Krypto-Verwerfungen
Die CEOs von Seba, Sygnum und Bitcoin Suisse gehen in die Offensive und versuchen, sich von der FTX-Börse abzugrenzen. Es geht ihnen vor allem auch darum, verunsicherte Kunden zu beruhigen.
11. November 2022 • Beat Schmid

Die Hiobsbotschaften um die angeschlagene Kryptobörse FTX reissen nicht ab. In der Nacht auf Freitag hat die Wertpapieraufsicht der Bahamas die Vermögenswerte der abgestürzten Krypto-Börse FTX eingefroren.

Dem Unternehmen des 30-jährigen Krypto-Stars Sam Bankman-Fried wird vorgeworfen, den eigenen Token als Sicherheit für hohe Kredite verwendet zu haben. Weil dieser FTT-Coin massiv an Wert verlor, musste FTX die Bezüge der Kunden stoppen.

Wie Medien berichten, könnte als Nächstes ein Insolvenzverwalter die Abwicklung der Plattform einleiten. Einen entsprechenden Gerichtsantrag hat die Aufsichtsbehörde bereits gestellt. Die Firma steht unter anderem unter Verdacht, Kundengelder veruntreut zu haben.

Der Absturz einer der grössten Handelsplattformen für Digitalwährungen wie Bitcoin hält den Kryptomarkt seit Tagen in Atem. Es ist von einem Lehman-Effekt die Rede, der noch weitere Akteure unkontrolliert in den Abgrund reissen könnte. Lehman Brothers war eine US-Investmentbank, die 2008 Pleite ging und einen Fastkollaps des Finanzsystems auslöste.

“Zeuge einer weiteren entscheidenden Phase”

Viele Kunden fürchten um ihre Vermögen. Auch in der Schweiz ist die Nervosität spürbar. Alle CEOs der wichtigsten Krypto-Firmen haben sich in den letzten Stunden zu Wort gemeldet und versuchten, die Ereignisse zu erklären und ihre Kunden zu beruhigen.

Mathias Imbach, Mitgründer und Chef der Sygnum Bank, schreibt auf der Social-Media-Plattform Linkedin, dass “wir derzeit Zeuge einer weiteren entscheidenden Phase in der Entwicklung des globalen Krypto-Ökosystems” seien. In den letzten Tagen sei klar geworden, dass FTX sich “übernommen” habe. “Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, welche (Krypto-)Unternehmen über ein angemessenes Risikomanagement, eine gute Unternehmensführung und Integrität verfügen”, schreibt Imbach weiter.

Dirk Klee, CEO von Bitcoin Suisse, sagt: “Der ohnehin schon schwierige Krypto-Markt wurde durch eine Reihe unerwarteter Entwicklungen erschüttert, die sich in rasantem Tempo vollzogen.” Die Schwierigkeiten von FTX habe den gesamten Markt auf Talfahrt geschickt.

Ebenfalls geäussert hat sich Franz Bergmüller, Chef der Seba Bank. In seinem Linkedin-Beitrag analysierte er nüchtern, wie es zum “massiven Abzug” von Coins von der FTX-Handelsplattform kam. Eine Einschätzung zur aktuellen Entwicklung versprach auch Olga Feldmeier, Chefin der Schweizer Krypto-Börse Smart Valor. Doch bisher hat sie sich nicht geäussert.

“Ihr Vermögen gehört immer Ihnen und niemandem sonst”

Imbach (Sygnum) und Bergmüller (Seba) verweisen darauf, dass ihre Firmen den strengen Regeln der Finanzmarktaufsicht unterliegen. Zudem befinden sich die Vermögen der Kunden ausserhalb der Bilanz. Imbach schreibt: Die Krypto-Vermögenswerte der Kunden würden ausserhalb der Bilanz gehalten und seien daher – “was auch immer mit Sygnum geschieht” – sicher.

Auch Bergmüller von der Seba Bank versichert seinen Kunden, dass ihre Vermögen der von der Bankbilanz getrennt seien.“Ihr Vermögen gehört immer Ihnen und niemandem sonst”, verspricht er.

Die Karte Sicherheit spielt auch Dirk Klee, Chef von Bitcoin Suisse. Die Gelder der Kunden seien bei Bitcoin Suisse “immer sicher”. Sein Unternehmen habe den Kunden den Handel mit FTT-Tokens nicht angeboten. Bitcoin Suisse sei “ein Krypto-Broker und keine Börse”, sagt Klee.

“Die Blockchain-Technologie ist real”

Die Chefs der grossen Schweizer Krypto-Firmen sind überzeugt, dass die Krise die Branche stärker machen werde. “Wir können auf diese Zeit zurückblicken und erkennen, dass dies der Moment war, in dem echte Innovation, gute Unternehmensführung und Integrität kurzfristiges Denken, Gier und naive Geschäftsmodelle überholt haben”, sagt Sygnum-Gründer Mathias Imbach.

Die Blockchain-Technologie sei real, sie funktioniere und Tausende von Unternehmern und Entwicklern würden jeden Tag grossartige Produkte schaffen, sagt Imbach. “Wir freuen uns darauf, weiterhin eine vertrauenswürdige, regulierte Infrastruktur für die Krypto-Industrie und das traditionelle Finanzwesen bereitzustellen – und sind unseren Kunden und Partnern, die uns auf dieser Reise begleiten, sehr dankbar.”

Krypto-Kritiker wie der US-Professor Nouriel Roubini sind weniger optimistisch. Er wertet den Crash von FTX als ein weiteres Zeichen dafür, dass Krypto ein Schneeballsystem sei, wie er auf Twitter schrieb. "Das Krypto-Kartenhaus befindet sich in der Kernschmelze”, so Roubini in einem seiner vielen Tweets zum Thema.

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