Ende der CS
Der Verwaltungsratspräsident Credit Suisse hat heute am Tag des Closings seinen letzten Einsatz. Lehmann war der falsche Mann zum falschen Zeitpunkt.
12. Juni 2023 • Beat Schmid

Für ihn gehen heute die Lichter aus. Mit der formellen Übernahme seiner Bank durch die Credit Suisse gibt Axel Lehmann sein Amt als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse ab. Wie weitere noch verbliebene Mitglieder des Verwaltungsrates. Er soll sein Abtritt von der Bühne mit Fassung tragen, als hätte die peinliche Pleite nichts mit ihm zu tun. Er ist braungebrannt und vertreibt sich die Zeit mit Biken.

Finanzielle Sorgen muss er sich nicht machen. Er hat in den vergangenen Jahren genug verdient. Seit 20 Jahren sitzt er ununterbrochen in Geschäftsleitungen von Grosskonzernen, von 2002 bis 2015 bei der Zurich Insurance, von 2016 bis 2021 bei der UBS. Seit Januar 2022 ist er Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse.
Das letzte Jahr hat seine bis dahin ordentlich verlaufene Karriere zertrümmert. Das Präsidium der Credit Suisse war für ihn der falsche Job zur falschen Zeit. Es hätte eine absolute Spitzenkraft an der Spitze der Bank gebraucht – erfahren, charismatisch, führungsstark, entscheidungsfreudig und mit dem Gefühl fürs richtige Timing, um die angeschlagene Bank zu retten.

Den grössten Fehler machte er im Sommer

Rückblickend war der grösste Fehler, dass sich Lehmann und sein ab Sommer 2022 amtierender CEO Ulrich Körner viel zu viel Zeit liessen, um eine neue Strategie auszuhecken. Ende Juli verschwanden sie für drei Monate von der Bildfläche. Damit überliessen sie die Deutungshoheit über die neue Strategie den Märkten, die wild zu spekulieren begannen.

Der Aktienkurs tauchte und tauchte und tauchte. Lehmann als oberster Kurspfleger reagierte nicht. Als dann auch noch wirre Spekulationen über einen baldigen Konkurs aufkamen, zogen die Kunden ihre Gelder ab. Ueli Körner sagte später, ihnen seien damals aus rechtlichen Gründen kommunikativ die Hände gebunden gewesen. Körners Aussage dürfte sich auf die in Vorbereitung befindliche Kapitalerhöhung bezogen haben. Ob das damals wirklich der Fall war, ist höchst zweifelhaft.

So unverständlich das Schweigen Lehmanns war, so enttäuschend war die «neue Strategie», die die Bank Ende Oktober verkündete. Das einzig Klare war die Kapitalerhöhung. Alles andere verstand niemand. Das Schlimmste für die Anleger aber war, dass die Bankführung keinen Plan vorlegen konnte, wann die Credit Suisse mit welchen Geschäften wieder wie viel Geld verdienen würde. Lehmann steuerte den angeschlagenen Kahn zielsicher in eine dicke Nebelwand.

Axel Lehmann machte alles noch schlimmer, als er im Dezember die Geldabflüsse beschönigte und deshalb ins Visier der Finanzmarktaufsicht geriet. Den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verlor er, als die CS nach einer Intervention der US-Börsenaufsicht die Veröffentlichung ihres Geschäftsberichts verschieben musste. Und zur tragischen Figur wurde er schliesslich an dem Tag, als die UBS mit dem Bund erste Verhandlungen über einen Verkauf der CS aufnahm. Am Tag, als der Aktienkurs um 30 Prozent einbrach, verkündete er an einer Konferenz in Saudi-Arabien, die Credit Suisse brauche keine Staatshilfe.

Eine persönliche Verantwortung für die Pleite der Traditionsbank sieht der 64-jährige Berner bis heute nicht. Als er am Sonntagabend des 19. März vor die Medien trat, sprach er vom berühmten Tropfen, der irgendwann zu viel sei. Damit meinte Lehmann wohl die Bankenkrise in den USA. «Es ist letztlich eine Kumulation von Dingen, die über viele Jahre passiert sind.»

Heute Montag hört die Credit Suisse als eigenständige Bank nach 167 Jahren auf zu existieren.

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