Blue Horizon
Roger Lienhard eckt mit seinen Geschäftspraktiken an. Vor Jahren trieb er Silvia Affolter zur Weissglut, jetzt enttäuscht er Profi-Investoren. Darunter befinden sich bekannte Schweizer Namen, aber auch milliardenschwere internationale Family-Offices.
19. September 2023 • Beat Schmid

Eigentlich hat sie die Sache längst ad acta gelegt, doch mehr als zehn Jahre danach ärgert sich Silvia Affolter noch immer. «Es ist unglaublich, wie unverfroren Lienhard vorgegangen ist», sagt sie heute. Die bekannte Schweizer Unternehmerin und ehemalige Miss Schweiz zeigt einen Ordner, in dem ihr ganzer Ärger mit Roger Lienhard gesammelt ist.

Es sind Korrespondenzen mit Anwälten und dem Institut für Geistiges Eigentum sowie Telefonnotizen von verwirrten Kunden. Affolter führte jahrelang eine Firma, die Videos für die Schweizer Luxushotellerie produzierte. Cityguide TV nannte sie das Format, das in der ganzen Schweiz bekannt war. Doch plötzlich erhielt sie Anrufe und E-Mails von Kunden, die sich über Verkaufsberater ärgerten, die im Namen ihrer Firma Werbeverträge einfädeln wollten.

Allerdings waren es keine Mitarbeiter von ihr, sondern von Roger Lienhard, der mit Cityguide AG eine zum Verwechseln ähnliche Firma betrieb. Zudem war Lienhards Doppelgängerfirma im gleichen Haus eingemietet wie Affolters Cityguide TV. Dass seine Verkäufer sich teilweise als Vertreter von Cityguide TV ausgaben, belegen Dokumente. Er habe schamlos ausgenützt, dass Cityguide TV mit dem Hotelfernsehen bereits gut am Markt etabliert war, sagt Affolter.

Fragwürdige Methoden

Lienhards Methoden wurden in «Kassensturz» und «Beobachter» kritisiert. Von «windigen Werbefirmen» war die Rede, die «kleine Betriebe unter Druck setzen», ihnen überteuerte Werbefilme andrehen und sie mit Knebelverträgen über Jahre binden würden.

Er suchte Investoren, baute eine 60-köpfige Vertriebsmannschaft auf und expandierte nach Deutschland. In einem Briefwechsel machte er Anstalten, Affolters Firma zu kaufen. Er sprach von einer substanziellen Finanzierungsrunde und dem Einstieg eines strategischen Investors. Er nannte auch ein konkretes Datum für einen Börsengang.

Als Investor stieg Werner Dubach ein, der einst sein Aktienpaket an der Brauerei Eichhof an Heineken verkauft hatte. Doch zum Börsengang kam es nie. Die Firma brach zusammen. In Investorenkreisen geht man davon aus, dass Dubach 50 Millionen Franken verloren hat. Der 79-jährige Unternehmer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Das Erweckungserlebnis

In der Zeit des Konkurses muss Roger Lienhard eine Art Erweckungserlebnis gehabt haben, wie er später in einem Interview sagte. Nach einem Gespräch mit seiner Tochter sei ihm klar geworden, dass die Menschheit ihre Ernährung komplett umstellen müsse, wenn die Weltbevölkerung bis 2050 auf zehn Milliarden anwachse. Er wurde überzeugter Veganer und begann, in Start-ups zu investieren, die an Fleischersatzprodukten forschten. Die Idee von Blue Horizon war geboren, ein sogenannter Impact Investor für die New-Food-Industrie.

Wieder gelang es ihm, einflussreiche Investoren zusammenzubringen und Geld für einen Fonds einzusammeln. Die Idee zündete. Das deutsche «Manager Magazin» nannte ihn den «Extremisten der New-Food-Szene». Er wolle Blue Horizon zu einer Berkshire Hathaway der Lebensmittelindustrie machen, sagte er dem «Forbes Magazine».

Roger Lienhard gilt als genialer Verkäufer, der bescheiden mit dem Verkauf von Werbung auf Tischsets begann. Bei Blue Horizon gelang es ihm, Urs Wietlisbach, Mitgründer der Partners Group, und Martin Bisang (Bellevue Group) als Investoren zu gewinnen. Auch Investoren wie das Family Office des milliardenschweren belgischen Bierkönigs Alexandre Van Damme (Stella Artois, Beck's, Leffe, Hoegaarden u. a.) oder das Family Office von Jonathan Ordway Fackelmayer (3M) sind eingestiegen. Zu den Geldgebern gehört auch die Thyssen-Bornemisza Group. Die Holding mit Sitz in Zürich hat mit Jeremy Abson einen Vertreter im Verwaltungsrat.

Finma schaltete sich ein

Das Ziel war ein Börsengang von Blue Horizon. Lienhard engagierte bekannte Persönlichkeiten für den Verwaltungsrat wie den Ex-Migros-Topmann Walter Huber oder eine Ex-Finma-Kaderfrau. Auch das Managementteam besetzte er mit zum Teil hochkarätigen Leuten. Zwar konnte Blue Horizon einen ersten Fonds erfolgreich lancieren, doch bald tauchten Probleme auf. Die Limited Partner des Fonds begannen zu rebellieren und schafften es nach juristischen Auseinandersetzungen, Blue Horizon das Fondsmanagement zu entziehen.

Die Finanzmarktaufsicht schaltete sich ein und begann Fragen zu stellen. Knall auf Fall sprangen vier Verwaltungsräte ab. Ein zweiter Fonds schaffte es bisher nicht, die angepeilten Mittel aufzutreiben. Mittlerweile arbeitet nur noch eine Handvoll Beschäftigter für Blue Horizon, da dem Finanzunternehmen die Erträge und das Business weggebrochen sind. Mehrere Investoren liessen Anfragen um eine Stellungnahme unbeantwortet.

Inzwischen hat Lienhard bereits einen neuen Traum: Er sucht Investoren für den Bau einer «Gigafactory» in der arabischen Wüste. Dort sollen vegane Lebensmittel aus alternativen Proteinen im ganz grossen Stil produziert werden. Nuos heisst das Projekt. Obwohl bisher nicht mehr als eine AG und Computeranimationen existieren, wird auf der Website vollmundig verkündet, Nuos stehe für «grössten Erfolg in der modernen, nachhaltigen Proteinproduktion».

Lienhard sucht nach Investoren. «Wir suchen leidenschaftliche Partner mit starken Investitionsmöglichkeiten», steht deshalb auf der Website. Er verspricht ihnen, dass Nuos «Weltmarktführer in der sauberen Proteinproduktion» werden will.

Nach Warren Buffett scheint Roger Lienhard ein neues Vorbild zu haben: Jetzt will er der Elon Musk (52) des veganen Zeitalters werden. Der Investor war nicht erreichbar.

Der Text ist eine leicht gekürzte Fassung eines Artikels, der im SonntagsBlick erschien.

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