Interview
Die beiden Radicant-Geschäftsführer Roland Kläy und Rouven Leuener erklären, was sie mit ihrer Onlinebank vorhaben und warum für sie Schweizer Banken derzeit nicht investierbar sind.
29. August 2023 • Beat Schmid

Nach dem Ausscheiden von Anders Bally führen Roland Kläy und Rouven Leuener das Jungunternehmen Radicant interimistisch. Vergangene Woche wurde das Angebot der Online- und Nachhaltigkeitsbank, die zur Basellandschaftlichen Kantonalbank gehört, offiziell lanciert.

Kommen Sie mit Ihrer Nachhaltigkeitsbank nicht zu spät?

Roland Kläy: Ich bin ganz klar der Meinung, dass wir nicht zu spät kommen. In der Schweiz gibt es noch keine digitale Nachhaltigkeitsbank, die sich mit uns vergleichen lässt. Wenn es schon zehn gäbe, wären wir tatsächlich etwas zu spät. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob wir nicht zu früh sind. Viele Akteure nennen sich nachhaltig. Wir können zeigen, dass wir es sind. Derzeit werden vom Bundesrat in der Schweiz wichtige Weichen gestellt, wenn es um nachhaltiges Anlegen geht. Dies wird eine starke Wirkung auf die Branche haben. Wir sind im Hinblick auf diese Anpassungen sehr gut aufgestellt. So sind alle unsere Fonds gemäss Offenlegungsstandards der EU als Artikel 9 klassifiziert, also ‘dunkelgrün’, und haben daher ein explizites und messbares Nachhaltigkeitsziel.

Welche Klientel wollen Sie vor allem ansprechen? Wahrscheinlich nicht den typischen SVP-Wähler auf dem Land?

Rouven Leuener: Zur Zielgruppe gehören Menschen, die eine reine digitale Bank ohne Filialnetz wünschen und an Nachhaltigkeit interessiert sind. Wir decken damit Bedürfnisse der Digital und Sustainability Natives ab – und generell digital affine Kunden, unabhängig von ihrer örtlichen Herkunft.

Wie «reich» müssen Ihre Kundinnen und Kunden sein?

Rouven Leuener: Zur Zielgruppe gehören sogenannte Affluents, also Kundinnen und Kunden mit einem verfügbaren Vermögen ab 100’000 Franken, welches einen kontinuierlichen Investitionsspielraum erlaubt. Wir sind aber auch offen für jüngere, sogenannte Young Professionals, die erst am Anfang ihres Vermögensaufbaus stehen. Wir haben deshalb bewusst eine sehr tiefe Eintrittsschwelle gewählt. Bereits ab 1000 Franken kann man in unser diversifiziertes und nachhaltiges Portfolio investieren.

Radicant verspricht einen positiven Impact, wenn man Geld in ein Vermögensverwaltungsmandat investiert. Wie belegen Sie diese positive Wirkung?

Roland Kläy: Wir filtern Unternehmen und Organisationen heraus, die einen positiven Einfluss auf eines oder mehrere der UNO-Nachhaltigkeitsziele haben. Wir haben dazu eine eigene Rating-Methodik entwickelt, welche auf unserer Website und in der App transparent erläutert wird. Wenn ein Unternehmen etwa Wasseraufbereitungsanlagen herstellt, dann hat es gemäss den SDGs (Sustainable Development Goals, die Red.) einen positiven Impact auf die Erreichung von SDG 6, was für sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen steht.

Aber welchen positiven Impact habe ich als Kunde, wenn ich eine Aktie dieser Firma kaufe? Das Unternehmen produziert diese Anlagen ja unabhängig davon, ob ich eine Aktie besitze oder nicht.

Roland Kläy: Das kann man nicht quantifizieren. Wir können aber sagen, dass ein solches Unternehmen dazu beiträgt, eines oder mehrere der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO zu erreichen. Damit leistet man als Investor automatisch einen positiven Beitrag auf die Erreichung eines oder mehrerer der Nachhaltigkeitsziele.

Insgesamt greifen Sie auf ein Anlageuniversum von 2000 Titeln zurück. Alle börsenkotierten Schweizer Banken und auch der Nahrungsmittelkonzern Nestlé sind ausgeschlossen. Warum?

Rouven Leuener: All unsere Investmentprodukte haben neben einem finanziellen, auch ein nachhaltiges Anlageziel. Das heisst, jedes Unternehmen durchläuft neben dem klassischen finanziellen Bewertungsprozess, auch eine Analyse, die es nach seinem Beitrag zur Erreichung der SDGs bewertet. Es gelangen nur Unternehmen in unsere Portfolios, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, die eine nachhaltige Wirkung entfalten. Unsere eigens entwickelte Nachhaltigkeitsanalyse stellt dies sicher. Wir bewerten die Unternehmen strikt nach ihrer Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft und nicht wie der breite Markt an den Nachhaltigkeitsrisiken auf das finanzielle Ergebnis. Wir gehen also einen Schritt weiter. Nestlé oder auch einige Schweizer Banken erfüllen unsere eigens auferlegten Nachhaltigkeitskriterien derzeit nicht. Zudem können es auch finanzielle Aspekte sein, die eine Anlage in Schweizer Banken nicht attraktiv erscheinen lassen. Dies entscheiden unsere Portfoliomanager, sofern die Unternehmen Teil unseres Anlageuniversums sind.

Von den grossen Technologiefirmen berücksichtigen Sie nur Microsoft. Wieso schliessen Sie Google, Apple, Meta und Amazon aus?

Roland Kläy: Microsoft ist die einzige Unternehmung aus Ihrer Aufzählung, die aktuell unseren Mindestscore von 20 in unserem SDG Impact Rating erfüllt und gleichzeitig ein Lösungsanbieter für SDG 13 'Climate Action' ist, indem Cloud-Services angeboten werden.

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