durch die Medien zu treiben».

Lage falsch eingeschätzt

«Das verunsichert unsere Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten», sagt Berger. In diese missliche Lage hat sich das Management allerdings selbst gebracht. Frank Koch hat die Lage auf dem Stahlmarkt mehrfach falsch eingeschätzt. Er ging von einer Erholung aus, doch die Geschäfte liefen immer schlechter.

Im Ausblick auf das Jahr 2024 schrieb Swiss Steel: «Wir erwarten eine allmähliche Verbesserung der Erträge im ersten Halbjahr 2024, gefolgt von einer stärkeren zweiten Jahreshälfte.» Das Gegenteil ist eingetreten. Die Folge dieser Fehleinschätzung ist, dass Swiss Steel rückblickend die Kapazitäten viel zu lange hoch gehalten hat.

Fraglich ist auch, ob der jüngst angekündigte Abbau von 800 oder gut 10 Prozent der Vollzeitstellen tatsächlich ausreicht. ThyssenKrupp griff am Montag wesentlich radikaler durch und kündigte den Abbau von 9000 Stellen an, die Belegschaft schrumpft von 27'000 auf 16'000, was einem Abbau von 40 Prozent entspricht. Angesichts der massiven Überkapazitäten auf dem Stahlmarkt ist es nur folgerichtig, dass das Unternehmen seine Kapazitäten drosselt.

Martin Haefner mit der Geduld am Ende

Grossaktionär und Amag-Erbe Martin Haefner, der mit Swiss Steel bereits Hunderte von Millionen Franken verloren hat, ist mit seiner Geduld am Ende. Er will endlich Resultate sehen. Mit Martin Lindqvist hat kürzlich ein Stahlprofi das Präsidium von Swiss Steel übernommen.

Der Druck auf CEO Koch steigt. Eigentlich kann sich der Deutsche keine Fehler mehr erlauben. Wie lange kann er sich noch halten? «Frank Koch und das gesamte Management der Swiss Steel Group haben das volle Vertrauen des neuen Verwaltungsratspräsidenten und des gesamten Verwaltungsrates», sagt Anina Berger zur Personalie.

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