Eine forcierte Fusion mit der UBS?
Ein bekannter Bankenanalyst glaubt nicht mehr an die Eigenständigkeit der zweitgrössten Schweizer Bank – der Status quo sei keine Option mehr.
16. März 2023 • Beat Schmid

Kian Abouhossein ist einer der bekanntesten Beobachter der Bankenbranche. Seine Einschätzungen, die er für die US-Grossbank J.P. Morgan schreibt, haben Gewicht. In einer heute veröffentlichten Szenario-Analyse zeichnet er ein wenig ermunterndes Bild zur Zukunft der Credit Suisse.

Die Kapitalausstattung der Grossbank sei nicht das Problem, schreibt er. Vielmehr hänge die schwierige Situation der CS mit den “anhaltenden Vertrauensproblemen” des Marktes in die Investmentbanking-Strategie der Bank zusammen und der “anhaltenden Erosion” der Geschäftsgrundlage. Er ist überzeugt, dass die am Mittwochabend angekündigte Liquiditätshilfe der SNB über 50 Milliarden Franken nicht ausreichen wird.

In Analystenkonferenzen hat Abouhossein wiederholt die fehlende Klarheit der neuen Strategie thematisiert. In der Tat wartet der Markt seit Monaten auf wichtige Details zur Abspaltung der Investmentbank, um die künftigen Ertragsströme bewerten zu können. Doch die CS kann diese Informationen bis jetzt nicht liefern.

Den Finger legt er auch auf die anhaltenden Abflüsse von Einlagen und Netto-Neugeldern. Das Wealth Management erwirtschaftete in der Vergangenheit durchschnittlich einen Vorsteuergewinn von 1,8 Milliarden Franken, jetzt mache die Abteilung Verluste, rechnet Abouhossein vor.

Er sieht drei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Die CS verfolgt einen “Selbsthilfeansatz” und fährt die Investmentbank im Alleingang herunter. Eine Schliessung würde nach seiner Berechnung 10 Milliarden Franken kosten, die zum Teil durch einen Börsengang der Schweizer Einheit generiert werden könnten. Dieser Weg wäre allerdings beschwerlich und würde viel Zeit beanspruchen. Auch sei völlig unklar, ob der Markt sich überzeugen liesse, sagt Abouhossein. Ein Alleingang sei das unwahrscheinlichste Szenario; der Status quo sei keine Option mehr.

Szenario 2: Die SNB stellt der CS nicht nur Liquidität zur Verfügung, sondern garantiert sämtliche Kundeneinlagen oder schiesst zusätzlich Kapital in die Bank ein. Das würde der abgeschlagenen Bank Zeit für die Restrukturierung geben. Gleichzeitig könnte die Stilllegung der Investmentbank durch einen Börsengang der Schweizer Einheit finanziert werden. Allerdings gibt es politische Risiken. Wäre die Schweiz tatsächlich bereit, nochmals eine umfassende Staatsrettung wie bei der UBS durchzuexerzieren?

Szenario 3: Eine Übernahme durch einen Konkurrenten ist für den Analysten das wahrscheinlichste Szenario. Wobei ein Zusammengehen mit der UBS am naheliegendsten sei. Angesichts der Marktpenetration der beiden Grossbanken im Heimmarkt müsste die Schweizer CS-Einheit über einen Börsengang abgespalten werden. Die CS-Investmentbank würde in diesem Szenario ebenfalls abgewickelt. Das Wealth Management und das Asset Management blieben bei der UBS, wobei erhebliche Überlappungen im Segment der sehr vermögenden Kunden in Asien und der Schweiz entstehen würden.

Am Freitagnachmittag informieren Bundesrat, Finma und SNB

Mehr Klarheit, wie es mit der CS weitergeht, werden möglicherweise schon die nächsten Tage bringen. Offenbar werden auch in Bern Szenarien diskutiert, die auf eine Übernahme der CS durch die UBS hinauslaufen könnten. Wie Bloomberg berichtet, seien UBS und CS aber gegen eine forcierte Fusion.

Der Bundesrat hat heute eine Sondersitzung zur CS abgehalten. Dem Vernehmen nach orientierte SNB-Chef Thomas Jordan die Landesregierung über das 50-Milliarden-Hilfspaket. Über den Inhalt des Treffens gab es keine offiziellen Informationen. Am Freitagnachmittag wollen der Bundesrat, Vertreter der Finma und der Nationalbank über die Situation der Bank orientieren.

Am Donnerstag stiegen die Aktien um 19 Prozent. Sie schlossen bei 2 Franken und 2 Rappen.

MEHR ZUM THEMA


Paukenschlag: Credit Suisse holt 50 Milliarden Franken von der Nationalbank

Wenige Stunden nach der Solidaritätsbekundung von Finma und SNB zapft die angeschlagene Grossbank Liquidität in gigantischem Ausmass an. CEO Ulrich Körner bedankt sich bei seinen Rettern.
16. März 2023

Minus 160 Milliarden Franken - CS verliert 40 Prozent aller Kundeneinlagen

Die Kunden entzogen der Grossbank Einlagen in der Höhe von 160 Milliarden Franken. Die Depositen reichen nicht mehr, um die Kredite zu decken.
15. März 2023