Julius Bär
Weder der Verwaltungsratspräsident noch der CEO, weder der Risikochef noch die Finanzchefin müssen gehen. Niemand in der Privatbank wird die Verantwortung für den Millionenverlust und den Reputationsschaden übernehmen.
18. Januar 2024 • Beat Schmid

Es dauert nun schon eine ganze Weile. Am 26. November gab die Bank Julius Bär bekannt, dass sie 606 Millionen Franken einem «europäischen Konglomerat» geliehen hat. Davon hat sie rund 80 Millionen abgeschrieben. Seither hüllt sich die Bank in Schweigen. Am 2. Februar wird sie voraussichtlich den Schleier lüften und weitere Wertberichtigungen bekannt geben. Insgesamt dürfte die Bank bis zu 400 Millionen Franken für die Positionen in Zusammenhang mit der Signa-Immobiliengruppe von René Benko zurückstellen müssen.

Wie Recherchen ergeben haben, wird die Privatbank mit der Präsentation der Jahreszahlen jedoch keine nennenswerten Personalwechsel bekannt geben, wie man aufgrund der Tragweite des Debakels annehmen müsste. Es wird kein Mitglied der Geschäftsleitung oder des Verwaltungsrates zurücktreten. Das sagen mehrere Personen, die mit den Vorgängen in der Bank vertraut sind.

Das ist insofern erstaunlich, als die Verantwortungslinie im Fall Benko dokumentiert ist. Sie reicht vom Kundenberater bis zum Verwaltungsratspräsidenten. Für die drei Kredittranchen von insgesamt 606 Millionen Franken gab es auf allen Ebenen grünes Licht, bis hinauf zum Verwaltungsrat als letzter Instanz.

Niemand ist auf die Bremse getreten

Niemand ist auf die Bremse getreten und hat gesagt: «606 Millionen Franken für einen vorbestraften Immobilienjongleur. Seid ihr verrückt?» Und so wurden die Kreditanträge von Risikochef Oliver Bartholet, Finanzchefin Evangelia Kostakis, CEO Philipp Rickenbacher und Verwaltungsratspräsident Romeo Rickenbacher bewilligt. Letzterer sitzt auch im Risikoausschuss des Verwaltungsrates.

Oft ist es schwierig, die Verantwortlichen für ein Debakel in einer Bank zu finden, oder es gelingt dem Management, die Verantwortung auf untergeordnete Mitarbeitende abzuwälzen, die dann «den Kopf hinhalten» müssen. Bei Julius Bär ist das Versagen buchstäblich auf der ganzen Linie zu finden.

Geht man entlang der Verantwortungslinie, wäre die Reihenfolge der Rücktritte klar: Die oberste Verantwortung trägt Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher, er müsste als erster den Hut nehmen. Dann folgen CEO Philipp Rickenbacher, Risikochef Oliver Bartholet, Finanzchefin Evangelia Kostakis und zuletzt der zuständige Regionenchef, der René Benko in die Bank geholt hat.

Kollektive Verantwortungslosigkeit

Ein Grund, warum niemand zurücktreten wird, liegt im zersplitterten Aktionariat. Bei Bär gibt es keinen Ankeraktionär, der auf den Tisch klopft und den Managern mitteilt, dass für sie die Party vorbei ist. Romeo Lacher und Philipp Rickenbacher müssten sich also quasi selbst aus dem Amt hieven. Dazu sind sie offensichtlich nicht bereit. Angesichts der hohen Entschädigungen ist das auch kein Wunder. Sie sehen sich als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems.

Der nächste Rücktrittskandidat wäre Risikochef Oliver Bartholet. Doch auch er wird gemäss zuverlässigen Quellen bleiben. Als Chief Risk Officer ist er zwar einer der Hauptverantwortlichen. Man kann ihm vorwerfen, dass er das Structured-Loans-Geschäft nicht in ein wirksames Risikoframework eingebettet hat.

Aber er kann sich sagen: Warum soll ich die Verantwortung für etwas übernehmen, das die nächsten zwei Stufen über mir ebenfalls genehmigt haben? CEO Rickenbacher und VRP Lacher haben jedenfalls schlechte Argumente, um ihn aus dem Amt zu drängen. Vielleicht liesse sich der 58-jährige Bartholet mit einem attraktiven Abgangspaket überzeugen. Aber auch das scheint kein Thema zu sein. Nach dem Benko-Debakel herrscht bei Julius Bär kollektive Verantwortungslosigkeit.

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