Seinen Einstand hat sich Stefan Bollinger wohl anders vorgestellt. Der neue CEO der Bank Julius Bär ist erst seit fünf Monaten im Amt und sieht sich bereits mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert. Nach der Ankündigung einer neuen Rückstellung in der Höhe von 130 Millionen Franken hat die Aktie bis Börsenschluss 4,85 Prozent verloren. Seit Anfang Jahr beträgt das Minus 6,61 Prozent (UBS: –1,33 %; EFG: +2,86 %; Vontobel: +13,29 %).
Wie Julius Bär in der Mitteilung vom Dienstagabend schreibt, betreffen die Wertberichtigungen ausgewählte Positionen im Hypothekenbuch sowie verbliebene Privatkredite der Bank. Gemäss einem Medienbericht fällt der Abschreiber bei einem Bauprojekt in Hannover an, das kurz vor der Insolvenz steht. Zudem drohen der Privatbank Verluste aus einem weiteren Immobilienprojekt.
Das klingt nicht gut. Das Kreditgeschäft ist das A und O im Banking – wer hier versagt, versagt auf der ganzen Linie.
«Investoren dürften sich nun erneut fragen, wie es um die restliche Kreditbuchqualität steht – insbesondere nach den vielen Fehleinschätzungen der vergangenen 18 Monate», schreiben die Analysten von Citi in einem Kommentar. Dass Bollinger gleichzeitig davon spricht, keine weiteren Abschreibungen zu erwarten, dürfte den Markt angesichts der jüngsten Entwicklungen kaum beruhigen.
Warum so lange?
Ebenfalls wenig vertrauenserweckend ist der Umstand, dass Stefan Bollinger mehr als fünf Monate brauchte, um die Kreditposition zu entdecken und neu zu bewerten. «Es kann nicht sein, dass man so lange braucht, um die Positionen zu durchkämmen», sagt ein Insider. Beim Umfang des Kreditbuchs von Bär dürfte das nicht länger als zwei Wochen dauern, ist die Person der Meinung.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass der neue Chief Credit Officer – der Oliver Bartholet als Chief Risk Officer ablösen wird – erst im Februar bei Bär anfing, ist das eine sehr lange Zeit. «Man fragt sich, wieso das so lange gedauert hat. Das schadet Bollinger», sagt eine Quelle. Besser wäre es gewesen, kurz nach dem Start im Sinne einer Kitchen-Sink-Aktion die 130 Millionen zu versenken.
Mit dem späten Abschreiber gelingt Bollinger definitiv kein Traumstart bei Julius Bär – bei seinem ersten Job als Chief Executive Officer. Er kam von Goldman Sachs, wo er Co-Chef Wealth Management der Region EMEA war und wo viele zentrale Funktionen wie Risk oder Compliance nicht auf Regionenebene, sondern global gesteuert wurden.
Für alles verantwortlich
Bei Julius Bär dagegen ist er für alles verantwortlich – für die Kunden, die Risiken, die Reputation, die Erträge und nicht zuletzt für 7500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Erstes hat Bollinger das Kostenprogramm verschärft und die Gruppenleitung von 15 auf 5 Personen verkleinert. Jetzt muss er bereits wieder zurückkrebsen und die Geschäftsleitung um eine Person auf sechs erweitern, wie die Bank am Dienstagabend ankündigte. Auch das ist nicht ideal.
Bollinger vor seinem ersten Strategieupdate vom 3. Juni bereits stark unter Druck. Im Idealfall legt ein frischgebackener CEO zuerst seine grossen strategischen Ideen dar, bevor er sich mit Kleinklein wie der Verkleinerung der Geschäftsleitung beschäftigt. Der Strategieupdate muss sitzen.