Digital Assets Briefing
Weniger die Ankündigung als die Zusammensetzung der strategischen Krypto-Reserve in den USA erstaunt die Märkte. Viele fragen sich: Ist es von Vorteil, wenn ein sprunghafter Populist den Kurs des Bitcoins bestimmt?
7. März 2025 • Werner Grundlehner

Nach einem schmerzhaften Wertverlust für den Bitcoin und den Kryptomarkt im Allgemeinen im Februar, kam die Nachricht des US-Präsidenten für viele Investoren zur richtigen Zeit. Donald Trump kündigte über seinen Social-Media-Kanal Truth Social an, dass die Vereinigten Staaten eine nationale strategische Krypto-Reserve schaffen würden – und nannte konkrete Vorschläge zu deren Zusammensetzung. Die Kryptokurse zogen als Folge dieser Verlautbarung deutlich an.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• El Salvador widersetzt sich dem IWF
• Weissrussland will ins Krypto-Mining einsteigen


Doch rund um die Ankündigungen gab es Marktaktivitäten, die den Verdacht auf Insiderhandel aufkommen liessen und zeigten, dass Investoren und jene, die den Kurs durch Dekrete «steuern» können, nicht die Gleichen sein sollten. Der zweitälteste Trump-Sohn, Eric, mit dem Titel des «Web3 Ambassador» ausgestattet, schrieb kurz bevor sein Vater die Reserve ankündigte, «Buy the dips!!!» auf X. Nur wenige Stunden vor der Bekanntgabe der Nachricht ging ein Grossinvestor mit einem 50-fachen Hebel auf Bitcoin und Ether im Wert von Millionen von Dollar long. Nach der Bekanntgabe der Nachricht wurde die Transaktion angeblich mit massiven Gewinnen geschlossen.

Insiderhandel und Volatilität ist verbreitet

«Insiderhandel ist kein kryptospezifisches Problem – auch bei klassischen Vermögensanlagen wie Aktien gibt es Insidergeschäfte, schon immer und teilweise auch sehr heftig», sagt Rino Borini, Gründer und CEO von Scarossa und Krypto-Dozent. Der Unterschied sei, dass Krypto transparenter sei, weil jede Bewegung auf der Blockchain eingesehen werden könne. Die Krypto-Märkte seien volatiler als traditionelle Anlagen und Gerüchte begünstigten Kursschwankungen stärker. Borini verweist aber darauf hin, dass die Nasdaq-Schwergewichte Nvidia und Tesla teilweise eine höhere Volatilität als der Bitcoin aufweisen würden.

Die Kurserholung der Kryptowährungen nach der Reserveankündigung hatte aber kurze Beine. Wiederum Donald Trump sorgte mit einer Verschärfung seines Handelskriegs mit Zöllen und der Annährung an den Aggressor Putin dafür, dass Investoren risikobehaftete Vermögenswerte abstiessen, darunter auch Kryptos. Zudem betrachteten die Marktteilnehmer eine mögliche Krypto-Reserve genauer. Und dieses Hinsehen offenbarte Probleme und offene Fragen. Bereits die definitive Verkündung des Aufbaus einer Kryptoreserve war von Fehltritten begleitet.

«US-Coins» bevorzugt?

«Die Bitcoin- und Krypto-Community neigt dazu, jede positive Nachricht euphorisch aufzunehmen. Ich bin inzwischen abgehärtet, wir hatten Musk und nun noch Trump… Die Risiken sind nicht ausgeblendet – sie rücken im Moment nur in den Hintergrund, weil der Markt kurzfristig auf den Kurseffekt fokussiert ist», antwortet Borini auf die Frage, ob die Branche in der Hoffnung auf einen Kurstreiber die negativen Aspekte einer solche Reserve ausgeblendet habe. Das sei auch so, weil mittlerweile Profianleger wie Hedge Funds im Markt seien, die auch einen grossen Teil der Bitcoin-ETF Volumen mitbestimmen würden.

Trump bezeichnete in seiner ersten Erklärung Ripple, Solana und Cardano als zentrale Elemente, nur um später nach grossem Erstaunen im Markt und Kurskapriolen klarzustellen, dass Bitcoin und Ethereum den Kern der Reserve bilden würden. Mit Ripple, Solana und Cardano zielt Trump auf eine «Make America Great Again»-Strategie. Zahlreiche Unterstützer des Präsidenten sind in diesen Kryptowährungen engagiert. Bitcoin macht dagegen 60 Prozent der gesamten Krypto-Marktkapitalisierung aus, erhält aber weniger als 10 Prozent der Lobby- und Bildungsausgaben in Washington. Zudem dürfte sich bei Trump die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass sich nicht jeder zukünftige Bitcoin in den USA minen lässt, wie er das vor einigen Wochen noch durchsetzen wollte.

Im Staatsfonds, aber nicht in der Reserve

Bitcoin als digitale Reserve ist gemäss Borini sinnvoll, weil es sich als Wertaufbewahrungsmittel etabliert habe und auch als «digitales Gold» betitelt werde. «Ethereum, Solana & Co. sind Infrastrukturprotokolle, also primär für Smart Contracts und DeFi entwickelt worden – sie sind also keine stabilen Reserve-Vermögenswerte, sondern technologische Plattformen», erklärt der Krypto-Experte. Für Borini ergibt Bitcoin als Reserve Sinn, andere Kryptos könnten in ein breit aufgestelltes Portfolio mit Aktien, Bonds integriert werden – durchaus auch in einem Staatsfonds. «Aber als Reserve sehe ich die Altcoins nicht», so Borini.

Viele US-Bürger drückten in den vergangenen Tagen ihre Sorge aus, dass eine Bitcoin-Reserve mit Steuergeldern finanziert werden könnte, wodurch effektiv Geld von gewöhnlichen Amerikanern zu Krypto-Investoren transferiert würde. Trumps «Krypto-Zar» David Sacks wies diese Idee jedoch am Montag auf X zurück und schrieb: «Niemand hat eine Steuer oder ein Ausgabenprogramm angekündigt. Vielleicht sollten Sie abwarten, um herauszufinden, was tatsächlich vorgeschlagen wird». Vielleicht erfahren wir dies bereits heute Freitag anlässlich des Krypto-Gipfels in den USA.

Von der linken in die rechte Tasche

Die Reserve könnte auch ein Nullsummenspiel sein, und die Coins werden lediglich vom Justiz- zum Finanzministerium transferiert – mit der Absicht, ein Wahlversprechen zu erfüllen. Die US-Strafverfolgungsbehörden sind aktuell im Besitz von rund 200’000 Bitcoins mit einem Wert von etwa 17 Milliarden Dollar, die grösstenteils durch Beschlagnahmung in Kriminalfällen eingesammelt wurden und vom US Marshals Service verwaltet werden. Die Bestände werden in der Regel versteigert, um Strafverfolgungsmassnahmen zu unterstützen und Opfer von Krypto-Verbrechen zu entschädigen.

Strategische Reserven sind für die USA nichts Neues – nur wurden sie in der Vergangenheit aus anderen Gründen angelegt, nämlich um die wirtschaftliche Sicherheit zu erhöhen und das Land vor Versorgungsengpässen zu schützen. So schuf der Kongress 1975 eine strategische Erdölreserve, nachdem die Krise des arabischen Ölembargos zu einer landesweiten Benzinknappheit geführt und die US-Wirtschaft in die Rezession getrieben hatte. Die Befürworter argumentierten damals, dass die Schaffung einer Erdölreserve die Preise stabilisieren würde.

Der Staat am Roulettetisch

Gibt es Situationen, in denen in den USA der Bitcoin knapp werden könnte? Der Bitcoin ist zwar als knappes Gut konzipiert, hier ist aber gemeint: Wird die Wirtschaft nicht mehr funktionieren ohne Bitcoin? Trump investiert in Kryptowährungen nicht mit der Absicht, die Preise im Kryptomarkt zu stabilisieren, sondern Gewinne zu erzielen und die Staatsverschuldung zu reduzieren. Das ist aber keine Reserve, das ist Spekulation. Doch falls dies tatsächlich gelingen sollte, ist das eine Gefahr für den Kryptomarkt. Wenn der Preis von Bitcoin & Co. massiv ansteigt und die USA dann beschliessen, die Reserven zu verkaufen, um ihre Schulden zu tilgen, könnte diese Transaktion einen gewaltigen Rückschlag für die Krypto-Kurse auslösen.

Es dürfte sich also weniger um eine strategische Reserve als vielmehr um eine Anlage der Regierung handeln. Da ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Soll das Finanzministerium ein Investor sein oder soll es die Federal Reserve machen – vergleichbar mit den Anlagen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Zweitens: Sind Bitcoin, oder insbesondere Ether, Ripple, Cardano und Solana die richtigen Assets? Die Nationalbank investiert passiv in ein breites Portfolio an internationalen Aktien. Das sind Interventionen am Währungsmarkt, meist mit der Absicht, den starken Franken nicht noch stärker werden zu lassen.

Die Privaten auf dem Rückzug

Ist es aber eine gute Idee, in wenige Kryptos zu investieren? Ripple, Solana und Cardano sind organisiert wie Unternehmen. Sie behalten die Gewinne in der Organisation. Bei der Gründung wurden die Anteilsscheine (Coins) an die Gründer verteilt, die sie im Laufe der Unternehmensentwicklung an Dritte verkaufen – und bei Kapitalbedarf gibt die Organisation neue Anteile aus. Abgesehen davon, dass eine Investition in fünf Kryptowährungen kaum diversifiziert wäre, bewegen sich die Vermögenswerte ausser bei einigen kurzfristigen Ausschlägen auch gleichlaufend. Der Taktgeber für den Kurs (Bitcoin) funktioniert jedoch anders. Neue Coins gibt es nur durch Arbeit (proof-of-work). Der Miner, der am meisten Rechenleistung, d.h. Energie in die Validierung steckt, erhält eine Belohnung in Bitcoin, wenn er einen Block in die Blockchain fügt.

Doch das Vorgehen der USA ist nicht atypisch. «Bitcoin durchläuft einen grundlegenden Wandel in seiner Besitzerstruktur. Öffentliche und private Institutionen sind vom ‘Zehenspitzenbereich’ zur aggressiven Akkumulation übergegangen. Während der Kleinanleger zuerst den Weg geebnet hat, ist der Staffelstab nun an Unternehmen, Pensionsfonds und Staatsfonds weitergereicht worden, die Bitcoin in einem noch nie dagewesenen Tempo aufstocken», schreiben die Analysten von Bitcoin Suisse.

Nahezu 14 Prozent des Bitcoin-Volumens befinden sich heute in ETF, Unternehmensbilanzen und staatlichen Händen (vgl. Grafik). Allein in den vergangenen 12 Monaten fanden 0,5 Millionen Bitcoins den Weg in amerikanische Spot-ETF. Öffentliche Unternehmen sind ebenfalls auf dem Vormarsch und kaufen seit Januar 2024 täglich mehr als 1000 Bitcoin und verzeichnen einen Anstieg der Bestände um 80 Prozent im Jahr 2024 – ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die Rolle von Bitcoin von spekulativ hin zu strategisch verschiebt.

Trotzdem bleibt der US-Präsident ein Risikofaktor. Trump hat schon viele Fehlannahmen getroffen – nur um ein populistisches Narrativ zu bedienen. Und ist oft unberechenbar schnell, anschliessend in die entgegengesetzte Richtung galoppiert. So gesehen wäre es zu begrüssen, wenn der Krypto-Markt unabhängiger von Macht- und Geopolitik würde und sich wieder auf seine Kernfunktionen – und auf seine Unabhängigkeit von Staaten und Intermediären – besinnt und sich unabhängig der Launen von Scheindemokraten, Milliardären und Autokraten weiterentwickelt.

Ein Technologie-Schub?

Der einzige Weg, um den Bitcoin politisch neutral zu halten, ist gemäss Borini eine breite dezentrale Verteilung über viele unabhängige Akteure. Das sei der Fall. «Je weniger Besitz ein einzelner Staat hat, desto stärker bleibt Bitcoin in seiner ursprünglichen Funktion als freies, neutrales Geld. Am besten sollten alle Weltbürger ein paar Franken in Bitcoin investieren», fügt er schmunzelnd an. Es sei wichtig zu verstehen, dass die USA, wenn sie grosse Mengen an Bitcoin halten, finanziellen Einfluss hätten – aber keine direkte Kontrolle über das Netzwerk. Bitcoin ist ein dezentraler Vermögenswert, und selbst wenn ein Akteur grosse Mengen hält, kann er nicht einfach Regeln ändern oder Transaktionen beeinflussen.

Borini hält fest: «The Code is the law. Die wahre Macht im Netzwerk liegt bei den Minern und Nodes, die Transaktionen verifizieren und Blöcke produzieren. Deswegen ist Bitcoin so intelligent! Selbst wenn die USA grosse Mengen Bitcoin halten, können sie nicht bestimmen, wie das Netzwerk funktioniert – es sei denn, sie würden massiv ins Mining investieren». Das wäre nicht gut für den Bitcoin, aber letztlich auch nicht im Interesse der USA.

Den Bitcoin und andere Kryptos in einer Reserve bunkern, ist technisch gesehen keine sehr dynamische Funktion. Werden dadurch weitere Innovationen gebremst? Das Gegenteil ist gemäss Borini wahrscheinlicher, denn eine staatliche Bitcoin-Reserve würde institutionelle Infrastruktur, rechtliche Klarheit und auch massentaugliche Services vorantreiben. «Entscheidend ist, ob der Staat Bitcoin als freie Technologie akzeptiert oder versucht, ihn für eigene Interessen zu nutzen», fügt er noch an.

Der Markt wartet gespannt, was der Krypto Gipfel heute Freitag bringt und erst recht auf die finalen Ergebnisse der Krypto-Arbeitsgruppe, die im Sommer erwartet werden.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


El Salvador widersetzt sich dem IWF

Das mittelamerikanische Land hatte im Dezember 2024 eine Finanzierungszusage des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar erhalten, mit der Auflage, seine Initiativen im Zusammenhang mit Bitcoin zurückzufahren. Der IWF stellte am 3. März einen neuen Antrag auf eine verlängerte Fondsfazilität in dem der öffentliche Sektor des Landes angewiesen wurde, die freiwillige Akkumulation von Bitcoin einzustellen. Der IWF fordert El Salvador ausserdem auf, Bitcoin-Mining-Aktivitäten einzustellen und die Emission von Schuldtiteln oder tokenisierten Instrumenten durch den öffentlichen Sektor zu beschränken, die in Bitcoin denominiert oder indexiert sind.

Der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, antwortete, dass seine Regierung nicht aufhören werde, Bitcoin zu kaufen. «Nein, es hört nicht auf», schrieb Bukele am 4. März in einem Post auf X. El Salvador hat an diesem Tag den Kauf von mindestens einem Bitcoin pro Tag im Rahmen der Finanzstrategie des Landes fortgesetzt. El Salvador begann im September 2021 mit dem Erwerb von Bitcoin, als die Kryptowährung zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurde. Es war das erste Land, das Bitcoin diesen Status zuerkannt hat. Das Land besitzt derzeit 6101 Bitcoin im Wert von 534,5 Millionen Dollar, gemäss den Daten des Nationalen Bitcoin-Büros von El Salvador.


Weissrussland will ins Krypto-Mining einsteigen

Weissrussland hat viel und günstigen Strom. Gemäss lokalen Medien hat der weissrussische Präsident den Energieminister angewiesen, mit dem überschüssigen Stroms die heimische Kryptoindustrie zu fördern. Die Entscheidung, sich mit Mining zu beschäftigen, wurde kurz nach der Bildung der neuen Regierung Lukaschenko bekannt gegeben, die der Erneuerung des 5700 Kilometer langen Stromnetzes des Landes Priorität einräumt. Offenbar hat das weissrussische Staatsoberhaupt die Trumpschen Pläne für eine Krypto-Reserve mit Interesse zur Kenntnis genommen. Er sehe den Weg, den die grösste Wirtschaftsmacht der Welt gehen wolle, wird Lukaschenko zitiert. Beim Bitcoin-Mining sind die USA der Spitzenreiter. Im Dezember 2024 stammten 36 Prozent der globalen Hashrate aus den Vereinigten Staaten. Sechs der zehn grössten kotierten Mining-Unternehmen sind in den USA ansässig – an der Spitze steht Marathon Digital.

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