Auch Wochen nach dem Auffliegen der Benko-Abschreiber bei Julius Bär bleibt unklar, warum sich die Bankführung auf den österreichischen Immobilieninvestor überhaupt eingelassen hat. Als die Zusammenarbeit im Rahmen der Globus-Übernahme Anfang 2020 begann und die ersten 200 Millionen an Krediten flossen, war René Benko bereits wegen Bestechung vorbestraft. Bekannt waren auch sein intransparentes Firmengeflecht und die verworrene Governance-Struktur mit Bei- statt Verwaltungsräten.
Wie mehrere mit der Angelegenheit vertraute Quellen sagen, war einer der Hauptbeweggründe, dass man sich von René Benko lukrative Nebengeschäfte erhoffte. Der märchenhafte Aufstieg des Innsbrucker Financiers wurde 2019 so richtig sichtbar. Damals tauchte sein Name erstmals auf der Forbes-Liste der Milliardäre auf, mit einem Nettovermögen von fast 5 Milliarden Dollar.
Die Bank hatte gehofft, dass Benko nicht nur Kredite nachfragen, sondern auch sein vermutetes riesiges Privatvermögen oder zumindest Teile davon der Bank zur Verwaltung anvertrauen würde. Konkret glaubte man, ein umfangreiches Aktienportfolio in die Bank holen zu können. «Leider ist nie etwas gekommen», sagt eine Quelle.
Vernebelte Sinne
Möglicherweise hat die Aussicht auf attraktive Gebühreneinnahmen die Sinne in der Chefetage der Bank vernebelt. Das würde erklären, warum die Bank trotz aller Bedenken bereit war, mit Benko ein Klumpenrisiko von insgesamt 606 Millionen Franken einzugehen.
Rückblickend hätte die Bank besser die Finger von Benko gelassen. Nun drohen Julius Bär weitere hohe Abschreibungen. Zu den angekündigten 70 Millionen Franken könnten weitere 200 bis 300 Millionen hinzukommen. Diese dürften mittlerweile zwar im Aktienkurs eingepreist sein. Nachdem die Aktie rund 20 Prozent verloren hatte, legte sie am Donnerstag wie die meisten Finanztitel im Zuge der Zinsmeldungen der Notenbanken um über 3 Prozent zu.
Doch der epochale Blechschaden ist noch lange nicht behoben. Über die Feiertage müssen sich Verwaltungsrat und Geschäftsleitung klar werden, welche personellen Konsequenzen aus dem Debakel zu ziehen sind. Spätestens Anfang Februar, wenn die Jahreszahlen bekannt gegeben werden, muss dann reiner Tisch gemacht werden.