Sawiris' Luftschlösser
Der Schrecken hat ein Ende. Jahrelang dümpelte der Aktienkurs der Orascom Development Holding bei wenigen Franken. Jetzt zieht die Familie des ägyptischen Tourismus-Investors Samih Sawiris einen Schlussstrich.
13. Januar 2025 • Beat Schmid

Für Tausende Kleinaktionäre ist der Rückzug von der Börse eine bittere Nachricht. Am ersten Handelstag, das war im Jahr 2008, kletterte der Aktienkurs der Orascom Development Holding auf 152 Franken. Grosse Versprechungen wurden gemacht: «Samih Sawiris erwartet hohe zweistellige Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn - und das ‘mindestens’ für die nächsten zehn Jahre», notierte die «Finanz und Wirtschaft». Der gelungene Start trieb die Bewertung auf 3,5 Milliarden. Durch die Aktienausgabe flossen 668 Millionen Franken in die Kassen. Jetzt werden den Minderheitsaktionären noch 5.60 Franken pro Aktie geboten. Die Sawiris müssen dafür weniger als 90 Millionen Franken aufwenden.

Der Rückkaufpreis verärgert die bisherigen Aktionäre. Der Andermatter Gewerbler und ehemalige Urner FDP-Landrat Ludwig Loretz bezeichnet das Angebot als «dreiste Sache». Es werde «schamlos» ausgenutzt, dass der breite Markt das Interesse an Orascom verloren habe, schreibt er auf seiner Website. Der Wert der riesigen Landreserven werde nicht berücksichtigt und «salopp weggelächelt». Loretz meint damit die über 100 Millionen Quadratmeter Land, die Orascom besitzt und zu einem sehr tiefen Wert bilanziert hat. Durch den Verkauf des Landes erzielt das Unternehmen jedes Jahr erhebliche Bewertungsgewinne. In einer aktuellen Präsentation für die Aktionäre wird der Wert des Landes allein im ägyptischen Badeort El Gouna mit 1,2 Milliarden Franken beziffert. Der Börsenwert der gesamten Gruppe liegt derzeit bei 333 Millionen Franken.

Auf den Aktienkurs drückte aber auch der operative Kriechgang. Im Jahr 2008 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 568 Millionen Franken und einen Reingewinn von 116 Millionen Franken. 2023 lag der Umsatz bei 655 Millionen und der Gewinn bei 54 Millionen Franken. Die von Samih Sawiris prognostizierten Wachstumsraten erwiesen sich als Luftschlösser. «Das Vehikel ist kaputt», sagt ein Portfoliomanager, der schon vor Jahren ausgestiegen ist. Ein Rückzug von der Börse sei zwar bitter für die Kleinaktionäre, aber gut für die Sawiris.

Vorentscheidung fiel vor 2 Jahren

Seit 2022 ist Naguib Sawiris Verwaltungsratspräsident der Orascom Development Holding. Er ist der Sohn des charismatischen Gründers. Am Telefon spricht er über die Hintergründe. Das Börsendebüt fiel mit dem Ausbruch der Finanzkrise zusammen, erklärt er. «Im Zuge der Turbulenzen gerieten alle Immobilientitel unter die Räder. Dann kam der Arabische Frühling, der in der Region für grosse Unsicherheit sorgte.» Für ein Unternehmen, das im Immobiliengeschäft tätig ist und zudem eine starke Präsenz in Ägypten hat, seien dies sehr schwierige Rahmenbedingungen.

Eine Art Vorentscheidung fiel vor zwei Jahren. Damals führte Orascom eine Kapitalerhöhung bei einem Aktienkurs von sieben Franken durch. «Rückblickend war ich sehr überrascht, frustriert und auch enttäuscht über die Reaktion des Marktes. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Aktie danach weiter fallen würde – aber genau das ist leider eingetreten.» Naguib Sawiris: «Wir mussten damals feststellen, dass weniger als fünf Prozent der Minderheitsaktionäre an der Kapitalerhöhung teilgenommen haben. Das war ein klares Zeichen dafür, dass das Interesse an der Aktie deutlich nachgelassen hatte.»

Fairer Wert bei 30 Franken?

Es stellt sich die Frage, ob der Preis von 5.60 Franken den Wert von Orascom angemessen widerspiegelt. Einige Kenner sehen den fairen Preis eher bei 30 Franken. Sawiris weist darauf hin, dass der angebotene Preis 40 Prozent über dem von UBS-Analysten genannten Preisziel und auch über der Wertbandbreite unabhängiger Experten liegt. «Positiv hat mich überrascht, dass die meisten Minderheitsaktionäre, mit denen ich in den letzten Wochen Kontakt hatte, unsere Entscheidung nachvollziehen konnten», sagt er.

Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass seine Firma nicht beabsichtige, ein sogenanntes Squeeze-out-Verfahren durchzuführen. «Kein Aktionär wird gezwungen, uns seine Aktien zu verkaufen. Jeder, der Aktionär bleiben will, hat die Möglichkeit dazu», sagt Sawiris. Er ist überzeugt, dass das Delisting keine negativen Auswirkungen aus die Entwicklung von Andermatt haben werde – im Gegenteil. «Der Druck, quartalsweise Geschäftszahlen publizieren zu müssen, fällt weg. Dadurch kann sich unser Team vermehrt auf die langfristige strategische Ausrichtung konzentrieren.»

Dieser Artikel erschien zuerst im SonntagsBlick unter dem Titel: «Orascom-Aktionäre verlieren Millionen»